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Das mumok trauert um Margherita Spiluttini

Wien (OTS) - Margherita Spiluttini zählt zu den weltweit bedeutendsten Architekturfotograf*innen, die für Stararchitekten wie Herzog & de Meuron, David Chipperfield, Olafur Eliasson, Hermann Czech oder Friedrich Achleitner arbeitete. Und doch erschöpft sich ihre Leistung nicht in dieser berufsfotografischen Funktion, denn ihre Arbeiten besitzen eine weit über das bloß Dokumentarische hinausgehende eminent künstlerische Qualität, in der subjektiver Erfindungsreichtum mit veristischer Präzision verschmilzt. Aufgewachsen als Tochter eines Baumeisters war ihr das Bauliche und Architektonische von Kind an zutiefst vertraut. Und die Genauigkeit, die Voraussetzung technischen Funktionierens ist, konnte sie zunächst als medizinische Fotografin in ihrer Funktion als medizinische Assistentin einsetzen, wo Präzision existenziell entscheidend ist. Auch das Innere menschlicher Körper begriff sie dabei als räumlich vernetzte Struktur. Die Affinität zu einer Sicht auf Architektur, welche diese nicht als etwas Starres, sondern als etwas Lebendiges mit sozialem Anspruch begreift, bestimmte Spiluttinis Arbeit seit den 1980er-Jahren. Dazu hat 1970 ihre Heirat mit Adolf Krischanitz, der damals zur Gruppe der Architekturutopisten „Missing Link“ gehörte, ebenso beigetragen wie ihre Verbindungen zum Grazer Forum Stadtpark und dessen innovativem Engagement für Fotografie, wie es in der Zeitschrift Camera Austria zum Ausdruck kommt. Entscheidend war für sie auch die Möglichkeit, auf Vermittlung von Dietmar Steiner und Otto Kapfinger, die für Die Presse Architekturkritiken schrieben, die dort dazugehörigen Fotos beizusteuern bzw. für den ersten Wiener Architekturführer alle relevanten Gebäude abzulichten. Für Steiner ist sie daher auch die Begründerin der österreichischen Architekturfotografie.

Man muß nicht lange suchen, um Fotografien zu finden, in denen Spiluttinis Sicht der Architektur in eine Kunst der Fotografie umschlägt. Ein prägnantes Beispiel dafür ist eine 1980 entstandene Fotoserie, die sie dabei zeigt, wie sie ihre Küche aufräumt. Es ist eine konzeptuelle Arbeit, die nicht nur einen präzisen Ausschnitt eines Raumes bzw. eines Arbeitsprozesses mit ordnender und reinigender Funktion dokumentiert, sondern auch dem Fotografieren selbst ein Porträt verschafft: denn die Figur Spiluttinis erscheint inmitten des scharf abgebildeten Raumes durch ihre Bewegung unscharf und verwischt – worin sich der Aufnahmemechanismus der Kamera selbst abbildet. Stellt man ihre Fotografie des Arbeitszimmers von Margarete Schütte-Lihotzky kurz nach deren Tod daneben, so schließt sich der Kreis: erscheint doch dieses Bild wie ein Porträt jener Architektin, die durch die Erfindung der Frankfurter Küche einen emanzipativen Ansatz verfolgte.

Dass Spiluttini auch eine versierte Landschaftsfotografin ist, begründet sich aus der Logik ihres erweiterten Architekturverständnisses, weil sie Gebäude auch als Teile ihres (stadt)landschaftlichen Umfeldes versteht. Daher verwundert auch ihr Interesse an Landschaften nicht, die in Architekturen hineingemalt sind, wie die exotischen Fantasielandschaften des Barockmalers Johann Wenzel Bergl in den Prunkräumen von Schloß Schönbrunn oder Stift Melk. Eine solche künstlerische Fotoserie von ihr über diese architekturbezogene Kunst der Barockmalerei zählt auch zu den immer wieder präsentierten Werken aus der mumok Sammlung. Gerade in diesem Bezug zu einem künstlerischen Fotomotiv blitzt ihre eigene künstlerische Kraft auf. Von ihrer mit Geduld ertragenen gesundheitlichen Einschränkung hat sich die Künstlerin in ihrer Arbeit nicht behindern lassen. Ihr Tod hinterläßt eine schmerzliche Lücke in Kunst und Fotografie.

Karola Kraus, Rainer Fuchs und das Team des mumok

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