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Finanzministerium belegt Ministerien mit Teil-Haushaltssperre

Nach dem Urteil zum Klimafonds hat das Finanzministerium die Ausgabensperre auf fast den gesamten Bundeshaushalt erweitert. Laufende Ausgaben sind nicht betroffen, aber für kommende Jahre dürfen die Ressorts keine Verpflichtungen eingehen.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Die Bundesregierung schätzt die Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds offenbar ernster ein als bisher angenommen. Das Bundesfinanzministerium hat die bereits verhängte Haushaltssperre für den Klima- und Transformationsfonds (KTF), der von dem Urteil unmittelbar betroffen ist, auf nahezu den gesamten Bundeshaushalt ausgeweitet.

Das bestätigte das Finanzministerium dem ARD-Hauptstadtstudio. Nach Ministeriumsangaben bedeutet das aber keine Ausgabensperre. Die für 2023 eingestellten Gelder könnten regulär fließen, hieß es am Dienstagmorgen laut dpa in Ministeriumskreisen.

"Haushaltswirtschaftliche Gesamtlage" wird überprüft

Zuvor hatte der "Spiegel" unter Berufung auf ein Schreiben von Haushalts-Staatssekretär Werner Gatzer (Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) berichtet. Aufgrund des Urteils ergebe sich "für den Bundeshaushalt die Notwendigkeit der Überprüfung der haushaltswirtschaftlichen Gesamtlage", schreibt Gatzer. "Um weitere Vorbelastungen für künftige Haushaltsjahre zu vermeiden", beabsichtige er, "alle in den Einzelplänen 04 bis 17 und 23 bis 60 des Bundeshaushaltsplans 2023 ausgebrachten und noch verfügbaren Verpflichtungsermächtigungen mit sofortiger Wirkung zu sperren".

Gatzer verweist dabei auf Paragraph 41 der Bundeshaushaltsordnung, der eine Haushaltssperre regelt. Mit den genannten Einzelplänen sind die Einzeletats aller Ministerien betroffen. Im Einzelplan 60 sind etwa der Klima- und Transformationsfonds und der 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm zur Dämpfung der Energiepreise angesiedelt. Ausgenommen sind laut der Aufzählung Verfassungsorgane wie Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht.

Belastungen für kommende Jahre sollen vermieden werden

Aus dem Bundesfinanzministerium hieß es dazu laut der Nachrichtenagentur Reuters auf Anfrage, Verpflichtungsermächtigungen im laufenden Haushalt würden gestoppt, um Vorbelastungen für kommende Jahre zu vermeiden. "Bestehende Verbindlichkeiten werden weiter eingehalten, es dürfen nur keine neuen eingegangen werden", wurde betont. "In Ausnahmefällen können Verpflichtungsermächtigungen entsperrt werden", hieß es. Es werde jedoch ein strenger Maßstab angelegt, wann dafür Bedarf vorliege.

Bei Verpflichtungsermächtigungen handelt es sich um Festlegungen im laufenden Haushalt, die Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren zur Folge haben. Eine Verpflichtungsermächtigung gibt einer Verwaltung die Möglichkeit, bereits für künftige Jahre Zahlungsverpflichtungen einzugehen, etwa bei mehrjährigen Vorhaben.

Kein Alleingang Lindners

An anderer Stelle der Regierung wurde laut der Nachrichtenagentur Reuters deutlich gemacht, dass es sich nicht um einen Alleingang von Finanzminister Christian Lindner (FDP) handele: "Es ist abgesprochen und sinnvoll."

Bundesfinanzminister Lindner hatte nach dem Verfassungsgerichtsurteil vom Mittwoch zunächst nur eine Ausgabensperre für den Klimafonds verhängt. Die Karlsruher Richter hatten entschieden, dass 60 Milliarden Euro an ungenutzten Kreditermächtigungen für den Kampf gegen die Corona-Pandemie nicht rückwirkend in den Klimafonds verschoben werden durften. Die Mittel waren zuvor für zahlreiche klimapolitische Projekte der Ampel-Koalition vorgesehen gewesen und fehlen jetzt.

Haushaltsausschuss berät mit Experten

Die Bundesregierung ringt seit Tagen um den Umgang mit dem Urteil aus Karlsruhe und prüft derzeit noch die Folgen des Urteils im Detail, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag sagte. Bevor über Alternativen der Finanzierung gesprochen werde, müsse erst einmal klar sein, wie groß das Haushaltsloch tatsächlich ist.

An diesem Dienstag sollen Experten dem Bundestag und der Bundesregierung helfen, die Folgen des Karlsruher Haushaltsurteils richtig zu interpretieren. Der Haushaltsausschuss hört dazu Sachverständige an, die von den unterschiedlichen Fraktionen benannt wurden. Vor allem soll es darum gehen, ob trotz des Urteils der Haushalt für 2024 beschlossen werden kann.

Kühnert: "Andere Lösungen" finden

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert plädierte angesichts der Lage für neue Lösungen. Es entstehe jetzt "eine Situation, in der politisch verhandelt werden muss", sagte er im ARD-"Morgenmagazin". Das sei "nicht immer schön", aber unausweichlich. "Jetzt müssen wir andere Lösungen dafür finden."

Letztlich geht es laut Kühnert darum, dass mit den vom Verfassungsgericht gestrichenen 60 Milliarden Euro ein "Einnahmeverlust" entstanden sei. "Solange die Politik nicht gelöst hat, wie dieser ausgeglichen werden kann, ist das nach der Bundeshaushaltsordnung eine wohl normale Vorgehensweise", sagte Kühnert.

Ampel-Koalition diskutiert über Schuldenbremse

Die SPD bekräftigte angesichts der Haushaltskrise zuletzt ihre Forderungen nach einem Aussetzen der Schuldenbremse, um das 60-Milliarden-Euro-Finanzloch zu stopfen. Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) hält die Schuldenbremse in der aktuellen Form zwar ebenfalls für nicht mehr zeitgemäß, sieht aber keine Mehrheiten für eine Reform.

"Ich persönlich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Art, wie die deutsche Schuldenbremse konstruiert ist, für zu wenig intelligent halte", sagte Habeck am Montagabend in den ARD-"Tagesthemen". Sie sei "sehr statisch" und unterscheide nicht zwischen Geldern, die im Laufe des Jahres ausgegeben werden, und Investitionen in die Zukunft, die sich erst nach Jahren rechnen. Das scheine ihm wenig klug, sagte der Grünen-Politiker. Auch die Voraussetzungen hätten sich verändert,

Linken-Fraktionschef für "Klimareichensteuer"

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch forderte hingegen eine "Klimareichensteuer". "Nach dem Urteil aus Karlsruhe darf es keine Sozialkürzungen geben, um das 60-Milliarden-Loch zu stopfen", sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Nicht die "kleinen Leute", sondern Multimillionäre und Milliardäre sollten herangezogen werden, um Deutschland zu modernisieren.

Mit Informationen von Reuters, AFP und dpa

Mehrere  50-Euro-Scheine liegen übereinander
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