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Nachruf auf Bernd Nickel Er war Doktor Hammer

Bernd Nickel war ein überragender Mittelfeldspieler, er steht für die große Zeit der Frankfurter Eintracht. Kein Zentimeter auf dem Feld war vor seinem Tordrang sicher – auch nicht die Stadionecken.
Bernd Nickel im Eintracht-Trikot

Bernd Nickel im Eintracht-Trikot

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imago sportfotodienst

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Es hat sie immer gegeben, diese Fußballer, deren Schusskraft ehrfürchtig bestaunt wurde. Der Düsseldorfer Gerd »Zimbo« Zimmermann war so ein Spieler, später wurde der Bochumer und Dortmunder Martin Kree für diese Eigenschaft gerühmt. Aber dass ein Fußballer seinen Spitznamen der Dynamik und Energie verdankt, die er dem Ball verpassen konnte, ein Spitzname, der ihm zur zweiten Haut wurde, das gibt es nur selten: Bernd Nickel war der Doktor Hammer. Jeder kannte ihn unter diesem Namen, vermutlich hätte der Profi von Eintracht Frankfurt dies sogar in seinen Pass eintragen können.

Dabei war Bernd Nickel viel mehr als nur ein Hansdampf, der den Ball mit möglichst viel Wucht behandelte. Wenn er wollte, konnte er den Ball auf dem Feld streicheln, er konnte ihm Effet geben, er war ein wahrhafter Kunstschütze, ein Meister des Freistoßes und vor allem des Eckballs. Dass er von allen vier Ecken des Frankfurter Waldstadions direkt getroffen hat, darf in keiner Würdigung fehlen. Dem großen Sepp Maier hat er mit einem direkt verwandelten Eckstoß düpiert, es war ein Spiel, das Eintracht-Fans noch heute das Herz wärmt: 6:0 gegen die Bayern, 5:0 stand es schon zur Pause.

Bernd Nickel, Jürgen Grabowski, Bernd Hölzenbein – was für eine Mittelfeldreihe hatte die Eintracht damals in den Siebzigerjahren. Dazu im Tor Günter Wienhold, auch er kürzlich erst verstorben, hinten den treuen Charly Körbel und mit Gert Trinklein und Willi Neuberger zwei andere Eintracht-Ikonen, vorne stürmte Rüdiger Wenzel, später Ronny Borchers, dazu der Dauerläufer Wolfgang »Scheppe« Kraus.

Eine große Mannschaft, die Spiele fürs Eintracht-Poesiealbum am Stück produzierte – der Uefa-Cup-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach 1980, vorher das 9:2 gegen Werder Bremen – auch in dieser Partie traf Nickel vom Eckpunkt. Wie auch gegen den 1. FC Kaiserslautern und Fortuna Düsseldorf. In allen vier Ecken soll Nickel drin stecken.

Ein moderner Fußballer

Doktor Hammer war dabei überhaupt kein klassischer Torjäger, dennoch erzielte er in der Bundesliga 141 Treffer, so viel wie kein Mittelfeldspieler vor und nach ihm. Weil der Mann aus dem mittelhessischen Eisemroth von Anfang bis Ende seiner langen Karriere dem Sinn des Spiels nachhing: Der Ball muss ins Tor. Inspiriert von seinen großartigen Mitspielern im Verein, geführt von dem visionären Trainer Dietrich Weise war Nickel der Inbegriff eines im Grunde modernen Offensivspielers. Grabowski und Hölzenbein hatten eine ähnliche Vorstellung vom Fußball. Nur dass beide mit Deutschland Weltmeister wurden, Nickel blieb eine einzige Länderspielberufung.

DFB-Pokalsieger 1981

DFB-Pokalsieger 1981

Foto: imago sportfotodienst / imago images/Kicker/Liedel

Nickel beim Fußballspielen zu beobachten, das war eine Offenbarung. Er hatte Übersicht, er war Ballverteiler, Regisseur, Ballschlepper und Distanzschütze in einem. Filigran und wuchtig, elegant und dynamisch gleichermaßen. Nickel war schon polyvalent, als es das Wort noch gar nicht gab.

Fast zu den Bayern gewechselt

So aktuell er seinen Job auf dem Feld auch interpretierte – ansonsten war er ein Profi, typisch aus seiner Zeit. Er hatte noch einen Beruf gelernt, Nickel war Fernmeldetechniker, bodenständig und heimatverbunden, dem Verein blieb er fast ein Fußballerleben lang treu, 426 Bundesligaspiele standen am Ende für die Eintracht zu Buche.

Anfang der Siebzigerjahre stand mal ein Wechsel zu Bayern München im Raum, als die Eintracht abstiegsgefährdet war. Nickel sorgte mit seinem Tor gegen die Offenbacher Kickers dafür, dass Frankfurt die Klasse erhielt – und er im Verein bleiben konnte. Wäre die Eintracht tatsächlich abgestiegen, wäre Nickel nach München gewechselt. Gut möglich, dass er dann wie Grabowski und Hölzenbein 1974 den WM-Pokal in die Höhe hätte stemmen können.

Aber auch so sammelte Nickel in seiner Laufbahn Trophäen und Titel – dreimal gewann er mit Frankfurt den DFB-Pokal, 1974, 1975 und 1981, der Sieg im Uefa-Cup 1980 war in der Endphase seiner Karriere das Sahnehäubchen. Bei den Young Boys Bern ließ er seine Laufbahn ausklingen. Danach war er wieder mal seiner Zeit voraus: Zusammen mit Trinklein machte Nickel den ersten Eintracht-Frankfurt-Fanshop auf – das war in der Bundesliga damals noch echtes Neuland.

Mit 72 Jahren ist Bernd Nickel nach langer Krankheit gestorben. Ihn spielen zu sehen, war der Hammer.