Der Mord am Journalisten Giorgos Karaivaz rückt die Untaten der griechischen Mafia ins Scheinwerferlicht

Er recherchierte in der Schattenwelt und zu den schillernden Gestalten des griechischen Nachtlebens, ermordet wurde der bekannte Polizeireporter Giorgos Karaivaz am helllichten Tag. Es ist der jüngste in einer Reihe von Auftragsmorden in den vergangenen Jahren.

Elena Panagiotidis
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Der griechische Polizeireporter Giorgos Karaivaz wurde vor seinem Haus im Athener Vorort Alimos erschossen.

Der griechische Polizeireporter Giorgos Karaivaz wurde vor seinem Haus im Athener Vorort Alimos erschossen.

Giannis Panagopoulos / Imago

Sechs Kugeln trafen Giorgos Karaivaz in die Brust, zwei in den Kopf, eine in den Nacken und eine in die Hand, in der der Investigativjournalist sein Mobiltelefon hielt. Die Täter wollten nicht das Risiko eingehen, dass der 52-Jährige überleben könnte. So feuerten sie auch noch vier Kugeln auf ihn ab, als er schon tödlich getroffen vor seinem Haus im Athener Stadtteil Alimos am Boden lag. Dann fuhren sie auf ihrem Motorrad davon, am helllichten Tag, unerkannt dank ihren Helmen und den Mund-Nasen-Masken.

Der Mord an dem Polizeireporter Karaivaz, der für das Fernsehen arbeitete und die Website bloko.gr betrieb, hat Griechenland erschüttert. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat versprochen, die Tat vom vergangenen Freitag aufzuklären. Die Polizei hat festgestellt, dass die Tatwaffe bei keinem früheren Verbrechen zum Einsatz gekommen war, doch ist klar, dass die Täter so etwas nicht zum ersten Mal gemacht haben, da sie professionell und kaltblütig vorgegangen waren und die Gegend sehr gut kannten. Die Polizeibeamten sichten Material, suchen nach dem Motorrad und nach einer Frau, die in der Nähe des Tatorts telefonierte – möglicherweise um die Täter zu informieren. Die Medien zeigen immer neue Aufnahmen von Videokameras, die die Fahrt des Motorrads filmten, lassen Augenzeugen und Angehörige zu Wort kommen. Ein Land sucht zwei Mörder.

Die Hintermänner und ihre Motive sind aber bis jetzt unklar. Experten wie der Polizeimajor Thanassis Katerinopoulos sind überzeugt, dass es sich bei dem Mord an Karaivaz um einen Auftragsmord handelt und der Schlüssel zur Lösung des Falls in den Recherchen von Karaivaz zur organisierten Kriminalität, oft als griechische Mafia bezeichnet, zu finden sein muss. Karaivaz galt aufgrund seiner Arbeit als bestens in der Unterwelt vernetzt. Er hatte mehrfach betont, dass kriminelle Banden in Griechenland mittlerweile so mächtig seien, dass sie sogar auf die Besetzung von Posten innerhalb der Polizei Einfluss nähmen.

In griechischen Medien wird eine Recherche von Karaivaz vom November 2018 als «prophetische Reportage über die griechische Mafia» bezeichnet. Dort hatte er nachgezeichnet, wie die Fälle mehrerer ermordeter Personen zusammenhängen könnten.

Athen und Mykonos als Zentren der Mafia

In den letzten Jahren hat es in Griechenland mindestens zwei Dutzend mutmassliche Auftragsmorde an Personen gegeben, die dem mafiösen Milieu zugerechnet werden. Athen mit seinen Nachtklubs, deren Besitzer oft einen zweifelhaften Ruf haben und «Paten der Nacht» genannt werden, gilt als Zentrum der Mafia-Tätigkeiten. Auch zwielichtige Sicherheitsfirmen sind involviert. Es geht um Geldwäsche und Schutzgelderpressungen, um Schwarzhandel, Zinswucher, um Waffenschmuggel, Prostitution, Drogen- und Menschenhandel. Mit der Wirtschafts- und Finanzkrise brachen in Athen die Umsätze ein. Deshalb nahm die Mafia neben Athen auch die mondäne Kykladen-Insel Mykonos in den Blick, wo einheimischer und internationaler Jetset viel Geld in den Nachtklubs und Strandbars lässt. Die im Land grassierende Korruption spielt dabei den Kriminellen in die Hände.

Auch kriminelle Banden aus anderen Ländern operieren laut Medienberichten in Griechenland und mit der griechischen Mafia zusammen. Im Januar 2020 wurde eine Athener Taverne zum Schauplatz einer blutigen Abrechnung der montenegrinischen Mafia, wobei zwei Anführer des Skaljari-Clans vor den Augen ihrer Familien hingerichtet wurden.

In einem Blog-Beitrag zur Korruption innerhalb der Polizei beschrieb Karaivaz im vergangenen Jahr die Kreise, die in dieses zwielichtige bis kriminelle Nachtleben verstrickt sind, als «Minister, Regierende, Unternehmer, Offiziere im Ruhestand und im aktiven Dienst, Richter und Geistliche».

Die französische Zeitung «Libération» stellt einen Zusammenhang zum Fall Lignadis her. Der ehemalige Star-Regisseur soll in zahlreiche Missbrauchsskandale verwickelt sein. Viele Beobachter behaupten, dass Lignadis politischen Schutz genossen habe. Einen Tag bevor Karaivaz ermordet wurde, habe er im TV gesagt, dass Lignadis Zeit verschafft worden sei, um Beweismittel zu vernichten.

Wenn Journalistinnen und Journalisten über Verbindungen der organisierten Kriminalität zur Politik und zur Verwaltung recherchieren, ist dies das gefährlichste Feld für sie überhaupt, wie die NGO Reporter ohne Grenzen betont. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen rangiert Griechenland auf Platz 65 von 180 Staaten, was für einen EU-Staat ein schlechter Wert ist.

«Ein Demokrat und Antifaschist»

Doch nicht nur in der kriminellen Unterwelt hatte sich Karaivaz Feinde gemacht. In seinen Reportagen liess er immer wieder Migranten, die Opfer von Polizeigewalt geworden waren, zu Wort kommen. Die NGO Keerfa schreibt, Karaivaz habe mehrmals Minister und Polizeibehörden wegen der Vertuschung von Polizeigewalt gegen Migranten verklagt.

Die Polizeigewerkschaft Deka nennt Karaivaz einen Demokraten und Antifaschisten, der Investigativjournalismus betrieben habe. Diese Sorte Journalismus habe es in Griechenland in den letzten Jahren nicht leicht gehabt. Wie nur wenige habe er an die Notwendigkeit von Polizeigewerkschaften geglaubt und deren Arbeit für eine Demokratisierung und mehr Transparenz unterstützt.

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