Als sich nach 45.000 Kilometern im Motorradsattel die berühmte Kontur des Tafelbergs am Horizont abzeichnete, hielt Joana Breitbart einen Moment inne. Sie musste an ihre neuen Freunde im Sudan denken, sagt sie nach ihrer Ankunft in Kapstadt. An ihre Tränen nach der Begegnung mit korrupten Zöllnern in Ägypten. An die Sorgen an der Grenze zum krisengeschüttelten Äthiopien. An Afrikas spektakuläre Natur, die vom Motorrad aus irgendwann zur meditativen Erfahrung wurde.
Und auch ein bisschen an all jene in der hessischen Heimat, die der 31-Jährigen und ihrem Lebensgefährten Joshua Steinberg, 30, von der Reise abgeraten hatten. „Das schafft ihr nie“, hatten ihnen einige nachgerufen angesichts der Covid-Pandemie. Klar schaffen wir das, hatte das Paar entgegnet. Virus hin oder her.
Gut ein Jahr später, nach unzähligen Stunden mit unzähligen Begegnungen auf mal mehr, mal weniger staubigen Straßen und Pisten, sind sie nun in Südafrika. Über ihre Homepage und soziale Netzwerke verfolgten Tausende Reisesüchtige auf Entzug den Trip durch bislang 13 Länder, der das Paar vom beschaulichen Heimatdorf Haunetal-Wetzlos über Italien, Tunesien, Ägypten, den Sudan, Kenia, Tansania, Sambia, Namibia nach Kapstadt führte. Sie waren dabei mit „lebenserhaltender Geschwindigkeit“ unterwegs, wie sie sagen, also nie schneller als 90 km/h.
Vier Jahre lang hatten der Rettungssanitäter und die Erzieherin auf die Reise gespart. „350 Euro Miete, billiges Handy, noch keine Kinder – da kann man zwei Jahre reisen“, sagt Joshua Steinberg. Zumindest, wenn man bescheiden ist und meist im Zelt übernachtet. Oder unterwegs Leute kennenlernt, die einen in ihre Häuser einladen. „Nur so ist es doch eine wirkliche Reise“, sagt er, „die Bilderbuchfotos der Länder kann ich mir auch im ‚National Geographic‘ anschauen.“
Ihre Motorräder, zwei Honda CRF250L, jeweils 3000 Euro, wiegen pro Stück gerade einmal 135 Kilogramm. Leicht genug, um sie auch nach einem Sturz in tiefem Wüstensand wieder aufzurichten. Und simpel genug, um auch in den entlegensten Gegenden Ersatzteile aufzutreiben.
Corona hält sie von der Tour durch Afrika nicht ab
Schon 2014 war Steinberg, damals 23, einfach losgefahren. Nach einem abgebrochenem Medizinstudium kehrte er seine Ersparnisse zusammen und fuhr Afrikas Westküste hinunter. Trotz der Umwege wegen der Boko-Haram-Terroristen, die Nigeria tyrannisierten. Und trotz des Ebola-Virus, das damals in einigen Ländern wütete. „Das war ein bisschen so wie jetzt“, sagt Steinberg, „überall Fieberthermometer und Masken.“
Probleme haben die beiden auch dieses Mal nicht von Afrika abgehalten. Also nahmen sie Ende Oktober 2020 kurz vor Beginn der zweiten Covid-Welle die letzte Fähre von Sizilien nach Tunis. Eine Sackgasse? So schien es wegen mancher geschlossener Grenze – die Reise drohte bereits in Tunesien zu scheitern. Doch dann fügten sich die Dinge, und sie lernten einen netten Mitarbeiter von Egypt Air kennen, der den Transport der Motorräder nach Ägypten zum Freundschaftspreis arrangierte.
Dort aber gaben korrupte Zollbeamte die Zweiräder erst nach einigen Tagen frei, nach Zahlung von 600 Euro pro Bike. „Da sind bei mir Tränen geflossen“, sagt Joana Breitbart, „ein schlechter Afrika-Einstieg, aber immerhin nur eine von wenigen negativen Erfahrungen.“ Von da an sollten die beiden fast ausschließlich nette Menschen treffen. Und den Kontinent in seiner vollen Schönheit erleben.
Im Sudan flossen beim Abschied Tränen
Im Sudan zum Beispiel. Ein kompliziertes Land, wo man ohne Beziehungen bisweilen schon für Benzin stundenlang anstehen muss. Aber auch eine der gastfreundlichsten Nationen des Kontinents. Steinberg hatte lange für das Rote Kreuz gearbeitet, steuerte sofort das örtliche Büro der Hilfsorganisation an. Und hatte sogleich einen Draht zu einem der Mitarbeiter.
Einige Tage schliefen sie bei seiner Familie. Eine andere Mitarbeiterin des Roten Kreuzes lud sie ebenfalls ein. So entstanden ungewöhnliche Freundschaften – in einem Land, das nach der Revolution vor zwei Jahren seinen Kurs zwischen ultrakonservativem Islam und Aufbruch sucht.
Das deutsche Paar erlebte, welche Bedeutung die Familie im Sudan hat. „Es gibt keine Versicherung, wenn der Job weg ist. Kein Krankenhaus, wenn man krank ist – manchmal nicht mal Wasser und Strom“, sagt Steinberg, „das Einzige, was immer da ist, ist die Familie.“ Er war in Deutschland lange in der Flüchtlingshilfe engagiert und hat dabei viele Menschen kennengelernt, die auch nach Jahren noch täglich ihre Verwandten in der Heimat angerufen haben. Erst jetzt hat er verstanden, warum das so wichtig ist.
Für die Gastfreundschaft und Einblicke in die sudanesische Kultur revanchierten sich die Hessen. „Als wir kamen, funktionierten fünf Steckdosen im Haus, als wir gingen, alle 20“, sagt Steinberg, der jede einzelne selbst repariert hat. So gut und eng war der Kontakt, dass beim Abschied Tränen flossen.
Mit dem Motorrad soll es weiter nach Asien gehen
Eigentlich wollten Breitbart und Steinberg nun nach Äthiopien. Doch die Grenze war wegen des Bürgerkrieges in Tigray zu. Also buchten sie einen Flug nach Kenia. Dort hatte die Pandemie erstmals auch einen kleinen Vorteil: Das Paar konnte sich die Besteigung des Mount Kenia leisten – das kostete wegen der Touristenflaute nicht einmal die Hälfte des üblichen Preises.
Und in dem Land bekamen sie auch endlich ihre erste Covid-Impfung. Sputnik. In der EU ist der russische Impfstoff zwar nicht zugelassen. Das Paar aber war froh, unterwegs überhaupt eine Impfmöglichkeit bekommen zu haben.
Stundenlang können sie von den Menschen in Afrika erzählen. Von den kleinen Begegnungen am Straßenrand, wo in Zeiten der Pandemie nur wenige Reisende vorbeikommen. Und von der atemberaubenden Natur natürlich, in die man am besten mit kleinen Motorrädern vordringen kann. Die ägyptische Wüstenlandschaft südwestlich von Bahariyya etwa ist für sie unvergesslich, die Sahara bei Douz in Tunesien, aber auch das Erongo-Gebirge in Namibia. Überhaupt die unglaublichen Weiten des Kontinents.
Noch sind sie in Südafrika. Doch bald wollen sie weiter. Dank inzwischen vierfacher Impfung ist die Omikron-Variante für sie kein Thema, „solange die Grenzen aufbleiben“, sagt Steinbach. Simbabwe und Mosambik sollen in Afrika folgen, danach sind einige Monate in Asien geplant. Eine Route, bei der sicher die eine oder andere Hürde wartet. Das macht für Joana Breitbart aber gerade den Reiz aus: „Denn zwischen dem Schweren“, sagt sie, „ist es doch wunderschön.“
Details zur Reise und zur Route unter wetzlosweltwaerts.de