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Nachruf auf Tennisprofi Bill Scanlon Mister Golden Set ist tot

Bill Scanlon erlebte die große Zeit des US-amerikanischen Tennissports. Der Profi gehörte nie zu den Topstars, eine Bestmarke im Welttennis hielt er aber 30 Jahre lang.
Bill Scanlon

Bill Scanlon

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Professional Sport / Popperfoto / Getty Images

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Einmal in seinem Tennisleben war Bill Scanlon ganz oben. An Platz eins der Rankings, die sie im Statistik-verrückten Tennis so lieben. Eigentlich war es ein ganz normales ATP-Turnier, eigentlich eine schnöde erste Runde, aber in dieser Partie gegen den Brasilianer Marcos Hocevar beim Turnier von Dalrey Beach im Februar 1983 gelang Scanlon das Kunststück, den zweiten Satz nicht nur mit 6:0 zu gewinnen, sondern dabei auch keinen einzigen Punkt abzugeben. Einen Golden Set nennt man das im Tennissport, und das haben Björn Borg, Boris Becker, Ivan Lendl, Pete Sampras, Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic nicht geschafft. Erstaunlicherweise. Aber Scanlon.

30 Jahre lang stand er als alleiniger Mister Golden Set in den Rekordbüchern, er trug diesen Beinamen noch mit sich herum, als er seine Laufbahn längst beendet hatte. Erst 2013 gelang es auch dem Deutschen Julian Reister gegen seinen Landsmann Tim Pütz, einen Satz ohne Punktverlust zu gewinnen. Mittlerweile gibt es drei Profis im Männertennis, die das geschafft haben: Der Italiener Stefano Napolitano gesellte sich 2015 hinzu.

1983 war sein Jahr

1983, das war ohnehin das Jahr des Bill Scanlon. Der Texaner drang in die Top Ten der Weltrangliste vor, bei den US Open startete er einen Siegeszug, der erst im Halbfinale endete. Mit Pat Cash und Topfavorit John McEnroe hatte er bereits zwei absolute Superstars ausgeschaltet, der Dritte war dann einer zu viel. Jimmy Connors verhinderte den Einzug Scanlons ins Grand-Slam-Finale.

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Scanlon gehörte zu jener Zeit zu der großen Zahl an begabten US-Profis, von denen es nicht genug geben konnte. Jahr für Jahr drangen neue meist Serve-and-Volley-Spezialisten in die Weltspitze vor, hinter den Topstars Connors und McEnroe drängten sich zig Topspieler: Vitas Gerulaitis, Harold Solomon, Peter Fleming, Brian Teacher, Brian Gottfried, Roscoe Tanner, Gene Mayer. Die Ära des großen US-Tennis bei den Herren ist lange vorbei, Scanlon hat sie noch miterlebt. Er war Teil davon. Nie einer der Superstars, aber einer, der zu den großen Turnieren einfach dazugehörte. Ein gefährlicher Außenseiter immer dann, wenn es auf schnellen Belägen um Grand-Slam-Ehren ging.

Siege über McEnroe, Lendl, Wilander, Borg

Es war die Zeit, als Tennisspieler noch wie Rockgitarristen aussahen: Borg, Gerulaitis, Guillermo Vilas, Ilie Nastase. Und sich auch ähnlich kapriziös benahmen. Scanlon gehörte nie zu dieser Kategorie, er war ein Tennis-Arbeiter, aber auch das reichte für sechs Einzel-Turniersiege – in seiner Bilanz stehen acht Siege über Spieler, die mal auf Platz eins der Weltrangliste standen. McEnroe hat er sogar dreimal besiegt, Nastase zweimal, Borg, Lendl, Wilander, Agassi, sie alle gingen gegen Scanlon als Verlierer vom Platz.

1984 trifft Scanlon in der 3. Runde von Wimbledon auf Platz zwei, dem Friedhof der Stars, auf einen blutjungen Deutschen. Boris Becker ist damals noch der 16-Jährige aus Leimen, er liefert dem US-Amerikaner eine ausgeglichene Partie, der Teenager gilt bei den Experten schon damals als einer, der es weit bringen kann. Im vierten Satz jedoch bei 1:2-Satzrückstand muss Becker aufgeben, er hat sich im Spiel einen Bänderriss im Knöchel zugezogen, es geht nicht mehr. Scanlon zieht ins Achtelfinale ein und kann sagen: Er ist für die nächsten zwei Jahre der Einzige, der gegen Boris Becker in Wimbledon gewonnen hat.

1990 beendete Scanlon als 34-Jähriger seine Laufbahn, er schrieb danach ein paar Tennisbücher, in denen er das Erfolgsrezept des Zen-Buddhismus als mentale Vorbereitung im Sport pries und eine Erinnerung an die große Zeit des US-Tennis, die auch die seine war: Das Buch trägt den Titel »Bad News for McEnroe.«

Am Dienstag ist Bill Scanlon, der Mister Golden Set, an Krebs gestorben. Er wurde nur 64 Jahre alt.

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