Kritik der Woche (42): In den Häusern der anderen

Am 29. Januar zogen Hunderte Oberschlesier mit schlesischen und deutschen Fahnen durch Schwientochlowitz (Świętochłowice).

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Sie erin­ner­ten in der alt­ehr­wür­di­gen Berg­manns­stadt im Koh­le­pott zwi­schen Beu­then (Bytom), Ruda (Ruda Śląs­ka) und Königs­hüt­te (Chor­zów) an den 78. Jah­res­tag der »ober­schle­si­schen Tragödie«.

So wird die wil­de Ver­trei­bung über­wie­gend deutsch­stäm­mi­ger Bewoh­ner der geschichts­träch­ti­gen Regi­on durch die sowje­ti­sche Rote Armee und pol­ni­sche Kom­mu­nis­ten genannt.

Ähn­li­che Gedenk­ak­tio­nen, zum Teil mit Blas­or­ches­tern, gab es in Beu­the­ner Orts­tei­len wie Stol­lar­zowitz und Fried­richs­wil­le. Neben dem Erin­ne­rungs­marsch in Schwi­en­toch­lo­witz gibt es vor allem dort wei­te­re Aktio­nen, um an die Ver­bre­chen im Früh­jahr 1945 zu erin­nern (hier ein sehens­wer­ter aktu­el­ler Kurz­be­richt, Beginn 9:42 Min.).

Daß sich an der­lei erin­ne­rungs­po­li­ti­schen Aktio­nen neben Polen und »Schlon­zaken« ins­be­son­de­re Deut­sche betei­li­gen, liegt dar­an, daß in der heu­ti­gen Woi­wod­schaft Schle­si­en, die in etwa das alte Ober­schle­si­en ohne Oppeln und Umge­bung umfaßt (Opo­le ist eine eige­ne Woi­wod­schaft), 1945 nicht voll­stän­dig Tabu­la rasa gemacht wurde.

Zwar wur­de auch dort das Gros der Deut­schen ver­trie­ben. Aber meh­re­re Hun­dert­tau­send Deut­sche durf­ten oder muß­ten (weil sie bspw. unab­kömm­lich im Berg­werk waren) blei­ben. Bis heu­te hat sich auch des­halb vor allem in Beu­then, Schwi­en­toch­lo­witz und in Tei­len von Kat­to­witz eine akti­ve deut­sche Min­der­heit hal­ten kön­nen, die eine leben­di­ge Kultur‑, Volks­tums- und Erin­ne­rungs­po­li­tik betreibt – erwar­tungs­ge­mäß gegen vie­le Widerstände.

Außer­halb die­ser Regi­on sticht ins­be­son­de­re die »deut­sche Hoch­burg« Oppel­ner Land her­vor, wo etli­che Orte rund um die Haupt­stadt der Woi­wod­schaft Opo­le offi­zi­ell zwei­spra­chig sind, und das heißt: Min­des­tens 20 Pro­zent der Ein­woh­ner hat­ten bei der letz­ten Volks­zäh­lung ange­ge­ben, deutsch zu sein. (Die Ergeb­nis­se der jüngs­ten Volks­zäh­lung lie­gen noch nicht vor; es droht der Ver­lust eini­ger deutsch-pol­ni­scher Zweisprachigkeiten).

Das alles steht in schrof­fem Gegen­satz zur min­der­heits­deut­schen Situa­ti­on in ande­ren ehe­mals deut­schen Gebie­ten wie Nie­der­schle­si­en, Lebus oder West­pom­mern. Dort war die Ver­trei­bung total und betraf von 1945 bis 1949 bis zu 99 Pro­zent der Deutschen.

Es ver­wun­dert also nicht, daß in Ober­schle­si­en (Woi­wod­schaft Schle­si­en + Woi­wod­schaft Oppeln) wei­ter­hin deut­sche Spu­ren vor­han­den sind. Es ver­wun­dert schon eher, daß auch in jenen Gebie­ten, wo die Ver­trei­bung und die Ent­deut­schungs­po­li­tik der pol­ni­schen Kom­mu­nis­ten noch umfas­sen­der war, sich noch heu­te deut­sche Spu­ren gehal­ten haben.

Die­sen wid­met sich die Lie­gnit­zer Schrift­stel­le­rin Karo­li­na Kus­zyk (Jg. 1977) in ihrem unver­zicht­ba­ren Werk In den Häu­ser der ande­ren: Die deut­sche Über­set­zung erschien 2022; das pol­ni­sche Ori­gi­nal Ponie­mieckie (etwa: Post-Deut­sch/­ehe­mals Deutsch) bereits 2019. Es lös­te in Polen leb­haf­te, teils über­aus emo­tio­nal geführ­te geschichts­po­li­ti­sche Debat­ten aus.

Der Grund ist all­ge­mein­ver­ständ­lich: Kus­zyk the­ma­ti­siert meh­re­re Tabus, kri­ti­siert die pol­ni­sche Erin­ne­rungs­po­li­tik und geht offen auf Ver­trei­bun­gen und ande­re Ver­bre­chen ein.

Das heißt nicht, daß es an poli­tisch kor­rek­ten Merk­wür­dig­kei­ten man­gelt. Ob die­se jedoch an Kus­zyk lie­gen oder am deut­schen Über­set­zer Bern­hard Hart­mann, ist für den Rezen­sen­ten ohne soli­de Kon­tak­te zum Ch. Links Ver­lag nicht zu eruieren.

Fest steht jeden­falls, daß es bizarr wirkt, wenn kon­se­quent War­schau und Kra­kau geschrie­ben wird, obwohl Wars­za­wa und Kraków erz­pol­ni­sche Städ­te sind, wohin­ge­gen man sich bei den über Jahr­hun­der­te gewach­se­nen ehe­mals deut­schen Städ­ten Lie­gnitz und Bres­lau auf Leg­ni­ca und Wro­cław fest­ge­legt hat.

Das wäre in etwa so, als wür­de in einem Ita­li­en­buch Mai­land (statt Mila­no) und Nea­pel (statt Napo­li) plat­ziert wer­den, wohin­ge­gen man Bozen kon­se­quent als Bol­za­no und Meran kon­se­quent als Mer­ano auf­tre­ten las­sen wür­de. Die Logik erschließt sich – zumin­dest mir – nicht.

Blen­det man der­lei sprach­po­li­ti­sche Fra­ge­zei­chen aus, ist das Buch ein fes­seln­des Pan­op­ti­kum »post­deut­scher« Geschich­te in Nord- und West­po­len. Ober­schle­si­en, wo noch heu­te bis zu 200.000 Deut­sche leben, wird aus­ge­blen­det; Karo­li­na Kus­zyk fokus­siert sich strin­gent auf die kom­plett oder fast kom­plett ent­deutsch­ten Gebiete.

Kus­zyk lei­tet für pol­ni­sche Durch­schnitts­le­ser und deut­sche poli­tisch kor­rek­te Leser pro­vo­zie­rend ein: Gehe es um die pol­ni­sche Deut­schen­po­li­tik 1945 ff., gäbe es bis­her nur eine »lücken­haf­te und durch poli­ti­sche Instru­men­ta­li­sie­run­gen ver­zerr­te« Geschichte.

Die pol­nisch-kom­mu­nis­ti­sche Til­gung aller »Spu­ren des Deutsch­tums« macht sie zu ihrem Gegen­stand – und Gegen­stand heißt hier buch­stäb­lich, daß sie sich ansieht, was zwi­schen Stet­tin und Bres­lau an deut­schem Bestand übrig­ge­blie­ben ist und wie die ab 1945 neu ange­sie­del­ten Polen damit umgin­gen, von Por­zel­lan über bestimm­te Küchen- oder Arbeits­uten­si­li­en bis hin zu deut­schen Friedhöfen.

Sie unter­sucht, was es für die gezwun­ge­nen Neu­sied­ler aus Lem­berg oder Wil­na bedeu­te­te, wenn sie sich »in den Hin­ter­las­sen­schaf­ten eines eben noch ver­fein­de­ten Vol­kes ein neu­es Leben« auf­zu­bau­en hat­ten. Auch dies fand oft unter Gewalt bzw. Gewalt­an­dro­hun­gen statt: Von 1944 bis 1948 wur­den min­des­tens andert­halb Mil­lio­nen Ost­po­len aus den nun­mehr sowje­ti­schen Gebie­ten ver­trie­ben und mal wild, mal orga­ni­siert in die nun­mehr pol­ni­schen West­ge­bie­te gebracht.

Karo­li­na Kus­zyk läßt in bezug auf die­se West­ge­bie­te – also aus deut­scher Sicht: Ost­ge­bie­te – kei­nen Zwei­fel dar­an, daß sie das  pol­nisch-natio­na­le »Pro­pa­gan­da­nar­ra­tiv von der Rück­kehr auf urei­ge­nes Ter­ri­to­ri­um« ver­wirft, auch »Wie­der­ge­won­ne­ne Gebie­te« akzep­tiert sie als Ter­mi­nus nicht.

Wert­frei ent­schei­det sie sich in der Regel für die Bezeich­nung des »ehe­mals Deut­schen« in Polen. Und das betrifft mehr Men­schen, als man den­ken könn­te: Fast ein Drit­tel aller Polen sol­len – Stand aller­dings 1995 – in ehe­mals deut­schen Häu­sern leben.

Die­se wur­den ganz unter­schied­lich behan­delt. Es gibt, so beschreibt es Kus­zyk, »deut­sche Häu­ser, denen es schlecht erging, weil sie von Men­schen bewohnt wur­den, die sie behan­del­ten wie die Sol­da­ten einer sieg­rei­chen Armee die Frau­en des Fein­des«. Und es gab und gibt Häu­ser, die gehegt und gepflegt, in den letz­ten Jah­ren zudem oft­mals mühe­voll saniert wurden.

Daß vie­le Häu­ser ver­fie­len und nicht gepflegt, son­dern aus­ge­nom­men wur­den, lag auch an der jah­re­lan­gen Unkennt­nis dar­über, wie der end­gül­ti­ge Grenz­ver­lauf zwi­schen Polen und Deutsch­land aus­se­hen wür­de. Man repa­rier­te nichts oder nur das Aller­not­wen­digs­te, weil man fürch­te­te, schon bald wie­der wei­ter­zie­hen zu müs­sen. Hin­zu kam das osten­ta­ti­ve Gefühl der Fremd­heit: Für einen Lem­ken aus einem ent­le­ge­nen Wei­ler im ehe­ma­li­gen Süd­ost­po­len war Nie­der­schle­si­en natur­ge­mäß eine klei­ne Welt­rei­se und oft­mals ein Kulturschock.

Karo­li­na Kus­zyk gelingt es, empha­tisch vor­zu­ge­hen. Sie spielt kein Leid gegen­ein­an­der aus, son­dern erin­nert in einer klu­gen Vor­ge­hens­wei­se über­haupt wie­der an jenes Leid, das heu­te oft aus­ge­blen­det oder aus ideo­lo­gi­schen Grün­den ver­schwie­gen wird.

Für bun­des­deut­sche Leser, deren Geschichts­bild links­li­be­ral geprägt ist, mag es dabei regel­recht scho­ckie­rend wir­ken, wenn Kus­zyk von einer »Plün­de­rei« an ehe­mals Deut­schem berich­tet, »bei der ganz Polen mit­mach­te«. Sie bezeich­net es sogar als »Ursün­de«, »mit der die wah­re Geschich­te mei­ner ehe­mals deut­schen Hei­mat begann«.

Für bun­des­deut­sche Leser, die eher kon­ser­va­ti­ven Geschichts­bil­dern zuneigt sind, ist es der­weil von beson­de­rem Inter­es­se, wie die Ver­trie­be­nen­po­li­tik der alten BRD unter­sucht wird. Das Leid der Hei­mat­ver­trie­be­nen wur­de in Wäh­ler­stim­men über­setzt, und Eri­ka Stein­bach war für die CDU/CSU über Jahr­zehn­te der gut geöl­te Motor die­ser poli­ti­schen Über­set­zung (und: Neu­tra­li­sie­rung) kol­lek­ti­ver Leiderfahrung.

Die­se Erfah­rung ende­te für vie­le Ver­trie­be­nen und Aus­sied­ler nicht in der »neu­en Hei­mat«, die oft­mals eine »kal­te« war. Auch dar­über berich­tet Karo­li­na Kus­zyk mit viel Ein­füh­lungs­ver­mö­gen und Sachkenntnis.

Letz­te­re beweist sie auch, als sie non­kon­for­me Phä­no­me­ne der Gegen­wart skiz­ziert. So berich­tet sie von einem kon­ser­va­ti­ven Jour­na­lis­ten Wojciech Cejrow­ski, der vor­schlug, man möge Stet­tin an Deutsch­land geben und im Gegen­zug Kriegs­re­pa­ra­tio­nen erhal­ten, wor­auf­hin deutsch­stäm­mi­ge Polen eine Face­book­sei­te »Szc­ze­cin jest nie­miecki« grün­de­ten, in der sie die­se Aus­sa­ge auf­grif­fen und für eine Grenz­kor­rek­tur plädierten.

Neben die­sen Son­der­fäl­len beschreibt Karo­li­na Kus­zyk eine all­ge­mei­ne Neu­ori­en­tie­rung an ver­gan­ge­ne Epo­chen: Post­kar­ten aus alten (deut­schen) Zei­ten wür­den heu­te bei Polen eben­so gefragt sein wie Stadt­füh­run­gen mit dem Fokus auf das Eins­ti­ge, das ab 1945 dem ver­ord­ne­ten Ver­ges­sen anheim­ge­fal­len war.

Vor­sich­tig opti­mis­tisch sieht Kus­zyk denn auch, daß der »ambi­va­len­te Reiz« ehe­mals deut­scher Regio­nen »erhal­ten bleibt und uns wei­ter dar­an erin­nert, dass das Eige­ne und das Frem­de hier zwei Gesich­ter ein und des­sel­ben sind«.

Karo­li­na Kus­zyks Buch ist dabei im bes­ten Sin­ne auf­klä­rend und Wis­sen ver­mit­telnd. Wer es gele­sen hat, ver­steht nicht nur die »ehe­mals deut­sche« Situa­ti­on bes­ser, son­dern auch jene der Polen, die heu­te dort leben und selbst kei­ner­lei Anteil an der wil­den respek­ti­ve orga­ni­sier­ten Aus­sied­lung der Deut­schen haben.

Eine Mar­gi­na­lie schließ­lich ist noch erwäh­nens­wert: Karo­li­na Kus­zyk ärgert sich über die Unkennt­nis jün­ge­rer Polen, was die deut­sche Vor­ge­schich­te des heu­ti­gen West- und Nord­po­lens anbe­langt. Vie­le Schü­ler wüß­ten nicht, daß bei­spiels­wei­se nie­der­schle­si­sche Städ­te von Deut­schen errich­tet wur­den und daß Polen oft­mals erst seit mehr als 70 Jah­ren dort leben. Gemäß der Maxi­me, vor der eige­nen Haus­tür zuerst zu keh­ren, muß man hier ergän­zend ein­wer­fen: Wie­vie­le jun­ge Deut­sche wis­sen das?

Sub­jek­ti­ve Bei­spiel­fal­le: Als ich einem – unpo­li­ti­schen, gleich­wohl aka­de­misch gebil­de­ten – Freund enthu­si­as­miert von einem Ober­schle­si­en­auf­ent­halt berich­te­te, wuß­te die­ser nicht, wo die­ses Ober­schle­si­en denn lie­gen könn­te, geschwei­ge denn, daß dort heu­te noch hun­dert­tau­sen­de Deutsch­stäm­mi­ge leben. Das fin­de medi­al nicht statt. (Was stimmt.)

Das ist frei­lich kein Ein­zel­fall. Unkennt­nis herrscht aller­or­ten, und wer inter­es­siert sich denn im patrio­ti­schen Lager im all­ge­mei­nen oder in der AfD im beson­de­ren für die Lage der deut­schen Min­der­heit zwi­schen Oppeln und Kat­to­witz? Will hei­ßen: außer­halb der Zei­len der Volks­tums­zeit­schrift Der Eck­art?

Man soll­te das nicht falsch ver­ste­hen: Das ist kein Plä­doy­er für eine rach­süch­ti­ge Polen­po­li­tik sei­tens der deut­schen Rech­ten. Im Gegen­teil: Eine Aus­söh­nung und Ver­tie­fung der Zusam­men­ar­beit ist von­nö­ten, eine Annä­he­rung und Über­win­dung jewei­li­ger chau­vi­nis­ti­scher Vor­ur­tei­le geboten.

Eine sol­che freund­li­che Neu­jus­tie­rung deutsch-pol­ni­scher Ver­qui­ckun­gen darf aber nicht auf Kos­ten der deut­schen Min­der­heit erfol­gen. Wenn die pol­ni­sche Rech­te anti­deut­sche Res­sen­ti­ments repro­du­ziert, darf das kri­ti­siert wer­den, auch wenn man ansons­ten – je nach Nei­gung – bei der Regie­rungs­rech­ten um PiS oder der rech­ten Oppo­si­ti­on um Kon­fe­derac­ja posi­ti­ve Anknüp­fungs­punk­te sieht.

– – –

Karo­li­na Kus­zyk: In den Häu­ser der ande­ren. Spu­ren deut­scher Ver­gan­gen­heit in West­po­len, 2022, 400 S., 25 € – hier bestel­len.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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Kommentare (31)

Hajo Blaschke

31. Januar 2023 08:46

Die Idee des polnischen Herrn Cejrowski, Stettin gegen Reparationen an Deutschland zurückzugeben, ist auch nur eine Nuance der polnischen Reparationsrafferei.

Stettin und das Umland und auch der Osten von Usedom inc. Swinemünde sind erst im November polnisch okkupiert worden. Stettin z.B. hatte einen  Stadtrat aus Deutschen. Zurückgeben - ja, Reparation - nein.

RMH

31. Januar 2023 09:34

Ich zitiere aus den Zahlen der Bundeszentrale für pol. Bildung:

"Insgesamt sind zwischen 1950 und 1989 über 1,2 Millionen aus Polen stammende Aussiedler nach Deutschland gekommen. ... Damit dominierten Aussiedler aus Polen bis 1989 die gesamte Aussiedlung nach Deutschland. Von den 1 948.175 Aussiedlerinnen und Aussiedlern, die im Zeitraum 1950–1989 nach Deutschland migrierten, stammten fast zwei Drittel aus Polen. Besonders viele von ihnen kamen aus der Region Oberschlesien, im Zeitraum 1950–1994 waren es etwa 600.000. Mit der Wende verschob sich dann der Herkunftsschwerpunkt. Im Zeitraum 1988–1998 waren 68 Prozent der fast 2,5 Millionen Aussiedlerinnen und Aussiedler Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion bzw. den GUS-Staaten."

Kurz: Es gibt natürliche Verbindungen zwischen Deutschland und Polen, viele der Aussiedler aus Polen haben ob der räumlichen Nähe noch Kontakte in das Land, machen Urlaub dort etc. Für die AfD sind diese Leute Wählerpotential, auch wenn die Russlanddeutschen in der AfD sich am lautesten zu Wort melden (schreckt das polnische Aussiedler ab?). B.K. ist also für diese Buchbesprechung zu danken, den letzten 3 Absätzen davon möchte ich ausdrücklich zustimmen.

Laurenz

31. Januar 2023 10:45

@RMH

Mit Angehörigen des Polnischen Volkes gibt es selten Schwierigkeiten, auch nicht in politischen Debatten. Die meisten wissen, daß sie, wie die Tschechen, einem Volk von Räubern angehören, was nicht zu rechtfertigen ist. Aber das ist wie bei uns. Die Polen führten das erste Mal 1989 Parlamentswahlen durch. Das heißt, wie bei uns auch, ist das Polnische Volk dafür verantwortlich, welche Regierung es wählt, mitgefangen, mitgehangen.

t.gygax

31. Januar 2023 10:46

"Rachsüchtige Polenpolitik der deutschen Rechten"

Bitte Belege dafür-ich kenne einzigen Text , der davon auch nur im entferntesten  spricht. Im Gegenteil: Lesen Sie bitte einmal die "Charta der deutschen Heimatvertriebenen" aus dem Jahre 1950 (!), für mich eines der bedeutendsten Zeugnisse dessen, was "deutsches Fühlen und Empfinden" ausmacht.

Wie das auf der anderen Seite aussieht, davon kann sich jeder ein Bild machen, der Polen besucht-aber bitte nicht als reicher Deutscher im 5 Sterne Hotel, sondern auf einer etwas einfacheren Ebene.

Ich habe Polen 1977 auf Campingplätzen mit meinen Eltern erkundet ( Vater war Heimatvertriebener und wollte die Stätte seiner Kindheit/Jugend wieder sehen), 2018 habe ich wiederum auf Campingplätzen mit meinem jüngsten Sohn diese überwachsenen Pfade besucht. Davon kann ich heute noch abendfüllende Geschichten erzählen, wir erlebten so einiges......

 

 

 

t.gygax

31. Januar 2023 10:56

Sorry, es muss natürlich " keinen einzigen Text" heißen

Allnichts

31. Januar 2023 11:37

Das Buch kannte ich nicht, den Text finde ich sehr gelungen und ausgewogen. Wichtig insbesondere auch die Stellungnahme am Ende.

RMH

31. Januar 2023 11:51

@t.gygax,

Die Charta der Heimatvertriebenen ist aus heutiger Sicht ein unglücklicher und zu kurz gedachter Text, da er die Saat des Narratives der Gleichsetzung der deutschen Heimatvertriebenen mit den Flüchtlingen aller Welt enthält. Die Heimatvertriebenen sind aber keine Flüchtlinge, die von einem Land in ein fremdes Land geflohen sind sondern Deutsche, die nach Restdeutschland gewaltsam vertrieben wurden. Das unterscheidet sie - neben vielen weiteren Punkten - von denen, die heute nach Europa kommen, fundamental.

PS: Die Tschechen waren bislang auch nicht unbedingt deutschfreundlich. Dennoch sollte auch hier etwas möglich sein, was mit den natürlich ungleich weniger betroffenen Slowaken bereits heute oft möglich ist, nämlich freundliche, wechselseitige Aufnahme bei privaten Begegnungen.

quer

31. Januar 2023 12:30

Stettin: Eher geben uns die Russen Nordostpreußen zurück, als die Polen das Land westlich der Oder. Insgeheim ist das die Furcht der Polen. Ich kann das mittels Verwandter in Polen durchaus nachvollziehen. Überhaupt hat man im Weichselraum (ehem. Deutschordensgebiet) den Eindruck nachhaltiger Verunsicherung, wirklich in Polen zu sein.

links ist wo der daumen rechts ist

31. Januar 2023 12:42

Wir haben gekämpft, verloren, gebüßt und bezahlt.

Über die einzelnen Punkte – Kampf, Niederlage, Schuld und Buße – kann man diskutieren.

Außer Streit stehen sollte aber, daß das NS-Regime mit seiner Ideologie des „Artfremden“ und „Lebensunwerten“ von Anfang an Züge des Inhumanen aufwies, die sich dann unter dem Schutzschirm des Krieges zum Undeutsch-Totalitären aufblähten.

Oder wie es mein geliebter Großvater mütterlicherseits (er war als Vermessungstechniker zuerst in der OT, dann bei einer Funkmeßeinheit in der Wehrmacht) in Bezug auf Rußland ausgedrückt hat: Wir dachten damals, wenn das schiefgeht, dann gnade uns Gott.

Nichtsdestoweniger habe die Alliierten mit ihrer Vertreibungspolitik die Maßstäbe des einerseits geduldeten, andererseits bekämpften Totalitarismus 1:1 übernommen und ein Volk entwürdigt.

Ein Unrecht, das nicht vergeht, ein ewiger Wiedergänger – allem Europa-Geschwafel und aller Visegrad-Anbiederei zum Trotz; das ist nur das berühmte Pfeifen im Wald.

Und was man nicht vergessen sollte: Polen und Tschechen waren keine Sieger des WK2, sondern zweifelhafte Nutznießer ihrer „Befreier“ (von denen sie sich nach Jahrzehnten ebenfalls befreien mußten).

Auswege hätte es genügend gegeben. Paul Wilhelm Wenger war dabei einer der Vorreiter.

Benedikt Kaiser

31. Januar 2023 12:51

@gygax:

Bitte Belege dafür-ich kenne einzigen Text , der davon auch nur im entferntesten  spricht. 

Ähm, wenn ich mich persönlich gegen eine rachsüchtige Polenpolitik ausspreche, muss ich wohl keine Belege für diese meine Meinung liefern, wie soll das denn aussehen?  Ich belege, dass ich so denke?

t.gygax

31. Januar 2023 13:08

@Benedikt Kaiser: Sie sprechen sich gegen eine rachsüchtige Polenpolitik der deutschen Rechten aus- gut. Nur: meines Wissens hat noch nie jemand, weder von den deutschen Rechten noch sonst ein Mensch, sich "rachsüchtig" öffentlich über Polen geäußert. Warum bauen Sie ein Phantom auf?

@RMH

Sie haben Recht, der Text ist heute problematisch aufgrund der veränderten Situation. Aber er spiegelt exakt das wieder, was wohl zu unserem Kern gehört: wir verzeihen, wir vergeben, wir tragen nichts nach, wir helfen uneigennützig, alles Elemente unseres Volkscharakters. Daß die andere Seite das gnadenlos ausnutzt, gestern wie heute, gehört zur Wirklichkeit. Wir sind eben doch Romantiker und Träumer , die andern knochenharte Realisten, sehr konkret in einem angelsächsischen Spruch: "right or wrong- my country". Deutsche können so etwas gar nicht sagen , weil ihnen dieses Denken völlig fremd ist.

Valjean72

31. Januar 2023 13:41

@RMH:

Das Vertreibungsgeschehen in Tschechien war oft noch grausamer als jenes in den deutschen Ostgebieten. Die Junge Freiheit veröffentlichte in diesem Zusammenhang vor 2 Jahren einen Artikel ("Tötet Sie, lasst niemanden am Leben"). 

Aber in Tschechien gibt es immerhin bemerkenswerte Aktivitäten, dieses Geschehen zu thematisieren und der Versuch es aufzuarbeiten, z.B. der Dokumentarfilm "Töten auf Tschechisch" des tschechischen Filmemachers David Vondracek oder die Ausstellung "Unsere Deutschen" in Aussig an der Elbe.

Hier ist man mE in Tschechien schon einen Schritt weiter als in Polen. Unabhängig davon bin ich der Auffassung, dass sowohl der tschechische als auch der polnische Nationalismus vom Westen befeuert und explizit gegen Deutschland gerichtet wurde. Imperiale Geopolitik eben.

Grundsätzlich ist eine gedeihliche Kooperation zwischen Deutschland/Österreich und den sog. Visegradstaaten naheliegend aber auch hier sehe ich gerade in Polen die selben antideutschen Akteure am Werk wie eh und je.

Benedikt Kaiser

31. Januar 2023 14:47

@gygax: 

Sie sprechen sich gegen eine rachsüchtige Polenpolitik der deutschen Rechten aus- gut. Nur: meines Wissens hat noch nie jemand, weder von den deutschen Rechten noch sonst ein Mensch, sich "rachsüchtig" öffentlich über Polen geäußert.

Sie scheinen eine andere politische Rechte zu kennen, das ist schön. (Wohlgemerkt: Das entlastet natürlich nicht die grassierenden antideutschen Ressentiments in PL.)

Der_Juergen

31. Januar 2023 15:09

Zu den Verbrechen an den Deutschen in polnischen Horrorlagern - in denen aber auch viele polnische Antikommunisten gequält und teils ermordet wurden .- ist "Auge um Auge" von John Sack zu empfehlen, einem inzwischen verstorbenen US-jüdischen Autor.

Niekisch

31. Januar 2023 17:35

"Das Vertreibungsgeschehen in Tschechien war oft noch grausamer als jenes in den deutschen Ostgebieten."

@ Valjean72 13:41: Zum Einlesen und Vergleichen immer noch am besten erscheint mir die vom damaligen Bundesministerium für Vertriebene in den 50iger und 60iger Jahren herausgegebene mehrbändige Dokumentation "Die Verteibung der Deutschen Bevölkerung aus den Gebieten östlich der Oder-Neisse", die als Nachdruck in 8 Bänden als TB bei dtv antiquarisch erhältlich ist. Ich erhielt sie erst nach langwierigen Korrespondenzen leicht angeschimmelt in 3 Bänden aus den Kellern des Ministerium, weil man sie damals der Normalbevölkerung nicht zumuten wollte, quasi unter Verschluß hielt. 

Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen dem damaligen Protektorat/Tschechei und Polen in der "Behandlung" der Deutschen. Wurden in Nemmersdorf/Ostpreussen junge Frauen vergewaltigt und an Scheunentore genagelt, so wurden junge Soldaten in Prag mit dem Kopf nach unten an Laternenpfählen hängend angezündet und verbrannt.

quarz

31. Januar 2023 17:48

Was wäre mit einer Rückgabe von Ostgebieten an Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt gewonnen? Wer kann sich wünschen, dass diese Gebiete innerhalb von 10 Jahren mit orientalischer Migrationsmasse geflutet werden, wie es im derzeitigen Deutschland absehbar wäre. Aktuell sind diese Regionen in Polen wohl besser aufgehoben. Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen.

RMH

31. Januar 2023 21:26

@niekisch,

diese DTV Taschenbuchausgabe habe ich auch. Für die heutige Zeit auffallend ist, dass in den damaligen Dokumenten zu der Vertreibung der Sudetendeutschen das Wort "Austreibung" verwendet wird (um ehrlich zu sein: habe wg. familiären Hintergrund bislang nur die 2 Bände über die Deutschen in Tschechien gelesen).

Zauberer von Oz

31. Januar 2023 23:11

In Schlesien hatte viele Polen einen gepackten Koffer im Keller stehen. Dies galt zum Teil bis in die 80er Jahre. Ich empfehle jedem Westdeutschen eine Reise nach Breslau und insbesondere das Buch von Paul Peikert „Festung Breslau“. Peikert war Pfarrer in der Mauritiuskirche, die übrigens liebevoll von den Polen restauriert worden ist. Er beschreibt den Irrsinn der letzten Kriegstage von Gauleiter Karl Hanke. Wer noch mehr über die Endphase des Krieges in Breslau lesen möchte der muss zu Horst Gleiss „Breslauer Apokalypse“ greifen, doch Vorsicht, ca. 12.000 Seiten müssen überwunden werden…

Breslau hat übrigens 2 Tage länger „standgehalten“ als Berlin und das bei ca. 600.000 Einwohnern. Erst am 6. Mai schwiegen in Breslau die Waffen….

Laurenz

1. Februar 2023 09:08

@Quarz

Was wäre mit einer Rückgabe von Ostgebieten an Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt gewonnen?

Was wäre mit einer Rückgabe Israels an die Palästinenser, der Ostgebiete der Ukraine an die Ukrainer, der Rückgabe Tibets an die Tibeter, die Rückgabe der südwestlichen Staaten der USA an Mexiko, oder überhaupt die Rückgabe beider Amerikas an die Indigenen, die Rückgabe der Westsahara an die Saharauis, der Rückgabe Nordirlands an Irland etc.pp. gewonnen?

Diese Fragen stellen sich nicht. Diese Fragen stellen sich nur denjenigen, die über eine militärische oder biologische Option verfügen. Mexiko erobert die gesamte USA biologisch, nicht militärisch. Die Mexikaner haben einen langen Atem & warten eben noch 50 oder 100 Jahre, bis es soweit ist. Haben wir wieder eine militärische Option, was auch erst in 20 Jahren der Fall sein könnte, dann ist Schlesien wieder unser. Es gibt auch keine Sinnfrage. Haben oder nicht haben. Kultivieren oder nicht kultivieren. Mit Ihrer Sicht der Dinge reichen Polen & Frankreich bald bis an den Rhein.

quarz

1. Februar 2023 09:22

@Laurenz

"Diese Fragen stellen sich nicht."

Fragen stellen sich nie selbst. Darum stelle ich die Frage: was wäre gewonnen? Und Sie haben die Frage nicht beantwortet. Was wäre besser für die Deutschen, wenn diese Territorien für das Umvolkungsprojekt der BRD-Lenker freigeschaltet würden?

RMH

1. Februar 2023 09:35

@Zauberer von Oz,

Ein Großonkel von mir war seit den 30er Jahren Berufssoldat in der Wehrmacht und hat den WK II von Tag 1 an in der Infanterie/ als Grenadier mitgekämpft. Von ihm wurde in der Familie berichtet, dass er an Weihnachten 44/45 noch einmal zu Hause war und klar gesagt hat, dass der Krieg bald zu Ende gehen und verloren wird und dass er sich Gedanken gemacht hat, ob es Sinn macht, überhaupt noch einmal zurück zur Truppe zu gehen. Seine Entscheidung war dann, habe bislang alles überlebt, dann werde ich den Rest auch noch überstehen, ich kann die Kameraden nicht im Stich lassen. Er kam dann 45 zur Festung Breslau und damit verlieren sich die Spuren ( bis heute gilt er als verschollen). Dekorierter, kampferfahrener Soldat, hat alles nichts geholfen in dieser Todesmühle.

Laurenz

1. Februar 2023 11:10

@Quarz @L.

Fragen stellen sich nie selbst.

Ich stelle keine Frage. Schlesien gehört meinem Volk, ob das in Preußen, Südtirol oder Österreich lebt, spielt keine Geige.

Darum stelle ich die Frage: was wäre gewonnen? Und Sie haben die Frage nicht beantwortet.

Natürlich habe ich die Frage nicht beantwortet, weil die Frage unsinnig ist.

Was wäre besser für die Deutschen, wenn diese Territorien für das Umvolkungsprojekt der BRD-Lenker freigeschaltet würden?

Das wird so, wie in den vergangen 70 Jahren, nicht passieren. Natürlich ruft die Polnische Regierung das Thema einer Rückgabe selbst mit ihren Reparationsforderungen aus der Vergangenheit ins hier & jetzt zurück. Auch unsere us amerikanischen Freunde verhielten sich beim Öffnen der Büchse der Pandora im Restjugoslawien-Krieg, 1999, & verhalten sich aktuell in der Ukrainefrage in Ablehnung der militärischen Faktenlage denkbar ungeschickt. Damit kochen alle vergleichbaren Fälle wieder hoch. Daß in Zukunft zwischen Polen & Rußland militärische Auseinandersetzungen stattfinden werden, ist eher wahrscheinlich, als unwahrscheinlich.

Niekisch

1. Februar 2023 12:27

@ RMH 31.1. 21:26: Ich besitze Bände der ersten, muffigen Ausgabe. Sicher wäre es interessant zu vergleichen, wie sie sich von der TB-Ausgabe textlich unterscheidet. Für mich am schlimmsten zu ertragen waren die Vertreibungen aus Jugoslawien. Mein Rat: Lassen Sie es bei der Tschechei bewenden....

Hinsichtlich der Verhältnisse in und um die Festung Breslau habe ich aus einem Buch in Erinnerung, daß junge Mädchen in Paddelbooten unter Lebensgefahr Informationen und Material zwischen den Fronten weiterleiteten. All diese Verhältnisse sind heute nicht mehr vorstellbar, müßten eigentlich aber alle Interessierten dazu bringen, daß wir Deutsche letztlich immer alleine dastehen und uns ohne Tschingderassabumm auf unsere eigenen Möglichkeiten besinnen sollten, bevor wir prophylaktisch Verbündete suchen, geopolitische Phantastereien betreiben oder uns wie Lemminge an Abgründe führen lassen.

Maiordomus

1. Februar 2023 13:54

Von Oppeln kannte ich seit mehr als 40 Jahren den Bischof Alfons Nossol, der jenseits üblicher Phrasen betr. deutsch-polnischer Versöhnung ein Mann echter Friedfertigkeit war. Bedaure deshalb, seiner persönlichen Einladung, ihn mal vor Ort zu besuchen, nicht nachgekommen zu sein. Am eindrücklichsten bleibt mir seine Predigt im Freiburger Münster um die Osterzeit 1988 in Erinnerung, dazu mannigfache Gespräche in Erinnerung an Reinhold Schneider. Diverse obige Informationen im Artikel v. BK wurden in jenen Gesprächen präsent. Weil Polen damals noch kommunistisch war, sprachen die durchwegs katholischen Gäste friedfertiger als es heute Standard zu sein scheint. 

@Laurenz. Verteidigte Sie neulich, hoffe aber sehr, dass kein AfD-Politiker Ihre auch für SiN kontraproduktive  Formulierung v. der militärischen Option mit "dann ist Schlesien wieder unser" zur Propaganda erhebt. Mit solch sinnlos-hysterischen Provokationen befeuert man nur die Extremismus-Debatte. Wertvoll hingegen der Buchhinweis v. @Jürgen betr. John Sack. 

 

quarz

1. Februar 2023 14:12

@Laurenz

"Schlesien gehört meinem Volk"

Dennoch kann es besser für Schlesien sein, unter den aktuellen Umständen nicht mit dem Rest des Volkes im gleichen Staatsgebilde zu sein. Der trotzige Verweis auf das Eigentum erinnert mich an die Gouverneursfrau im "Kaukasischen Kreidekreis" bzw. an Salomons Urteil (ohne dass ich freilich die Polen in der Gestalt der Magd Grusche vollumfänglich idealisieren will). Ist es Ihnen wirklich wichtiger, dass die Schlesier im Herrschaftsbereich von Scholz&Baerbock leben (Hauptsache "Ein Volk-ein Schland-ein Kanzler") als dass ihre Kultur vor der demographschen Dampfwalze der Orientalisierung verschont bleibt?

Als langfristige Perspektive teile ich ja Ihr nationalstaatliches Anliegen, aber die Bedingungen müssen halt stimmen.

Allnichts

1. Februar 2023 16:22

Es gibt das Konzept gemeinsam genutzer Zonen, Polen und Deutschen z.B. wäre die Ansiedlung auf einem bestimmten umstrittenen Gebiet gleichberechtigt erlaubt, unabhängig davon, zu welchem Staat dieses Gebiet eigentlich gehört. Das hat etwas für sich, könnte manchen Streit besänftigen, möglicherweise aber auch gerade anfachen, wirkt gleichermassen zerstörerisch wie zukunftsweisend und ist wahrscheinlich auch nicht in jedem Fall realistisch. Als Idee zumindest nicht ganz uninteressant.

Jedenfalls halte ich es für sehr zuversichtlich, schon mal die Eroberung Schlesiens zu planen, während die deutsche Rechte hat schon beim Backen viel kleinerer Brötchen massive Schwierigkeiten hat. Wir könnten viel eher froh sein, wenn hier in 20 Jahren keine türkische Kanzlerin herrscht usw.

links ist wo der daumen rechts ist

2. Februar 2023 01:10

Meinerseel‘, was ist das hier nur für eine Debatte. Ein rechtsintellektuelles Forum oder doch nur die Urania Puppenbühne?
Der eine meint, nicht nur Schlesien sei unser, und möchte gleich den Stahlhelm aufsetzen, der andere kontert, Gott sei Dank seien die Ostgebiete momentan nicht verfügbar, die sie sonst augenblicklich mit Orientalen „geflutet“ würden… Deutscher Nationalmasochismus wie er leibt und lebt.
Leute, es geht nicht um Grenzrevisionen, sondern erstens um die Einsicht, was das Bekenntnis zur deutschen Kulturnation auch rückblickend bedeutet, zweitens darum, was nach 1945 möglich gewesen wäre. Dazu der schon erwähnte Paul Wilhelm Wenger:
https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/41761469
Darüber, was heute noch aktuell sein könnte (preußisch-polnische Föderation, osteuropäische Montanunion usw.), könnte man diskutieren.
Und noch zu Breslau:
Im Buch „Freiwild. Das Schicksal deutscher Frauen 1945“ von Ingeborg Jacobs (stellenweise ist sie politisch sehr korrekt) befindet sich auch ein erschütterndes Kapitel über Breslau, diesem deutschen Stalingrad (ca. 170 000 Zivilisten sind umgekommen).

RMH

2. Februar 2023 14:07

@Laurenz,
Das, was Sie als Phantastereien abtun, ist nichts anderes als das, was Machtlose zu allen Zeiten getan haben, nämlich eigene Macht zu organisieren. Sowohl Franzosen als auch Polen können durchaus zur Erkenntnis kommen, dass für sie bei einem echten Europa der Vaterländer unter dem Strich mehr raus kommen kann, als wenn man sich immer einer vermeintlich wohlgesonnen Großmacht andient (oder sich gar selber irrig als Großmacht sieht). Voraussetzung für ein so projektiertens Bündnis der "Loser" und Machtlosen wäre die zutreffende Einschätzung der eigenen Lage und die Bereitschaft, über den eigenen, nationalistischen Schatten zu springen. So eine Bereitschaft hat man als Patriot erst einmal zu signalisieren, damit der Begrinn der Überwindung des Teile und Herrsche Spiels der Großmächte überhaupt angebahnt werden kann. Wenn vom Club der Loser aber jeder erst einmal unabweichlich auf seinen eigenen Maximalforderungen besteht und seine Nachbarn als ewige, unabänderbare Feinde sieht, so wie Sie das propagieren, kann es nie klappen. Im organisieren von Allianzen waren die Linken aber schon immer geschickter. 

dojon86

2. Februar 2023 17:03

@Laurenz Ein vereintes Europa ist weitestgehend ein katholisch inspiriertes ideelles Konstrukt ohne Realitätsbezug. Da haben sie recht. Doch haben sie eine andere realistische Handlungsoption ? Wenn ja, dann lassen sie sie uns lesen ? PS. Vor 30 Jahren bereiste ich die kanadische Provinz Saskatchewan. Da kam ich an einem Platz vorbei, von dem der Reiseführer sagte, dass hier das letzte bekannte Großgefecht zwischen indianischen Stämmen stattfand ( so um 1870) Ich fragte mich, wie die Leute so dämlich sein könnten, ihre alten Fehden zu einem Zeitpunkt, wo ihnen allen bereits das Wasser zum Halse stand, weiter zu pflegen. Heute frage ich mich nach der Lektüre ihrer Postings das nicht mehr.

quer

2. Februar 2023 18:03

Schlesien und Rückgaben/Rückeroberungen: Gregor Thum sei es gedankt. Er hat bei Siedler 2003 folgendes Buch veröffentlicht: "Die fremde Stadt; Breslau 1945" ISBN 3-88680-795-9 Das Buch liest sich wie eine Gebrauchsanweisung für eine Entvölkerung und Besitznahme. Perfekt die polnische Oganisation in ihrer ganzen Zielstrebigkeit. Von langer Hand geplant. Das könnte 1:1 mit Leichtigkeit und deutschem Organisationstalent auf dem Wege zurück übernommen werden. Was Richtung Westen funktioniert hat, funktioniert auch umgekehrt. Sogar die polnischen Gesetze und Verfügungen könnten übernommen und angewandt werden. Zumal dies alles keine Anklage vor der UNO zur Folge hatte.

dojon86

2. Februar 2023 18:05

@Allnichts 01.02.2023 16:22 Ich fürchte, die türkische Bundeskanzlerin ist noch eine optimistische Zukunftsversion. Bandenkriege zwischen Schwarzafrikanern und Westasiaten die sich um die Knochen eines ruinierten Landes streiten, die düsterere. Wenn da eine nicht christlich verblödete Türkin im Stile Kemal Atatürks oder Margaret Thatchers den destruktiven Kräften Einhalt gebietet, wäre das noch mal Glück im Unglück gewesen. Ich wünsche mir so etwas natürlich nicht, aber möglich wäre das durchaus.
 

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