Nachruf auf den Ex-SPD-Chef: Das Jahrhundertleben des Hans-Jochen Vogel

Sigmar Gabriel: „Er war das gute und strenge Gewissen der Genossen“

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Von: Hans-Jörg Vehlewald

Neider nannten ihn gern „Mister Klarsichthülle“ – weil Hans-Jochen Vogel stets besser vorbereitet war, mehr Akten gelesen hatte als alle anderen.

Jetzt ist der ehemalige Münchner Oberbürgermeister (OB) und Ex-Bundesjustizminister im Alter von 94 Jahren gestorben.

Vogels Leben: ein Jahrhundertleben!

In Göttingen geboren (1926), unter den Nazis aufgewachsen, Kriegsabitur (1943), Wehrmacht (zwei Mal verwundet), in Pisa gerät er in US-Kriegsgefangenschaft.

Nach dem Krieg studiert Vogel Jura, tritt 1950 in die SPD ein. Seinen Bruder Bernhard, später Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und Thüringen, treibt es dagegen in die CDU.

Die Vogel-Brüder 2014: SPD-Mann Hans-Jochen (li.) mit CDU-Bruder Bernhard

Die Vogel-Brüder 2014: SPD-Mann Hans-Jochen (li.) mit CDU-Bruder Bernhard

Foto: Michael Dalder / Reuters

Hans-Jochens Stern geht 1960 auf: mit nur 34 Jahren wird er jüngster Oberbürgermeister Deutschlands. Er bleibt es 4444 Tage, holt die Olympischen Spiele 1972 nach München. Die Partei-Linke der Stadt trieb ihn am Ende in die Bundespolitik: Kanzler Willy Brandt holte ihn als Bauminister nach Bonn. Nachfolger Helmut Schmidt machte ihn später zum Justizminister.

1960: Thomas Wimmer (li.) hängt seinem jungen Nachfolger im Amt des Münchner Oberbürgermeisters, Hans-Jochen Vogel, die Amtskette um

1960: Thomas Wimmer (li.) hängt seinem jungen Nachfolger im Amt des Münchner Oberbürgermeisters, Hans-Jochen Vogel, die Amtskette um

Foto: dpa

1983: Hans-Jochen Vogel war Kanzlerkandidat der SPDi für die die damals anstehende Bundestagswahl

1983: Hans-Jochen Vogel war Kanzlerkandidat der SPDi für die die damals anstehende Bundestagswahl

Foto: dpa

„Ein in jeder Hinsicht unbestechlicher Geist und verlässlicher Berater“, so lobte Schmidt Jahre später seinen Minister: „Sein Motto war ,Macht muss dienen' ", erinnerte sich Schmidt: „Gerade in der schweren Zeit der RAF-Morde 1977 hat er im Krisenstab stets darauf geachtet, dass keiner unserer Schritte den Rechtsstaat beschädigen konnte.“

Noch vor Schmidts Sturz (1983) ließ sich Parteisoldat Vogel 1981 zum Berliner Bürgermeister machen, um nach nur fünf Monaten abgewählt zu werden. Anschließend übernahm er brav den Posten als Oppositionschef in Berlin, ließ sich 1983 sogar als Kanzlerkandidat der SPD aufstellen – und verlor krachend gegen Amtsinhaber Helmut Kohl.

Bundesparteitag der SPD 1983: v.l Johannes Rau (NRW Ministerpräsident), Hans-Jochen Vogel (SPD-Kanzlerkandidat), Willy Brandt (SPD-Vorsitzender) und Helmut Schmidt (Altkanzler) beim Singen des Arbeiterliedes „Wenn wir schreiten Seit' an Seit'“

Bundesparteitag der SPD 1983: v.l Johannes Rau (NRW Ministerpräsident), Hans-Jochen Vogel (SPD-Kanzlerkandidat), Willy Brandt (SPD-Vorsitzender) und Helmut Schmidt (Altkanzler) beim Singen des Arbeiterliedes „Wenn wir schreiten Seit' an Seit'“

Foto: Rudi Meisel / VISUM

Vogel diente weiter seiner SPD: als Fraktionschef und Parteivorsitzender. Er blieb stets „das gute und strenge Gewissen der Genossen“, so Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel (60) zu BILD: „Ein großer Politiker und Sozialdemokrat. Ein herzensguter, warmer Mensch.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (66, CDU) hat Vogel am Sonntag als „eine der prägenden politischen Persönlichkeiten der Nachkriegszeit“ gewürdigt. „Sein Wirken war und ist Inspiration und Vorbild für viele Menschen in Deutschland“, ließ Merkel über eine Regierungssprecherin auf Twitter schreiben. Ihre Gedanken seien bei der Familie Vogels. Dieser war am Sonntag im Alter von 94 Jahren gestorben.

Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck (80) betonte Vogels herausragende Rolle in der Gesellschaft. „Hans-Jochen Vogel habe ich schon zu DDR-Zeiten bewundert als rechtschaffenen, kompetenten Politiker mit festem moralischem Kompass“, so Gauck am Sonntag zu BILD. „Er hat viele Menschen ermutigt, sich für die Gesellschaft zu engagieren, auch mich. ,Gegen Vergessen, für Demokratie‘, das ist nicht nur der Name des Vereins, in dem wir gemeinsam aktiv waren. Es ist auch die Botschaft, die Hans-Jochen Vogel uns Bürgern zurief.“ Gauck weiter: „Hans-Jochen Vogel war gläubiger Christ, überzeugter Sozialdemokrat und ein großer Patriot. Wir all haben ihm zu danken.“

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