Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche eine wichtige Entscheidung für den Klimaschutz im Verkehr getroffen: Bis 2030 sollen die Erneuerbaren im Verkehrssektor einen Anteil von 28 Prozent haben. Erreichen lässt sich dies in erster Linie mit Ökostrom für elektrische Antriebe, mit grünem Wasserstoff für Brennstoffzellen-Fahrzeuge sowie mit wasserstoffbasierten synthetischen Kraftstoffen, auch E-Fuels oder Powerfuels genannt, die mit Solar- oder Windstrom hergestellt werden.
Letztere Option gefällt gerade den etablierten Autobauern: Sie gibt ihnen die Möglichkeit, die Klimaziele mit ihren Verbrennungsmotoren zu erfüllen. Klimaschützer stehen dem allerdings sehr kritisch gegenüber, da die Herstellung synthetischer Kraftstoffe äußerst ineffizient ist – Ökostrom sollte besser direkt genutzt werden. Auch Brennstoffzellen seien sinnvoller, da dort nur Wasserstoff eingesetzt wird. Der Umwandlungsschritt zu synthetischen Kraftstoffen entfällt.
Doch wie sehen das Wissenschaftler? Das Science Media Center hat dazu jetzt namhafte Energie- und Klimaforscher um Einschätzungen gebeten. Dabei sind sich die befragten Experten weitgehend einig: Der Einsatz synthetischer Kraftstoffe in PKWs ist, von Ausnahmesituationen abgesehen, unsinnig.
„Keine Alternative wegen hoher Preise und geringer Effizienz“
So verweist Manfred Fischedick, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie darauf, dass die Energiebilanz von PKW mit synthetischen Kraftstoffen gegenüber direkt elektrisch betriebenen Fahrzeugen um den Faktor sechs bis sieben schlechter ist. „Vor dem Hintergrund begrenzter Potenziale der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist der Einsatz synthetischer Kraftstoffe daher nur an den Stellen sinnvoll, wo der direkten Anwendung von Strom Grenzen gesetzt sind“, sagt Fischedick. Dies gelte vor allem für den Luftverkehr, Schiffen und zum Teil für den Schwerlastverkehr.
Ähnlich argumentiert Felix Creutzig, Leiter der Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). „Wegen des hohen Preises und der geringeren Effizienz bei der Umwandlung von Erneuerbarer Energie in Nutzungsenergie sind synthetische Treibstoffe keine Alternative zum Elektroauto und werden es auch nicht werden“, erklärt Creutzig.
Ganz verdammen will Norman Gerhardt, Gruppenleiter Energiewirtschaft und Systemanalyse am Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE, den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen in PKWs nicht. In einer Nische sieht er durchaus eine Berechtigung für die Powerfuels: „In einer zukünftigen treibhausgasneutralen und kosten- und ressourcenschonenden Welt sollten synthetische Kraftstoffe die Funktion eines Reichweitenverlängerers für Elektro-Hybrid-PKW übernehmen“, sagt der Fraunhofer-Forscher. Dabei gehe es jedoch anders als bei den heute oft verkaufen Plug-In-Hybriden um Fahrzeuge, die einen großen Elektromotor und eine ausreichende elektrische Reichweite für alle Fahrten des Alltags haben. „Der Anteil der Kraftstoffe macht dabei nur einen geringen Anteil am Jahresverbrauch aus.“
Übergangslösung für die Langstrecke
Alleinfalls eine Übergangslösung sind synthetische Kraftstoffe für PKWs, meint Michael Sterner, Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher FENES an der Ostbayerischen Technische Hochschule Regensburg. Auf der Kurz- und Mittelstrecke werden Elektroautos konkurrenzlos sein, sagt der Forscher. „Für die Langstrecke braucht es eine Energiedichte, welche die Batterie heute noch nicht liefern kann, weshalb hier synthetische Kraftstoffe kurz- und mittelfristig als Übergangstechnologie für die Klimaziele relevant sein können“, meint Sterner. Das könne sich aber mit der zunehmenden Batterieentwicklung ändern.
Wie andere Forscher auch plädiert Sterner dafür, synthetische Kraft- und Brennstoffe für den Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr sowie für energieintensive Industrien wie Stahl, Chemie und Glas aufzusparen. Für ihn spricht vieles dafür, sie so weit wie möglich im Inland zu produzieren. „Es gäbe genügend technisches Potenzial und Flächen, um bei uns in Deutschland eigene Wind- und Solarkraftstoffe herzustellen. Die Wertschöpfung bliebe im Lande, die Versorgungssicherheit wäre größer und der Transportaufwand geringer als beim Import dieser neuen Energieträger“, sagt Sterner.
Derzeit fehle es aber am politischen Willen, diese Potenziale zu nutzen, was sich in Form von Abstandsregelungen für Windkraftanlagen und halbherziger Unterstützung für Solarstrom manifestiere. „Dabei ist das so paradox: Wenn ich synthetische Kraftstoffe und Erneuerbaren Strom für klimaneutrale Mobilität und Industrieprozesse haben will und mir das klar ist, müsste die entsprechende Industrie den massiven Ausbau erneuerbarer Energien im Land von Politik und Gesellschaft einfordern, anstatt die Debatte buchstäblich ‚ins Ausland‘ zu verlagern und auf Importe zu hoffen, die aufgrund der hohen Transportkosten und politischen Unsicherheiten kaum einen Kostenvorteil gegenüber der inländischen Produktion aufweisen“, sagt Sterner.
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Und warum nicht Strom am Straßenrand produzieren und über spezielle Räder, Sromabnehmer oder Induktionsstreifen während der Fahrt einspeisen?
Selbst wenn diese Anlagen nur auf Autobahnen installiert werden, wäre LKW oder BEV mit Anhänger kein Problem im Gegensatz zu Oberleitungen, die wegen ihrer Höhe nur für LKWs geeignet sind.
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Carrera Bahn lässt grüßen.
gerade für den Schwerlast-Fernverkehr halte ich Oberleitungen auch für den Königsweg. Hier sind auf einer Strecke von wenigen tausend Kilometern Autobahn gewaltige Transportleistungen konzentriert. Zusammen mit den am stärksten befahrenen Bundesstraßen könnte hier relativ einfach ein Ladenetz erstellt werden, sodaß die LKWs dann nur noch die „letzte Meile“, auch wenn es eher die letzten 50km sind, per Batterie überbrücken müssten.
Ich schätze Herrn Sterner ja sehr, aber warum PKWs auf Langstrecke nicht mal alle 2-3h Pause machen für 20-30min und am Gleichstromlader nachladen, wie es heute schon überhaupt kein Problem ist, scheint mir nicht so ganz klar., und wenn man nicht so rast, kann man sogar 3-4h jeweils problemlos am Stück fahren.
Den fehlenden politischen Wille sehe ich auch, denn für Industrieprozesses sind Power to X Produkte wichtig – der p. Wille fehlt auch weiterhin bei der V2H oder V2G Nutzung von e-Autos. Das sollte sich möglichst schnell ändern – wer nutzt sein Handy heute ausschließlich zum telefonieren?
In Zukunft fallen durch alternative Energieerzeuger wie Windkraft und PV in sehr kurzer Zeit Unmengen von Strom an. Dies geschieht mehr der weniger augenblicklich, was zur Frage führt, wohin mit diesem schnellanfallenden und überschüssigen Strom, welcher zudem das ganze Grid destabilisiert und zur Gefahr eines Lastabwurfes führen kann. Erzeugung von synthetischem Brennstoff wäre dabei eine mögliche Teillösung.
Es ist klar, dass sich dei EL-Fahrzeuglobby dagegen wehrt, denn diese sehen ihre Felle davonschwimmen.
Das „ganze Grid destabilisiert und zur Gefahr eines Lastabwurfes“ wegen zu viel EE-Strom wird effektiv verhindert, indem die Netzbetreiber Zugriff auf die Erzeugungsanlagen haben und ggf. abregeln. Außerdem sind die Anlagen zusätzlich mit einer Eigenüberwachung ausgestattet.
EE-Strom, der nicht direkt in klassischen Anwendungen benötigt wird kann sehr effizient (Wärmepumpe) und kostengünstig (Heizstab, wofür die meisten Warmwasserpeicher bereits vorbereitet sind) für Wärmeanwendungen (Power to Heat, Sektorenkopplung) genutzt werden. Wärme kann sehr kostengünstig in Wassertanks oder anderen Massen gespeichert werden – siehe kraftblock.com. Die Gesamteffizienz und die Kosten für Wasserstoff (und daraus synthetisierte Kraftstoffe) ist dermaßen schlecht, dass dieser nur in Frage kommt, wo es wirklich keine Alternativen gibt.
Ich würde hier gerne mal eine andere Perspektive vorschlagen: Generell werden BEVs als konkurrenzlos im Kurz- und Mitelstreckenverkehr angesehen, während Langstrecke (noch) als problematisch gilt.
Ich würde dem dagegenhalten, dass Tesla schon heute demonstriert, dass auch Langstrecke bereits ganz gut machbar ist – für problematisch halte ich etwas anderes, und zwar sind das die Kurzstrecken- und insbesondere Gelegenheitsfahrer:
Ich muß nur an meine betagten Eltern denken. Da steht das Auto fast die ganze Zeit in der Garage, es werden wenige tausend km pro Jahr gefahren. Von dieser Sorte Fahrzeuge/-verhalten gibt es, dank unserer Altersstruktur, sehr viele in Deutschland. Aber auch in Großstädten gibt es viele, die zwar ein Fahrzeug haben aber damit nur wenig fahren (z.B. Wochenendausflüge).
Beim Verbrenner kein Problem: Wenn ich heute 10l in den Tank kippe, sind die auch in einem Jahr noch drin. Bei BEVs ist da ganz offensichtlich nicht der Fall. Je weniger ich fahre, desto mehr habe ich es mit Batterieverlusten zu tun. Man kennt das ja von den zahllosen akkubetriebenen Gerätschaften, die man heutzutage so hat – die die nur sporadisch benutzt werden, sind immer entladen wenn man sie braucht.
Und was noch dazukommt, desto geringere Chancen habe ich, je den CO2-Aufwand aus der Herstellung zu kompensieren.
Insofern frage ich mich schon, ob für solche Kleinstanwendungen (genau wie beim benzinbetriebenen Rasenmäher, s.o.) ein Verbrenner nicht noch auf längere Sicht die sinnvollere Lösung sein könnte.