Es seien die bislang grössten Übungen in der auch von zivilen Schiffen stark genutzten Taiwanstrasse, meldete Chinas Staatsfernsehen CCTV am Donnerstag. Das chinesische Militär teilte mit, es habe als Teil geplanter Übungen mehrere konventionelle Raketen auf Gewässer vor der Ostküste Taiwans abgefeuert - zuletzt gab es so etwas 1996.

Aus einem internen taiwanischen Sicherheitsbericht, den die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte, ging wiederum hervor, dass China am frühen Nachmittag (Ortszeit) zwei Raketen in der Nähe der zu Taiwan gehörenden, aber nur wenige Kilometer vor Chinas Küste liegenden Matsu-Inseln abfeuerte. Auch die Internetseiten des Verteidigungs- und des Außenministeriums sowie des Präsidialamts seien von Hackern angegriffen worden, teilte ein Kabinettssprecher in Taipeh mit.

Taiwans Regierungspartei verurteilte die Manöver als "unverantwortliches und rechtswidriges Verhalten". Das taiwanische Verteidigungsministerium erklärte, das Militär werde seine Alarmbereitschaft weiter erhöhen, um die nationale Sicherheit und Souveränität zu sichern und angemessen auf die "feindliche Situation" zu reagieren. Die Lage in der stark befahrenen Taiwanstraße zwischen der Insel und dem chinesischen Festland und in der Nähe der vorgelagerten Inseln Taiwans werde genau beobachtet.

Mittellinie sowohl zu Wasser als auch zu Luft überquert

Mehrfach habe das chinesische Militär bis Donnerstagvormittag in der Taiwanstrasse die sogenannte Mittellinie sowohl zu Wasser als auch zu Luft überquert, sagte ein taiwanischer Insider zu Reuters. Es habe sich um etwa zehn Schiffe der chinesischen Marine sowie mehrere Luftwaffenflugzeuge gehandelt, die kurzzeitig in jene Hälfte der Meerenge eingedrungen seien, die näher an Taiwan liegt.

Die Flugzeuge seien am Morgen "rein und raus geflogen, immer wieder. Sie belästigen uns weiter und erhöhen den Luftverteidigungsdruck." Taiwan habe Jets aufsteigen lassen und Luftabwehrraketensystem aktiviert. Die Schiffe wiederum hätten sich "reingeschlichen", seien dann aber von der taiwanischen Marine "vertrieben" worden. Gegen Mittag hielten sich nach Angaben des Insiders in dem Gebiet mehrere Militärschiffe beider Seiten unweit voneinander entfernt auf.

Die Manöver sollen bis Sonntagmittag Ortszeit (06.00 Uhr MESZ) dauern, wie staatliche chinesische Medien meldeten. China betrachtet die auf Unabhängigkeit beharrende Insel als Teil ihres Staatsgebiets und behält sich das Recht vor, Taiwan auch mit Gewalt unter seine Kontrolle zu bringen. Taiwans Verteidigungsministerium hatte bereits am Mittwoch erklärt, es sei damit zu rechnen, dass China wohl einige Manöver auch innerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone Taiwans abhalten werde - ein beispielloser Schritt. Nach Auffassung der Regierung in Taipeh verstoßen die Manöver gegen Regeln der Vereinten Nationen und stehen im Widerspruch zum Prinzip der freien Navigation zu See und zu Luft.

Chinesische Kriegsschiffe patrouillieren seit Montag

Den Manövern vorausgegangen war Pelosis Besuch in Taiwan. Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses war ungeachtet chinesischer Drohungen am Dienstagabend im Rahmen ihrer Asien-Reise in Taiwan zu einem von der US-Regierung offiziell nicht abgesegneten Zwischenstopp eingetroffen. In Erwartung des formell nicht angekündigten Besuchs hatten sich die Spannungen zwischen China und den USA bereits in den Tagen zuvor verschärft - und das inmitten des Ukraine-Kriegs.

Schon kurz vor der Ankunft Pelosis überflogen chinesische Kampfflugzeuge die Grenzlinie zwischen der Insel und dem Festland in der Straße von Taiwan. Zudem patrouillieren chinesische Kriegsschiffe seit Montag in der Nähe der inoffiziellen Pufferzone in der Meerenge.

Chinas Aussenminister Wang Yi nannte Pelosis Taiwan-Besuch nach Angaben des staatlichen Senders CCTV einen "manischen, unverantwortlichen und höchst irrationalen" Akt der Vereinigten Staaten. China habe diplomatisch alles versucht, eine Krise zu verhindern. Aber es werde niemals Verletzungen seiner Kerninteressen erlauben. Das chinesische Büro für Taiwan-Angelegenheiten erklärte, die Differenzen mit Taiwan seien eine interne Sache. "Unsere Bestrafung von eingefleischten Pro-Taiwan-Unabhängigkeitsverfechtern und externen Kräften ist vernünftig und rechtmäßig." 

(Reuters)