Fast ein Jahrzehnt lang galten Alibaba und Tencent als Inbegriffe des chinesischen Wirtschaftswunders, weil sie ein schwindelerregendes Wachstumstempo an den Tag gelegt hatten. Aufgrund ihrer zahlreichen geschäftsoffensiven im Internet konnten sich die beiden Konzerne Bewertungen in Billionen-Dollar-Höhe sichern.

Dieser spektakuläre Lauf könnte am Donnerstag aber sein offizielles Ende finden, wenn das von Jack Ma gegründete E-Commerce-Unternehmen erstmals einen Rückgang der Quartalseinnahmen präsentieren dürfte. Ein weiterer Milliardär, Pony Ma, wird wohl wenige Tage später mit dem Social Media-Kraftpaket Tencent nachziehen.

Ein Schatten ihrer selbst

Das dürfte Anleger vor Augen führen, dass Alibaba und der langjährige Erzrivale nur noch ein Schatten ihrer selbst sind. Besonders seit eine Regierungsmassnahme 2021 mehr als 1 Billion Dollar ihres gemeinsamen Marktwerts ausgelöscht hatte.

Unterschied zwischen den Aktienkurszielen der Analysten (gelb) und dem tatsächlichen Kursverlauf der Alibaba-Aktie (blau) seit Anfang 2021 (Grafik: Bloomberg)

Wie der Rest des Landes haben die beiden Konzerne nicht nur mit einem unberechenbaren Regime zu kämpfen, sondern auch mit der “Zero Covid”-Politik. Zudem stellt die Konsumkrise die Stabilität der chinesischen Volkswirtschaft auf die Probe.

"Es sollte nicht überraschen, dass das zweite Quartal 2022 für die Gewinne in China eines der schlechtesten seit der Pandemie sein wird. Die Technologiebranche stellt dabei keine Ausnahme dar", meint Bloomberg Intelligence-Analyst Marvin Chen. "Die Technologiebranche wurde auch mit zusätzlichem regulatorischem Gegenwind konfrontiert, was sich auf die Wachstumsaussichten auswirkte. Dabei dürfte es sich eher um einen strukturellen und langfristigen Trend handeln.”

Regierung schadet Cloud-Geschäft

Die Geschwindigkeit und Heftigkeit, mit der Peking gegen den Online-Handel, das Carsharing, Essenslieferungen und Glücksspiel vorgegangen ist, hat die Wachstumserwartungen für die Branche im letzten Jahr unwiderruflich zurückgesetzt. Aber Alibaba hat es dabei härter getroffen als viele Konkurrenten.

So hat die nationale Technologiebehörde die Beziehungen zu Alibabas Cloud-Geschäft wegen einer grossen Software-Schwachstelle aufgelöst. Das hat viele potenzielle Kunden abgeschreckt. Letzten Monat brachten aber auch Cybersicherheitsexperten Alicloud mit Chinas grösstem Datenleck in Verbindung. Die Daten von einer Milliarde Einwohnern sind dabei aus der Polizeidatenbank von Shanghai durchgesickert.

Hoffnung zunichte

Einst waren Alibaba und Tencent Anwärter darauf, in den erlesenen Club von Unternehmen mit einer Billionen-Dollar-Wertung aufgenommen zu werden. Apple und Amazon gehören bereits dazu. Inzwischen haben aber die grössten chinesischen Internet-Unternehmen Mühe damit, selbst mit den nüchternsten Versorgungsunternehmen mithalten zu können.

"Früher haben die Anleger Alibaba- und Tencent-Aktien in der Hoffnung gekauft, dass deren Dominaz im E-Commerce- und Gaming-Bereich zu Synergien mit neueren Unternehmen und riesigen Portfoliogesellschaften führen würde", sagte Ke Yan, ein Analyst bei DZT Research in Singapur. "Aber seit der weiteren Regierungsverschärfungen sind diese Hoffnungen zunichte gemacht worden.”

Alibaba wird am Donnerstag über die Firmen-Ergebnisse berichten. Es wird vermutet, dass die Einnahmen des Unternehmens von April bis Juni um 1,2 Prozent auf 203,4 Milliarden Yuan (30,1 Millarden Dollar) gesunken sind. Bei Tencent sehen die Aussichten nicht viel besser aus: Analysten gehen davon aus, dass die Einnahmen des Unternehmen für das zweite Quartal um 1,7 Prozent zurückgegangen sind.

(Bloomberg/cash)