Geldhäuser im Euro-Raum müssen sich noch viel stärker auf die finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels vorbereiten. Zu diesem Ergebnis kommt der erste grosse Klimastresstest der Europäischen Zentralbank (EZB), dessen Ergebnisse am Freitag veröffentlicht wurden. "Banken im Euro-Raum müssen ihre Bemühungen zur Messung und Steuerung des Klimarisikos dringend verstärken, die aktuellen Datenlücken schliessen und die anerkannten Verfahren übernehmen, die es in der Branche bereits gibt", erklärte EZB-Chefbankenaufseher Andrea Enria. An dem Klimastresstest nahmen insgesamt 104 Banken teil - 41 Grossbanken wurden in speziellen Negativszenarien getestet.

In der deutschen Bankenbranche wurde vor allem der Informationsgewinn hervorgehoben. "Wir konnten wichtige Erkenntnisse gewinnen, an denen wir uns orientieren, wenn wir nun die Steuerung unserer Klimarisiken weiterentwickeln", sagte ein Sprecher der Deutschen Bank. Marcus Chromik, Risikovorstand der Commerzbank, erklärte zu dem Stresstest: "Diese 'Lernübung' hat sicherlich einen Beschleunigungseffekt für die Datenverfügbarkeit und Risikomethodik." Es sei aber auch klar geworden, dass alle Beteiligten - Aufsicht, Banken und Unternehmen - noch ein gutes Stück Weg zu gehen hätten. "Wir haben uns zum Beispiel vorgenommen, die CO2-Intensität unseres Portfolio im Energiesektor bis 2030 um mehr als 70 Prozent zu reduzieren", sagte Chromik.

Den Ergebnissen zufolge würden bei Banken zusammengefasst insgesamt mindestens 70 Milliarden Euro an Kredit- und Kursverlusten anfallen, sollte es zu starken Hitzewellen, Dürre- und Überschwemmungskatastrophen und einem plötzlichen Anstieg des CO2-Preises kommen. Die EZB-Bankenwächter wiesen zudem darauf hin, dass dies bei weitem nicht dem tatsächlichen Klimarisiko entspreche, sondern nur einem Bruchteil. An diesem Teil des Klima-Belastungschecks nahmen insgesamt 41 Banken teil.

Kaum Berücksichtigung von Klimarisiken bei Kreditvergabe

Weiterhin brachte der Test zum Vorschein, dass rund 60 Prozent der Institute noch nicht über ein Klimastresstest-Rahmenwerk verfügen. Die meisten Institute hätten zudem Klimarisiken noch nicht in ihre Kreditrisiko-Modelle einbezogen - lediglich 20 Prozent der Geldhäuser berücksichtigten Klimarisiken als Faktor bei der Vergabe von Krediten. Der Stresstest fand zudem heraus, dass im Geschäft mit Unternehmenskunden der Institute fast zwei Drittel der Erträge aus treibhausgasintensiven Branchen stammt. In vielen Fällen sei es eine kleine Anzahl von grossen Geschäftspartnern. Banken seien damit verstärkt anfällig beim Übergang hin zu einer "grüneren" Wirtschaft.

Aus Sicht von Henning Dankenbring, EZB-Experte der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, sind aufgrund der Szenarioannahmen und des Stresstestdesigns die quantitativen Auswirkungen im Vergleich zu anderen Stresstests eher milde. "Hierbei wirkt sich aus, dass der Stresstest vor dem Beginn des Russland-Ukraine-Konflikts entwickelt wurde," führte der Experte aus. Die tatsächlichen Energiepreissteigerungen seit März 2022 würden zum Beispiel teilweise bereits die Stresstestannahmen übertreffen.

"Wir erwarten, dass Banken entschieden handeln und kurz- bis mittelfristig robuste Rahmenbedingungen für Klimastresstests entwickeln", erklärte der Vizechef der EZB-Bankenaufsicht, EZB-Direktor Frank Elderson. Die erste Klima-Belastungsprobe der EZB zielte zum einen auf die physischen Risiken ab, die sich aus dem Klimawandel ergeben, etwa durch Überschwemmungen und Hitzewellen. Dazu kommen Risiken für die Institute, die mit dem Umbauprozess hin zu einer CO2-ärmeren und grüneren Wirtschaftsweise verbunden sind. Durchfallen konnte bei dem Klimastresstest keiner. Die Ergebnisse sollen in die jährliche Bankenprüfung (SREP) einfliessen. Sie sollen aber keine direkten Auswirkungen auf die Kapitalvorgaben der Institute haben.

Für Bankenexpertin Karolin Kirschenmann vom Mannheimer Forschungsinstitut ZEW ist das Stresstestergebnis milder ausgefallen als befürchtet. "Ob sich dieses Ergebnis in zukünftigen Stresstests mit härteren Szenarien und einer breiteren Erfassung der Bankportfolios bestätigt, bleibt allerdings abzuwarten," merkte sie an. Positiv sei, dass mögliche zusätzliche Eigenkapitalanforderungen zunächst vom Tisch seien. Finanzinstitute und Aufseher könnten sich nun auf die Rolle der Banken bei der Transformation der Wirtschaft hin zu Klimaneutralität konzentrieren, ohne sich in einem Streit über Eigenkapitalanforderungen zu verlieren.

(Reuters)