Ein Visionär, der nach Perfektion strebte: Modeschöpfer Issey Miyake ist gestorben

Der japanische Modeschöpfer Issey Miyake wuchs in Hiroshima auf und wollte Dinge erschaffen statt zerstören. Im Alter von 84 Jahren ist er einem Krebsleiden erlegen.

Michele Coviello
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Der japanische Designer Issey Miyake achtete auf die Funktionalität seiner Mode.

Der japanische Designer Issey Miyake achtete auf die Funktionalität seiner Mode.

Franck Robichon / EPReuters)

Seine Stoffe waren kantenreich und doch weich, seine Düfte süss, aber herb. Issey Miyake konnte Gegensätze zusammenführen. Am Dienstag ist der 84-jährige Japaner nun an Leberkrebs gestorben, wie das Miyake Design Studio bestätigte. Er galt als besessener Modeschöpfer, der stets die Innovation suchte, aber auf traditionellen Materialien aufbaute. Zuletzt experimentierte er mit Kleidern aus Papier.

Miyake mischte über vier Jahrzehnte lang in der Modewelt mit, und ihm wird darin eine bedeutende Rolle zugeschrieben. Die Trendforscherin Lidewij Edelkoort sagte einst im «Guardian», dass Miyake die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zugleich der Mode sei. Sein Werk sei aussergewöhnlich. «Es gibt eine Beständigkeit in Geschmack, Farbe und Form, aber auch eine sich entwickelnde Innovation und immer dieses grosse Interesse an Textilien.»

Koffer und Waschmaschine aushalten

Miyake strebte nach Perfektion – aber nicht nur nach der optischen. Seine Kleidungsstücke mussten mehr erfüllen. Sie sollten leicht sein, angenehm zu tragen, Reisen in Koffern und Waschmaschinen aushalten. Nicht einmal knittern sollten sie. Und das, obwohl sie mit vielen gewollten Falten gestaltet waren.

Issey Miyake hatte 1988 erstmals sein patentiertes Verfahren vorgestellt. Er wickelte Stoffe zwischen Papierschichten ein und legte sie in eine Wärmepresse. Die plissierten Kleidungsstücke behielten so dauerhaft ihre akkordeonartige Form. Er liess sie an Tänzern testen, um zu überprüfen, wie gut sich diese darin bewegen konnten. Wer sie trug, sprach von seidenartigem Gefühl. Die Technik mündete schliesslich in die vielbeachteten Kollektionen «Pleats, Please» und «A-POC».

Miyake hatte auch das Markenzeichen seines Freundes und Apple-Gründers Steve Jobs entworfen – den schwarzen Rollkragenpullover. Für seine schlichte und doch markante Mode erhielt Miyake mehrere Auszeichnungen. 2005 ging der renommierte Praemium Imperiale an ihn, 2006 der Kyoto-Preis. Schon in den 1980er Jahren wurde sein Name mit Japans hohem Standing in den Bereichen Wirtschaft und Mode gleichgesetzt. Eine seiner grössten Bewunderinnen war die Architektin Zaha Hadid. Sie liebte es, seine Kleider zu tragen.

Mode statt Sport

Zum Design hatte Miyake über seine Schwester gefunden. Sie las gerne Modemagazine. Und er liess sich davon inspirieren. Davor wollte er Tänzer oder Sportler werden. Diese Interessen werden trotzdem mit seiner eigentlichen Berufung in Zusammenhang gebracht: Seine Kleidung musste stets Bewegungsfreiheit garantieren. Als Litauen unabhängig wurde, entwarf Miyake die offizielle Uniform des olympischen Teams für die Sommerspiele von 1992 in Barcelona.

Viel Bewegungsfreiheit: Ein Model präsentiert ein Kleidungsstück von Issey Miyake an der Paris Fashion Week im Oktober 2011.

Viel Bewegungsfreiheit: Ein Model präsentiert ein Kleidungsstück von Issey Miyake an der Paris Fashion Week im Oktober 2011.

Kerim Okten / EPA

Er selbst hinkte. Miyake wurde in Hiroshima geboren. Als Siebenjähriger sass er in einem Klassenzimmer, als die Atombombe auf die Stadt niederging. Die Strahlungen griffen sein Knochenmark an, die Mutter starb drei Jahre später an den Folgen der Bombe. Er sprach nur ungern und selten darüber. «Wenn ich meine Augen schliesse, sehe ich immer noch Dinge, die niemand jemals erleben sollte», schrieb er 2009 in der «New York Times». Mit jenem Gastbeitrag wollte er den damaligen amerikanischen Präsidenten Barack Obama zu einem Besuch seiner Heimatstadt bewegen. Er habe immer versucht, Fragen zu Hiroshima zu meiden. Er wollte an Dinge denken, die man erschaffen kann, die Schönheit und Freude bringen, nicht an das, was zerstört wird. «Aber jetzt realisiere ich, dass das Thema diskutiert werden muss, wenn wir die Welt jemals von Atomwaffen befreien wollen.»

Miyake startete seine Laufbahn in Tokio. Er studierte dort Grafikdesign, danach lernte er Bekleidungsdesign in Paris. Seine Weggefährten waren Guy Laroche und Hubert de Givenchy. Nach einer Etappe in New York kehrte er 1970 nach Tokio zurück und gründete das Miyake Design Studio.

Uhren und Parfums

Sein Lebenswerk umfasst mehr als ein Dutzend Modelinien – für Frauen, für Männer, für beide zugleich. Er zeichnete Taschen und Uhren, brachte mehrere Parfums auf den Markt. Das bekannteste mit dem französisch-homerischen Wortspiel: «L’Eau d’Issey». Ab 1997 widmete er sich vor allem der Forschung.

Er galt als Visionär. 2016 sagte er zum «Guardian», dass die Menschen in Zukunft wohl weniger konsumieren würden. «Wir müssen vielleicht einen Ausdünnungsprozess durchlaufen», wurde er zitiert. Wenn auch sinnvoll, scheint sich vorerst dieses Zukunftsszenario noch nicht zu erhärten. Ein anderes vermutlich schon: «Der Status eines Designers wird sich ändern.»