Die Europäische Zentralbank (EZB) wird die Leitzinsen voraussichtlich bis Ende Jahr auf 0,75 und bis Ende 2023 auf 1,75 Prozent anheben. Das implizierte die EZB an ihrer Sitzung letzte Woche. Dies werde der Schweizerischen Nationalbank (SNB) die Möglichkeit geben, ebenfalls die Negativzinsen früher als gedacht hinter sich zu lassen. Das schreibt die UBS in einem aktuellen Marktkommentar. So könnte die SNB die Leitzinsen im September um 0,5 Prozent und im Dezember um 0,25 Prozent erhöhen. Bereits Ende 2022 wird das Ende der Negativzinsen in der Schweiz erwartet, anstatt erst während der ersten Jahreshälfte 2023.

Die SNB wird diesen Donnerstag zu ihrer vierteljährlichen Lagebeurteilung zusammenkommen. Die Diskussion um eine Anhebung der Leitzinsen und der Inflationsausblick werden auch die Agenda der hiesigen Notenbank bestimmen. Die EZB habe an der Sitzung vom letzten Donnerstag bereits mit einer aggressiveren Rhetorik überrascht. "Einerseits hat die EZB explizit Zinserhöhungen angekündigt, andererseits hat sie ihre Inflationsprognosen deutlich nach oben korrigiert", schreiben die UBS-Ökonomen dazu. So geht die Europäische Zentralbank im nächsten Jahr von einer Inflation in der Eurozone von über 3 Prozent aus.

Ära der Negativzinsen zu Ende

Dass die EZB bereits angekündigt hat, dass sie die Leitzinsen in den kommenden Monaten erhöhen möchte, mache es zwar umso wahrscheinlicher, dass auch die SNB im Juni die Zinsen anheben könnte. "Allerdings bleibt es unser Basisszenario, dass die SNB bis in den September mit einem Zinsschritt wartet", schreibt die UBS weiter.

Sollte die SNB die Zinsen bereits im Juni erhöhen, geht die UBS im September nur von einem Zinsschritt von 0,25 Prozent aus. "Einen weiteren Zinsschritt von 0,25 Prozent erwarten wir dann im Dezember", schreiben die Ökonomen dazu. Die Ära der Negativzinsen dürften in der Schweiz damit bereits Ende dieses Jahres zu Ende gehen.

Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank, glaubt jedoch nicht, dass der erste Zinsschritt der SNB bereits 0,5 Prozent umfassen wird. "Für eine so starke Notbremse gibt es keinen Grund, weder inflations-technisch noch währungsbedingt", schreibt er in einem Marktkommentar. Auch die Fed und die Bank of England seien mit einer Erhöhung von 0,25 Prozent gestartet, obwohl diese Länder eine viel stärkere Inflations-Dynamik besitzen. "Deshalb wird die SNB ab September im Quartalsrhytmus ihren Leitzins um jeweils 0,25 Prozent anheben", schreibt Stucki weiter. 

Gemäss Einschätzung von Stucki wird der Leitzins in der Schweiz im Juni 2023 mit 0,25 Prozent "wieder ein Plus vor der Zahl haben". Im Geld- und Kapitalmarkt sei dies für Laufzeiten von mehr als einem Jahr bereits jetzt der Fall.