Die Begeisterung im Berliner Regierungsbezirk hielt sich in Grenzen, als das russische Gas am Donnerstagmorgen wieder durch die Nord-Stream-1-Pipeline zu fliessen begann - trotz mantrahaft vorgetragener Sorgen, dass Wladimir Putin dann den Gashahn zudrehen könnte. Während der Gasdruck in der Leitung im Laufe des Tages wieder auf das ursprüngliche Niveau von 40 Prozent stieg, fiel die Laune beim zuständigen Energieminister Robert Habeck auf einen neuen Tiefpunkt.

"Das, was wir heute sehen, die 40 Prozent, kann uns nicht in Sicherheit wiegen, dass es jetzt stetig so weitergeht", warnte Habeck während einer Videoschalte aus seinem heimischen Wohnzimmer in Berlin-Mitte, wo er sich derzeit wegen einer Corona-Infektion in Isolation befindet. Nach allem, was passiert sei, müsse man immer damit rechnen, "dass irgendetwas gefunden wird, um den Gaszufluss, der vorher immer regelmässig kam, zu unterbrechen oder weiter zu reduzieren."

Auch Habecks Parteikollegin Annalena Baerbock zeigte sich ungeachtet der wiederaufgenommenen Gasflüsse alles andere als erleichtert. Es habe sich gezeigt, dass der russische Präsident nicht nur Bomben und Granaten, sondern auch "Energieabhängigkeiten als Kriegsmittel" nutze, sagte die Aussenministerin am Rande ihrer Sommertour in Barleben in Sachsen-Anhalt.

Zugleich sah sich Baerbock gezwungen, eine Äusserung vom Vorabend zu relativieren, als sie vor "Volksaufständen" im Falle eines Gasstopps gewarnt hatte. Damit habe sie "bewusst sehr zugespitzt", um zu erklären, warum sich Deutschland trotz des russischen Einmarsches gegen ein komplettes Energie-Embargo ausgesprochen habe.

Gleichwohl ist die Angst vor sozialen Unruhen in den Reihen der Regierung unübersehbar. So machte Habeck am Donnerstag bereits deutlich, dass im Falle einer Weitergabe der hohen Gaspreise an die Konsumenten ein drittes Hilfspaket für sozial Schwache notwendig sein werde.

(Bloomberg)