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Nachruf auf Paul Mariner Mister Ipswich

Paul Mariner war einer der großen englischen Stürmer der Siebziger- und Achtzigerjahre. Seine Tore führten Ipswich Town zum Europapokalsieg. Mit 68 Jahren ist Mariner nun gestorben.
Paul Mariner im blauen Ipswich-Trikot

Paul Mariner im blauen Ipswich-Trikot

Foto: imago sportfotodienst

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Ipswich Town hat die Saison in der englischen League One mit Platz neun beendet, Mittelmaß selbst in der Drittklassigkeit. Die League One ist ein Sammelbecken von Klubs mit Vergangenheit, hier spielen der AFC Sunderland, Charlton Athletic, Wigan Athletic, der FC Blackpool, sie alle haben schon bessere Tage gesehen. Aber kein Klub unter ihnen ist so tief gestürzt wie Ipswich. Der Verein war mal Europapokalsieger. Es war die Zeit des Paul Mariner.

Nur 68 Jahre ist der Torjäger alt geworden, am 9. Juli ist er einem Krebsleiden erlegen, England trauert wieder einmal um einen seiner Großen. Der britische Fußball hat sich von so vielen seiner Helden im vergangenen Jahr verabschieden müssen, von Nobby Stiles bis Ray Clemence, von Colin Bell bis Peter Lorimer.

Am Sonntag steht England erstmals seit 55 Jahren wieder in einem großen Endspiel, Mariner hat die Zeit erlebt, in der die Three Lions so weit weg davon entfernt waren wie selten.

1974 und 1978 qualifizierte sich das Land nicht einmal für die WM, bei der Weltmeisterschaft 1982, bei der Mariner dabei war, schied man kläglich nach zwei torlosen Remis in der Zwischenrunde aus. Das Bild, wie Mariner den tieftraurigen englischen Kapitän Kevin Keegan tröstet, ist vielleicht das einzige, was aus englischer Sicht von diesem Turnier in Erinnerung geblieben ist.

Mariner bei der WM 1982

Mariner bei der WM 1982

Foto: imago sportfotodienst / imago/Horstmüller

Mariner hatte zu diesem Zeitpunkt seine großen Erfolge im Vereinsfußball schon erlebt. Als junger Stürmer war er 1976 zu Ipswich gewechselt, der damalige Trainer und spätere Nationalcoach Bobby Robson war auf ihn aufmerksam geworden, weil Mariner bei seinem Klub Plymouth Argyle in 123 Ligaspielen 56 Treffer erzielt hatte. So einer fehlte noch in Robsons Puzzle einer kompletten Mannschaft. Und so baute der Coach, der schon seit 1969 das Kommando bei Ipswich hatte, nach und nach ein Topteam an der Portman Road zusammen.

Die Fäden im Mittelfeld zogen die beiden Niederländer Frans Thijssen und Arnold Muhren, vorne wirbelte neben Mariner der Schotte Alan Brazil, hinten räumten das Abwehr-Ungetüm Terry Butcher und sein Kompagnon Mick Mills alles weg und auf.

Vizemeister und Europacupsieger

Ipswichs gloriose Zeit war damals eigentlich schon lange verstrichen, 1961 war man unter Alf Ramsey mal englischer Meister gewesen, jetzt ließ Robsons Truppe die Stadt im englischen Osten, die sonst nicht allzu viele Schönheiten zu bieten hat, wieder träumen. Vizemeister wurde man auch dank Mariners Toren sowohl 1981 als auch 1982, 1981 krönte die Elf ihren Lauf mit dem Gewinn des Uefa-Cups, damals noch ausgetragen in Hin- und Rückspiel gegen AZ Alkmaar.

Es war Mariners beste Zeit, sechs Tore schoss er in der Uefa-Cup-Saison, übertroffen wurde er allerdings noch von seinem schottischen Teamkollegen John Wark, der mit 14 Toren bester Schütze des gesamten Wettbewerbs wurde.

Mariner als Trainer in den USA

Mariner als Trainer in den USA

Foto: imago sportfotodienst

Mit der dann folgenden WM-Endrunde ging es so langsam abwärts mit Mariner, er spielte zwar noch bis 1984 in Englands Nationalteam, aber sein Wechsel zum FC Arsenal nach acht Jahren und 260 Ligapartien mit fast 100 Toren für Ipswich entpuppte sich als Fehler.

Anschließend ließ er seine Karriere in den USA ausklingen. Die Vereinigten Staaten wurden zu seiner zweiten Heimat, er arbeitet dort und in Kanada als Trainer, kehrte nur noch sporadisch nach England zurück. Den Absturz von Ipswich Town erlebte er aus der Distanz, der Verein wurde zum Fahrstuhlklub, 2019 ging es dann sogar in die dritte Liga. Und auch dass man Superstar Ed Sheeran als Trikotsponsor gewinnen konnte, hat nichts mehr geholfen.

Mariner bleibt ein Klubheld, kaum ein Name steht so für Ipswich Town wie er. Für England stand er 35 Mal auf dem Platz. Heute Abend im Wembley werden sie auch für ihn spielen.