Pop

Fritz Novotny: Ein Feuerkopf, der uns den Freejazz lehrte

Fritz Novotny, Wiener Saxofonist und Mastermind der Reform Art Unit, ist 78-jährig gestorben.

„Seit 120 Jahren spielen die Jazzmusiker aller Völker großteils miteinander ein improkomponiertes Esperanto der Avantgarde frei von irgendwelchen Ismen!“ Noch ist es im Posteingang, das Mail, aus dem dieser Satz ist. Fritz Novotny hat ihn geschrieben, in seiner typischen Begeisterung, mit der er seine Idee einer weltumspannenden Musik seit gut fast sechs Jahrzehnten verficht. Verfochten hat, muss man jetzt sagen. Denn Fritz Novotny, der Spiritus Rector des Wiener Freejazz, ist am Dienstag im Alter von 78 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben.

Er war ein Feuerkopf bis zuletzt, voller Pläne: Das Konzert, das er am 28. Mai im Porgy & Bess spielen wollte, hatte er James Joyce und John Cage gewidmet. Und dem Schriftsteller Rolf Schwendter: Mit ihm hatte er einst, in den späten Fünfzigerjahren, seine Reise in die große Freiheit des Jazz begonnen. Kaum hatte er Klarinette und Sopransaxofon gelernt, gründete er auch schon ein Ensemble, das sich programmatisch Reform Art Unit (RAU) nannte. Die ersten Liveaufnahmen sind aus dem Jahr 1967, dem Todesjahr des großen Freejazz-Pioniers John Coltrane, er blieb Novotnys Leitfigur: Wenn jemand zaghaft an der Idee der freien Improvisation zweifelte, spielte Novotny ihm Coltranes „Ascension“ vor, und dieser jemand war schon wieder bekehrt. Mit einer glühenden Version dieser Himmelfahrtsmusik ehrte die RAU 2017 ihren verstorbenen Trompeter Sepp Mitterbauer.

Sie war eine wilde Horde, die Wiener Freejazz-Partie, und Novotny gab ihr oft eine Richtung vor. Etwa mit seinem Faible für das, was man später Weltmusik nennen sollte, ob aus dem Burgenland („Pannonian Flower“ war ein Leitmotiv der RAU) oder aus Indien. Auf „Darjeeling“ etwa (1970) musizierte die RAU mit dem indischen Sitarspieler Ram Chandra. Sie war auch bei US-Kollegen hoch geachtet: Trompeter Don Cherry spielte gern mit, Schlagzeuger Sunny Murray gehörte fast schon fix dazu. Für neue E-Musik offen war Novotny sowieso, er sprach von der dritten Wiener Schule. Auch mit bildenden Künstlern arbeitete er gern, für Adolf Frohners Werk „Ca. 55 Schritte durch Europa“ in der U3-Station Westbahnhof spielte die RAU die Musik.

Wer wird uns nun über die Geschichte des Wiener Freejazz belehren? Fritz Novotny fehlt uns. Am 28. Mai im Porgy & Bess spielen viele seiner Weggefährten in seinem Gedenken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2019)

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