Angesichts der höchsten Inflation seit mehr als 40 Jahren hat die US-Notenbank den Leitzins so kräftig angehoben wie seit 1994 nicht mehr. Sie beschloss am Mittwoch eine Erhöhung um 0,75 Prozentpunkte auf die neue Spanne von 1,50 bis 1,75 Prozent. Zuletzt hatte es eine solche brachiale Maßnahme zur Verteuerung des Geldes unter dem einstigen Notenbankpräsidenten Alan Greenspan gegeben.

Analysten hatten überwiegend eine Straffung um 0,5 Prozentpunkte erwartet. Viele Beobachter hatten allerdings auch einen grösseren Schritt prognostiziert. An den Finanzmärkten wurde ein Schritt um 0,75 Punkte erwartet.

Die US-Börsen reagierten zunächst leicht negativ auf den Entscheid. Dann aber legten sie nach einem Satz von Fed-Chef Jerome Powell an der Medienkonferenz zu. "Erwarten Sie nicht, dass Zinsschritte von 75 Basispunkten die Regel sein werden", sagte Powell. Die künftigen Zinsschritte hingen von der konjunkturellen Lage ab. Auf der nächsten Sitzung im Juli sei mit einer Anhebung um einen halben Prozentpunkt oder aber erneut 0,75 Punkte zu rechnen, so Powell.

Der Dow Jones Index, der vor der Bekanntgabe des Zinsentscheides rund 0,5 Prozent im Plus notiert hatte, schloss rund 1 Prozent im Plus. Der technologielastige Nasdaq rückte 2,5 Prozent vor.

Der Dollar-Index konnte daher auch seine Gewinne nicht halten. Er fiel um 0,4 Prozent auf 104,78 Punkte, nachdem er in unmittelbarer Reaktion auf die Zinserhöhung der US-Notenbank auf ein 19-1/2-Jahres-Hoch geklettert war. Die US-Staatsanleihen konnten zulegen. Der Terminkontrakt für zehnjährige Treasuries (T-Note-Future) stieg im späten Handel um 0,86 Prozent auf 115,39 Punkte. Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen sank auf 3,39 Prozent. Am Dienstag war sie mit 3,49 Prozent auf den höchsten Stand seit elf Jahren gestiegen.

Fed-Chef Jerome Powell hatte noch im Mai erklärt, dass die Fed eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte nicht aktiv in Erwägung ziehe. Er schloss einen solchen Schritt allerdings für den Fall nicht aus, dass sich die Bedingungen ändern sollten. Angesichts der jüngst überraschend auf 8,6 Prozent gestiegenen US-Teuerungsrate hat beim Fed offenbar ein Umdenken stattgefunden.

Die Währungshüter im Offenmarktausschuss um Fed-Chef Jerome Powell liessen auch keinen Zweifel daran, dass sie den Kampf gegen die Teuerung gewinnen wollen: "Der Ausschuss fühlt sich stark verpflichtet, die Inflation auf das Zwei-Prozent-Ziel zurückzuführen."

Sie signalisierten zugleich, dass sie dieses Jahr noch mehrfach nachlegen werden. Sie peilen für das Jahresende im Schnitt ein Zinsniveau von 3,4 Prozent an. Im März hatten sie noch einen Wert von 1,9 Prozent ins Auge gefasst. Auf längere Sicht wird dann ein Rückgang auf ein Niveau von 2,5 Prozent anvisiert. Im März hatten die Währungshüter 2,4 Prozent angepeilt.

"Die Fed lässt es beim Leitzins weiter krachen. Im Juli dürfte der nächste grosse Zinsschritt folgen", kommentierte Ökonom Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank.

(cash/AWP/Reuters)