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Nachruf auf DDR-Fußballer Bernd Bransch Der stille Kapitän

Bernd Bransch führte die DDR-Auswahl bei ihrer einzigen WM-Teilnahme 1974 an. Mit der Nationalelf feierte er seine Erfolge, sein Herz gehörte aber dem Halleschen FC. Der Klub trauert um seinen größten Spieler.
DDR-Kapitän Bernd Bransch (l.) im berühmten WM-Aufeinandertreffen von Hamburg 1974

DDR-Kapitän Bernd Bransch (l.) im berühmten WM-Aufeinandertreffen von Hamburg 1974

Foto: Roland Witschel / dpa

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Das berühmteste Foto von dem Fußballer Bernd Bransch zeigt ihn beim Händedruck. Am 22. Juni 1974 gibt Bernd Bransch im Hamburger Volksparkstadion Franz Beckenbauer die Hand, es sind die Momente vor dem Anpfiff des WM-Spiels der Bundesrepublik Deutschland gegen die DDR.

Bransch ist der Kapitän der DDR-Auswahl, es ist das einzige Mal, das beide Teams bei einem WM- oder EM-Turnier aufeinandertreffen. Das Spiel ist Kulturgeschichte, und das Foto von Beckenbauer und Bransch ist es auch.

Wimpeltausch mit Franz Beckenbauer (l.) vor dem Spiel gegen die Bundesrepublik

Wimpeltausch mit Franz Beckenbauer (l.) vor dem Spiel gegen die Bundesrepublik

Foto: Heinrich Sanden / dpa

Es ist das Spiel, das auf ewig mit dem Namen Jürgen Sparwasser aus Magdeburg verbunden ist. Aber dass es überhaupt dazu kommen konnte, liegt an Bernd Bransch aus Halle (an der Saale). Der 22. Juni 1974 hatte eine Vorgeschichte, sie spielt am 26. September 1973 in Leipzig.

Durch zwei Freistöße zur WM

Die DDR spielt um ihre letzte Chance, zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft dabei zu sein, gegen Rumänien muss ein Sieg her, ein Unentschieden würde nicht reichen. Die Partie endet 2:0, beide Tore erzielt Bernd Bransch, beide Male sind es Freistoßsituationen, die hat er geliebt. Bransch hat in 72 Länderspielen für die DDR überhaupt nur drei Treffer erzielt, an jenem Abend in Leipzig machte er zwei Drittel davon.

An diesem Tag gehörten die Schlagzeilen dem damals 29-Jährigen, es wird ihm gar nicht so behagt haben. Bransch war keiner, der im Mittelpunkt stehen wollte, ein ruhiger Vertreter. Dass er trotzdem der unumstrittene Kapitän jener einzigartigen DDR-Auswahl der Siebzigerjahre war, spricht für seine Autorität. Niemand hätte die angezweifelt.

Bransch hatte zum Zeitpunkt der WM in Westdeutschland schon sieben Jahre Nationalmannschaft auf dem Konto, 1967 hatte er in Schweden debütiert, gemeinsam mit seinem jungen Torwartkollegen Jürgen Croy. Croy und Bransch, das waren die Korsettstangen in der Abwehr in dieser Mannschaft jener Zeit, deren Spielernamen unvergessen sind: Sparwasser, Joachim Streich, Konrad Weise, Lothar Kurbjuweit, Hans-Jürgen Kreische, Gerd Kische, Reinhard Lauck, Harald Irmscher, Siegmar Wätzlich, Martin Hoffmann.

Zwei Olympiamedaillen im Schrank

Dixie Dörner, der die WM damals verpasste, Rüdiger Schnuphase, Wolfgang Seguin und Peter Ducke, die in Hamburg nicht spielten, sie gehören auch dazu.

Lauck und Wätzlich sind tot, Dörner und Streich sind in diesem Jahr gestorben. Nun auch Bransch, am Samstag nach langer Krankheit mit 77 Jahren. Die Erinnerung ist ihnen gewiss.

Das DDR-Team, angeführt von Bernd Bransch, bei einem Testspiel 1974

Das DDR-Team, angeführt von Bernd Bransch, bei einem Testspiel 1974

Foto: Werek / imago images

Mit der Nationalmannschaft feierte Bransch seine großen Erfolge, Olympia-Dritter in München 1972, Olympiasieger 1976 in Montreal fast schon zu seinem Karriereende, als er im Finale gegen Polen noch einmal eingewechselt wurde. Aber im Grunde war er ein Vereinsspieler.

Synonym für den Fußball in Halle

Bernd Bransch, das war das Synonym für den Halleschen FC. »Er war alles für den HFC – und der HFC war alles für ihn«, schreibt der »Kicker« in seinem beinahe zärtlichen Nachruf. In Halle war Bransch geboren, in Halle hat er sein Leben lang Fußball gespielt.

Nur eine Saison lang war er den Hallensern abtrünnig geworden, der Klub war 1973 abgestiegen, und um seine WM-Teilnahme nicht durch ein Jahr in der Zweitklassigkeit zu gefährden, wechselte Bransch zu Carl Zeiss Jena. Es war denn auch das einzige Mal, dass er in seinen vielen Fußballjahren einen nationalen Vereinstitel gewann: den Pokal mit einem Sieg im Finale über Dynamo Dresden.

Bernd Bransch, hier auf einem Foto aus dem Jahr 2009

Bernd Bransch, hier auf einem Foto aus dem Jahr 2009

Foto: imago sportfotodienst

Dass Halle damals abstieg, hing auch mit einem furchtbaren Erlebnis zusammen, das alle prägte, die dabei waren. Bransch und seine Teamkollegen logierten im September 1971 im niederländischen Eindhoven, am Abend sollte es im Europapokal dort gegen die PSV gehen, als am Morgen in dem Teamhotel ein schreckliches Feuer ausbrach.

Das Inferno von Eindhoven

Die Spieler aus Halle, sie rannten, sie sprangen um ihr Leben, für den jungen Offensivspieler Wolfgang Hoffmann kam jede Hilfe zu spät, er ist eines von elf Todesopfern jenes Tages. Hoffmann sollte die Reise eigentlich gar nicht antreten, aber dann ersetzte er kurzfristig einen verletzten Spieler. Das Trauma von Eindhoven, es hat die Mannschaft verfolgt, manche ihrer damaligen Spieler bis heute. Wie danach wieder ganz normal Fußball spielen?

1977 spielte Bransch zum letzten Mal im Trikot seines geliebten HFC, das 2:6 gegen Zwickau war kein würdiger Abschied. Aber Abschied – den nahm Bransch von seinem Herzensklub ohnehin nicht. In den Folgejahren, oder besser Folgejahrzehnten, hat er in Halle so ziemlich jeden Posten bekleidet. Er war Präsident des Klubs, er war Manager, er war Klub-Berater. Trainer wollte er allerdings nie werden, das überließ Bransch anderen.

Sein Engagement für die Heimatstadt bewies er zudem als Stadtrat für Jugend und Sport, später als Vizepräsident des Stadtsportbundes.

Als es darum ging, am Ende dieses für die DDR so überragenden WM-Jahres 1974 den Fußballer des Jahres zu wählen, fiel das Votum nicht auf den Torschützen von Hamburg, Jürgen Sparwasser, nicht auf den Super-Torjäger Joachim Streich oder den vielarmigen Torwart Jürgen Croy.

Gewählt wurde der stille Kapitän Bernd Bransch.