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Debatte über Bewegungsfreiheit in Thüringen Innenminister Maier stellt sich gegen Regierungschef Ramelow

Thüringens Ministerpräsident Ramelow will wegen der Corona-Pandemie den Bewegungsradius der Menschen im Land auf 15 Kilometer um den Wohnort beschränken. Sein eigener Innenminister hält das für falsch.
SPD-Politiker Maier: »Als Innenminister sehe ich die Beschränkung des Bewegungsradius aller Thüringerinnen und Thüringer kritisch«

SPD-Politiker Maier: »Als Innenminister sehe ich die Beschränkung des Bewegungsradius aller Thüringerinnen und Thüringer kritisch«

Foto: Martin Schutt/ DPA

In der Thüringer Landesregierung ist ein Streit über die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie entbrannt. Konkret geht es um den Vorschlag, den Bewegungsradius der Bürgerinnen und Bürger auf einen Umkreis von 15 Kilometern um ihren Wohnort zu begrenzen. Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte solch eine Forderung am Sonntag erhoben.

Hintergrund ist der Ansturm auf die Wintersportgebiete im Thüringer Wald am Wochenende. Dort hatten sich trotz offiziell geltender Kontaktbeschränkungen Menschen aus verschiedenen Landesteilen sowie aus Franken getroffen. Mit seinem Vorstoß folgt Ramelow dem Beispiel Sachsens, das eine Beschränkung des Bewegungsradius eingeführt hatte.

»Den Thüringer Wald komplett für die Stadtbevölkerung abzusperren, wäre nicht der richtige Weg.«

Thüringens Innenminister Georg Maier

Ramelow bekommt nun Widerspruch aus seiner eigenen Regierung: Innenminister und SPD-Landeschef Georg Maier stellt sich gegen den Vorstoß mit der 15-Kilometer-Begrenzung. »Als Innenminister sehe ich die Beschränkung des Bewegungsradius aller Thüringerinnen und Thüringer kritisch und halte das nicht für sinnvoll«, sagte Maier dem SPIEGEL. Vielmehr sollten zunächst kurzfristig andere Maßnahmen ergriffen werden, wie etwa eine Sperrung der Zufahrten zu den beliebten Wintersportzentren.

»Den Thüringer Wald komplett für die Stadtbevölkerung abzusperren, wäre nicht der richtige Weg. Eine Einschränkung des Bewegungsradius ist zudem nur schwer für die zuständigen Behörden zu kontrollieren«, sagte Maier. Eine Bewegungsbeschränkung sei allerdings in Kreisen mit sehr hohen Infektionszahlen eine Option, die man in Betracht ziehen sollte.

Die Entscheidung über die weiteren Maßnahmen in Thüringen sollte ohnehin erst nach der Runde der Ministerpräsidenten fallen. Am Dienstag treffen sich die Länderchefs und Kanzlerin Angela Merkel, um über das weitere Vorgehen in der Coronakrise zu beraten. Mehrere Länderchefs haben bereits für eine Verlängerung der bestehenden Corona-Maßnahmen über den 10. Januar hinaus geworben.

Maier kritisierte zudem die bestehenden Regelungen zur Notbetreuung in den Thüringer Schulen. »Wir sollten eigentlich die Notbetreuung auf die systemrelevanten Berufsgruppen beschränken, wie wir es im Frühjahr getan haben«, sagte Maier. Um die Pandemie zu bekämpfen, sei weiterhin die Kontaktbeschränkung das oberste Gebot. »Umso mehr Schüler wir notbetreuen, umso mehr Kontakte finden natürlich statt. Eine Beibehaltung der flexiblen Notbetreuungsregelung wäre deshalb der falsche Weg«, so Maier.

Kritik auch von der CDU

Auch in der CDU gibt es Kritik an dem Vorhaben Ramelows, den Bewegungsradius der Thüringer auf 15 Kilometer zu beschränken. Ein »Wohnort-Arrest« sei »in medizinischer, politischer und gesellschaftlicher Hinsicht unsinnig«, sagte Thüringens CDU-Generalsekretär Christian Herrgott. Eine Ansteckungsgefahr im Wintertourismus sei bei Einhaltung der geltenden Regelungen zu vernachlässigen. »Zahlreiche Studien belegen die geringe Ansteckungsgefahr im Freien – eine Gefahr, die durch die kalte und aktuell feuchte Witterung noch zusätzlich gemindert wird«, so Herrgott.

Der Thüringer Staatskanzleichef Benjamin Hoff hatte Ramelows Vorschlag gegen die Kritik der CDU auf Twitter verteidigt. Die Bezeichnung »Arrest« seitens der CDU sei eine »Denunziation« der Maßnahme und »verantwortungslos«, schrieb Hoff.

Ramelow hatte sich im vergangenen Jahr stets gegen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gestellt. Die CDU wirft dem Regierungschef seit Monaten vor, einen Zickzackkurs bei der Pandemiebekämpfung zu fahren.