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Der Fall Chaim WalderDie dunkle Seite des berühmten Kinderbuchautors

Kinderbuchautor Chaim Walder soll über Jahre minderjährige Mädchen und junge Frauen missbraucht haben.

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Man hat ihn gefunden auf dem Friedhof von Petach Tikwa, in der Nähe des Grabes seines Sohns, der vor einigen Jahren an Krebs verstarb. Chaim Walder, 53, hat offenkundig seinem Leben selbst ein Ende gesetzt. Für viele Kinder in Israel und in anderen Ländern, in denen ultraorthodoxe Juden leben, war er ein Held. Seine Bücher haben sich in diesen Kreisen millionenfach verkauft. Doch Walder war tief gefallen in den vergangenen Wochen. Immer mehr Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs hatten den Blick in einen Abgrund eröffnet.

Über die dunkle Seite des frommen Starautors hatte im November zuerst die israelische Tageszeitung Haaretz berichtet. Demnach soll Walder über Jahre minderjährige Mädchen und junge Frauen missbraucht haben. Die ältesten Vorwürfe liegen 25 Jahre zurück, die jüngsten nur wenige Monate.

Diese Anschuldigungen trafen einen Mann, der sich in der ultraorthodoxen Welt in den vergangenen fast 30 Jahren einen Ruf als grosser Geschichtenerzähler und Kinderversteher, als Ratgeber und Therapeut erarbeitet hatte.

In säkularen Kreisen wird oft beklagt, dass in der religiösen Parallelgesellschaft solche Vergehen allzu oft unter den Teppich gekehrt werden.

Als er 1993 sein erstes Buch unter dem Titel «Kinder sprechen über sich selbst» veröffentlichte, galt er als Revolutionär, weil er nicht mehr nur fromme Fabeln erzählte, sondern in treffender Sprache aus der Alltagswelt der religiösen Kinder berichtete und ihre Wünsche und Ängste zum Thema machte. Sein literarisches Debüt zählt zu den fünf am meisten verkauften Büchern in Israel.

Es folgten insgesamt 80 Veröffentlichungen, Walders Werke wurden in acht Sprachen übersetzt – und sein Einfluss wurde immer grösser. Eigenen Angaben zufolge erhielt er Zehntausende Briefe von Kindern und Jugendlichen, die ihn um Rat baten oder ihm Geschichten anvertrauten, die dann zur Grundlage neuer Bücher wurden.

An seinem Wohnort Bnei Brak stand er dem von der Gemeinde eingerichteten Zentrum für Kinder und Familien vor. In den Sommermonaten veranstaltete er Ferienlager. Die israelische Regierung zeichnete ihn mit einem Preis zum Schutz von Kindern aus. Und für die Erwachsenen schrieb er in einem der frommen Massenblätter wöchentliche Kolumnen und hatte eine eigene Radiosendung.

Schwierige Milieu-Ermittlungen

Walder, darauf deuten inzwischen viele Zeugenaussagen und Untersuchungen hin, hat seine Position ausgenutzt. Der Fall wirft damit ein neues Schlaglicht auf die düsteren Ecken einer frommen Parallelwelt, in der Sexualität ein Tabuthema ist und sexueller Missbrauch erst recht, selbst wenn nun immer wieder neue Vergehen an die Öffentlichkeit kommen.

Erst im Frühjahr war zum Beispiel der prominente und im ganzen Land verehrte ultraorthodoxe Gründer des Rettungsdienstes Zaka, Yehuda Meshi-Zahav, des jahrzehntelangen Missbrauchs an Kindern und Frauen beschuldigt worden. Auch er versuchte anschliessend, sich das Leben zu nehmen.

Eine juristische Aufklärung der Fälle ist eher selten. In den säkularen Kreisen zumindest wird oft beklagt, dass in der religiösen Parallelgesellschaft solche Vergehen allzu oft unter den Teppich gekehrt werden und dass die Polizei dort nur unzureichend ermittele.

Anzeichen dafür gab es zunächst auch im Fall Walder. Zwar verschwanden seine Werke aus den Regalen der Buchläden, er verlor seine Radiosendung und die wöchentliche Zeitungskolumne. Eine offizielle Begründung dafür wurde aber nicht gegeben, und die Polizei hatte Walder auch noch nicht vorgeladen und befragt. Er selbst hatte lediglich erklärt, er ziehe sich aus der Öffentlichkeit zurück, um seinen Namen vor Beschmutzung zu bewahren. Bis zuletzt bestritt er alle Vorwürfe.

Der Chefrabbiner erklärt sich

Allerdings hatte sich in seinem Fall ein religiöses Gremium unter Vorsitz des Chefrabbiners Schmuel Eliyahu aus Safed im Norden Israels eingehend mit den Vorwürfen beschäftigt. Walder hatte es abgelehnt, dort auszusagen. Gehört wurden jedoch insgesamt 22 Zeugen, die ihn des Missbrauchs beschuldigten.

Am Sonntag veröffentlichte Eliyahu das Ergebnis seiner Untersuchungen: «Wir haben ihn ohne Zweifel für schuldig befunden», heisst es dort, «und was wir von den Frauen und Mädchen, die er geschädigt hat, gehört haben, ist zweifellos nur ein kleiner Teil des Unheils, das er angerichtet hat.»

Die unter Israels Ultraorthodoxen am weitesten verbreitete Webseite Behadrei Haredim liess in einem Nachruf auf Walder dennoch die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs ebenso wie den Suizid unerwähnt.

Rabbi Schmuel Eliyahu dagegen veröffentlichte eine deutliche Erklärung: «Es ist schlimm, dass er diesen Weg gewählt hat. Wir hatten ihm die Möglichkeit angeboten, wiedergutzumachen, was er getan hat und sich zu entschuldigen», schrieb er. «Nun schicken wir den vielen Opfern Kraft. Ihre Leben haben Vorrang vor seinem.»