Die Besatzer führten Angriffe von der kürzlich eingenommenen Stadt Lyssytschansk aus in Richtung Westen, sagte der ukrainische Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, am Samstag. "Wir geben uns Mühe, die bewaffneten Gruppierungen der Russen auf ganzer Linie aufzuhalten." Allerdings greifen diese Hajdaj zufolge von mehreren Seiten an und versuchen, tief in das benachbarte Gebiet vorzudringen. Von unabhängiger Seite lassen sich die Berichte aus den Kampfgebieten kaum überprüfen.

Russland dürfte als nächstes im Gebiet Donezk die grösseren Städte Slowjansk und Kramatorsk im Blick haben. Es ist erklärtes Ziel Moskaus, die Region komplett der ukrainischen Kontrolle zu entreissen. Am vergangenen Wochenende hatte Russland bereits die Stadt Lyssytschansk eingenommen, die als letzte ukrainische Bastion im Gebiet Luhansk galt.

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs in Kiew gab es auch in anderen Teilen des Landes Beschuss, darunter in den Gebieten Charkiw und Tschernihiw. Dabei sei auch zivile Infrastruktur getroffen worden. Es seien jedoch immer wieder Angriffe des Feindes zurückgeschlagen worden, hiess es. Ukrainische Luft-, Raketen- und Artillerieeinheiten feuerten auf Ansammlungen russischer Truppen und auf Munitionslager.

Russland berichtet von zerstörten westlichen Waffen

Russland vernichtete nach eigenen Angaben bei massiven Angriffen im Osten der Ukraine einmal mehr auch westliche Waffen. In der Nähe der Ortschaft Tschassiw Jar im Gebiet Donezk sei ein Hangar mit von den USA gelieferten M777-Haubitzen zerstört worden, sagte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow. Demnach wurden dort auch zahlreiche ukrainische Soldaten getötet.

Auch im Gebiet Mykolajiw im Süden des Landes, in der Region Dnipropetrowsk um die Millionenstadt Dnipro sowie anderen Teilen des Landes seien bei Artillerie- und Raketenangriffen Dutzende ukrainische Soldaten getötet sowie Militärtechnik und teils Munitionslager zerstört worden, sagte Konaschenkow.

London: Russische Reserven haben veraltetes und ungeeignetes Gerät

Die Verstärkungen der russischen Armee in der Ukraine werden nach Ansicht des britischen Verteidigungsministeriums mit veraltetem oder ungeeignetem Gerät losgeschickt. So habe ein grosser Teil der russischen Reserven, die aus dem ganzen Land zusammengezogen würden, lediglich Truppentransporter des sowjetischen Typs MT-LB zur Verfügung. Diese Fahrzeuge seien deutlich schwächer gepanzert und bewaffnet als die Schützenpanzer BMP-2, die zu Kriegsbeginn eingesetzt wurden.

Der deutsche CDU-Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter bezweifelte die jüngsten Warnungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass Russland den Krieg in der Ukraine noch gar nicht richtig angefangen habe. "Für mich sind das leere Drohungen, weil Russland sich eine weitere Eskalation nicht leisten kann", sagte Kiesewetter. Auch das britische Verteidigungsministerium meldete Zweifel an den Aussagen an. Putin hatte mit Blick auf die russische Offensive in der Ukraine gesagt: "Jeder sollte wissen, dass wir im Grossen und Ganzen noch nichts Ernsthaftes begonnen haben."

Der frühere russische Präsident und heutige Vizechef des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, schrieb bei Telegram, der Krieg habe die internationale Bedeutung Russlands gestärkt. "Mit Russland wird nun ernsthaft gerechnet. Wie mit der Sowjetunion. Und in mancher Hinsicht sogar noch ernsthafter, dem Sanktionspaket nach zu urteilen." Allerdings verurteilen vor allem westliche Staaten den russischen Angriff seit Wochen heftig. Einige Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten haben ihre Teilnahme an einem Gipfel im November infrage gestellt, sollte Russlands Präsident Wladimir Putin dort persönlich auftreten.

(AWP)