Im Nordwesten des Wüstenstaates Saudi-Arabien soll am Roten Meer eine Megacity entstehen. Das Projekt ist schon 2017 vorgestellt worden und hat mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Dennoch hält Saudi-Kronprinz Mohammed Bin Salman an diesem Vorhaben fest. 

Ein über 100 Kilometer langes und 500 Meter hohes Bauwerk soll neun Millionen Menschen beherbergen, die in ihrem Leben von der neuesten Technologie unterstützt werden. Die Anlage dürfte, falls eines Tages fertiggestellt, in etwa die Grösse des Landes Belgien haben. Alles soll drauf ausgerichtet sein, dass kaum umweltschädliche Emissionen entstehen. 

Ein Hintergrund dieses megalomanisch anmutenden Bauvorhabens ist die schnell wachsende Bevölkerung des Ölförderlandes. Von derzeit 34 Millionen Menschen soll die Einwohnerzahl des Landes durch Wachstum und Zuwanderung in den nächsten zehn Jahren auf 50 bis 60 Millionen anwachsen. Ein anderer Grund für das Projekt ist, dass Saudi-Arabien die ölabhängige Wirtschaft diversifizieren will und dabei neue Investoren sucht. 

Futuristische Projekte in autoritären Ländern

Futuristische Megapläne sind auf der arabischen Halbinsel nichts Aussergewöhnliches. Auch die rasch gewachsenen Städte Dubai oder Doha in den Vereinigten Arabischen Emiraten respektive Katar setzen auf spektakuläre Architektur und die neuesten Technologien. Dies aber alles unter autoritärer Herrschaft: Die Scheichs der Golfstaaten oder das Königshaus von Saudi-Arabien verfügen zum einen über massive Geldquellen, zum andern auch über eine fast absolute Macht über ihre Länder. 

Der 36-jährige Prinz Mohammed Bin Salman ist zwar nur Stellvertreter des greisen Saudi-Königs Salman bin Saud, er hält aber die Fäden der Macht in der Hand. Er gilt auf der einen Seite als Modernisierer des sehr traditionsgebundenen Landes. Auf der anderen Seite ist sein Regime für zahlreiche Vergehen gegen die Menschenrechte verantwortlich. In Erinnerung ist auch die Ermordung und Zerstückelung des Regimekritikers und Journalisten Jamal Kashoggi 2018. Prinz Mohammed Bin Salman wird verdächtigt, dies angeordnet zu haben. Kashoggi war ein Kritiker des Neom-Projekts.

Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Projekt auf YouTube: 

Zudem führt Saudi-Arabien seit Jahren einen blutigen Krieg im benachbarten Jemen. Im Zuge des vergangenen Februars von Russland losgetretenen Ukraine-Krieges sind wirtschaftliche Beziehungen zu autoritären Ländern aber in die Kritik geraten.

Dennoch interessieren sich offenbar namhafte Investoren für Saudi-Arabiens Megaprojekt. Laut Bloomberg haben namhafte Investoren wie der Hedgefonds-Milliardär und Gründer der Anlagegesellschaft Bridgewater Associates Ray Dalio und der CEO der Beteiligungsgesellschaft Ripplewood Tim Collins die Präsentation des Projekts diese Woche mitverfolgt. 

Projekt soll an die Börse

Zunächst will Saudi-Arabien umgerechnet 80 Milliarden Dollar für das Projekt in einen Fonds einfliessen lassen. Dieser Fonds soll 2024 in Riad an die Börse. "Wir haben grosse Pläne, Saudi-Arabien zu einem der drei grössten Aktienmärkte der Welt zu machen", sagte Mohammed Bin Salman. Im Endeffekt dürfte die erste Phase des Projekts aber um die 240 Milliarden Dollar kosten, wovon die Hälfte der Saudi-Staatsfonds besteuern will. Für den Rest sucht man Investoren in aller Welt. 

Superlative im Zusammenhang mit Saudi-Arabien sowohl an der Börse als auch bei Megaprojekten gibt es bereits, aber mit gemischtem Erfolg. So ist das derzeit wertvollste börsenkotierte Unternehmen der Welt der staatlich kontrollierte Ölkonzern Saudi Aramco, der zudem 2019 den grössten Börsengang der Geschichte vollzogen hat. Zudem soll im Hafen Jeddah am Roten Meer das höchste Gebäude der Welt entstehen. Der Entwicklungsstand des "Jeddah Tower", der über 1000 Meter werden soll, ist derzeit aber unklar. 

(cash/Bloomberg)