Weniger als einen Monat nachdem Cerberus Capital Management im Streit mit der Commerzbank die Samthandschuhe ausgezogen hat, warf der Vorstandsvorsitzende der Bank das Handtuch. In hektischen Gesprächen mit der Bundesregierung in letzter Minute - Tausende von Arbeitsplätzen stehen auf dem Spiel - gelang es Zielke nicht, die Unterstützung Berlins gegenüber dem US-Investor zu bekommen.

Doch hinter dem plötzlichen Ausstieg des ehemaligen Privatkundenbankers stand ein 10 Monate währendes Drama mit Vorwürfen zu Managementfehlern, unterstellten Affronts und drei früheren Investmentbankern von Goldman Sachs, die letztlich bei der Entscheidung über die Zukunft des einst renommierten Kreditinstituts mitwirkten.

Der Abgang von Zielke und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann ermöglicht radikalere Kostensenkungen oder vielleicht eine Fusion, die die 150 Jahre alte Bank völlig umkrempeln könnte. Für Cerberus ist der angekündigte Doppelrückzug ein beeindruckender, wenn auch unvollständiger Sieg. Die nach dem mythischen dreiköpfigen Höllenhund benannte Private-Equity-Gesellschaft hat Kundengelder in Milliardenhöhe auf die Erholung deutscher Banken gesetzt und musste zusehen, wie der Wert ihrer Anteile sinkt.

"Einen starken Stellenabbau wird es bei der Commerzbank wohl ebenso geben wie eine Schrumpfung des Firmenkundengeschäfts", schrieben Analysten von Bloomberg Intelligence um Philip Richards am Montag. Es sei mit erheblichen Restrukturierungskosten zu rechnen.

Zielkes Vision

Der Bericht über Zielkes Sturz basiert auf Gesprächen mit mehr als einem Dutzend Personen, die direkte Kenntnis der Ereignisse haben. Eine Commerzbank-Sprecherin lehnte es ab, sich im Namen von Zielke und des Kreditinstituts zu äussern, ebenso wie ein Cerberus-Sprecher. Eine Regierungssprecherin lehnte eine Stellungnahme ebenfalls ab.

Die Gefahr für Zielkes Position bei der zweitgrössten börsennotierten Bank Deutschlands wuchs nach dem 26. September 2019 - dem Tag, an dem er seine letzte Aktualisierung einer drei Jahre zuvor vorgestellten Strategie präsentierte. Für den Bankchef war es eine Chance zu zeigen, dass er nach dem Verfehlen von Finanzzielen und dem Abbruch von Fusionsgesprächen mit der Deutschen Bank immer noch eine Vision entwerfen konnte.

Den grossen Wurf gab es nicht. Zielke setzte etwas stärker den Rotstift an, versprach 4'300 Stellenstreichungen und 200 Filialschliessungen und verkaufte zur Finanzierung der Massnahmen eines seiner profitabelsten Segmente. Sein Rentabilitätsziel einer Rendite auf das materielle Eigenkapital von mehr als 4 Prozent in vier Jahren liegt weit unter dem vieler anderer Banken.

Analysten und Investoren waren unbeeindruckt.

Cerberus startete eine Kampagne hinter den Kulissen. Matt Zames, der die Investments des Unternehmens in Banken und andere Finanzinstitute überwachte, traf sich mit der Commerzbank und bot die Hilfe seines Beratungsbereichs bei einer neuen Strategie an, einschliesslich tiefer gehender Kostensenkungen. Eine solche Hilfe hätte ihre Vorbild im Cerberus-Beratervertrag mit der Deutschen Bank.

Zielke und andere befürchteten jedoch, dass ein Beratungsmandat für ein Unternehmen, das auch Grossaktionär ist, Interessenkonflikte bergen könnte.

Wie Cerberus später angab, hinterliessen insgesamt 70 Treffen mit Führungskräften der Commerzbank letztlich das Gefühl konsequenter Beratungsresistenz.

Das US-Unternehmen stand unter Druck, weil seine Investments in deutsche Banken die Wertentwicklung seiner Fonds belasteten. Der Fonds Cerberus Institutional Partners VI aus dem Jahr 2015 lag im September im unteren Bereich seiner Vergleichsgruppe, wie von Bloomberg zusammengestellte Daten zeigen.

Die Aktien der Commerzbank haben rund 60 Prozent an Wert verloren, seit die Beteiligungsgesellschaft 2017 erstmals ihren Anteil von 5 Prozent bekannt gab. Dies ist eine katastrophale Performance für Kunden, die im Allgemeinen hohe Gebühren für ihre Anlagen in Private-Equity-Fonds zahlen. Der Spielraum von Cerberus, Zielke zum Handeln zu zwingen, war allerdings begrenzt. Der Finanzinvestor hält an der vom Staat kontrollierten Aktiengesellschaft nur ein Minderheitsbeteiligung. Die einzige Möglichkeit, Veränderungen herbeizuführen, bestand darin, Berlin zu überzeugen versuchen, ohne dabei gegen deutsche Vorschriften zu verstossen, die den Aktionären eine Koordinierung ihrer Massnahmen verbieten.

Goldman-Jahre

Die Gesellschaft heuerte Thomas Schweppe an, einen ehemaligen Frankfurter Investmentbanker von Goldman Sachs, der inzwischen unabhängiger Berater für Aktivistenkampagnen ist und auch für Elliott Management von Paul Singer arbeitet. Schweppes Zeit bei Goldman überschnitt sich mehrere Jahre lang mit der von Jörg Kukies, der nun als Finanzstaatssekretär eine Schlüsselrolle bei der Entscheidung über die Zukunft der Commerzbank spielte und zuvor eine Fusion zwischen dem Kreditinstitut und der Deutschen Bank ermutigt hatte.

Im Oktober hatte die Regierung die Boston Consulting Group beauftragt, einen Umstrukturierungsvorschlag vorzulegen. Bei einem kurzen Treffen Mitte März in Berlin wurden die Ergebnisse mit Zielke, Schmittmann und Finanzvorstand Bettina Orlopp besprochen. Die Führung der Bank argumentierte, dass ihre neue Strategie viele der Vorschläge von BCG widerspiegeln würde.

Unzufrieden mit dem Ergebnis ersetzte die Regierung ihre beiden Vertreter im Aufsichtsrat der Commerzbank durch neue Mitglieder, von denen sie erwartete, dass sie härtere Fragen stellen würden. Jutta Dönges, die die Beteiligung des Bundes an der Commerzbank direkt verwaltet, und Frank Czichowksi, ehemaliger Treasurer bei der staatlichen KfW Bank. Dönges hatte ungefähr zur gleichen Zeit wie Kukies und Schweppe bei Goldman Sachs in Deutschland gearbeitet.

Kontrollverlust

Kurz darauf änderte sich der Ansatz der Buyout-Gesellschaft. Die Firma hatte jahrelang still hinter den Kulissen gearbeitet und Meinungsverschiedenheiten mit dem Management unter Verschluss gehalten. Anfang Juni schickte die Firma jedoch einen bitter-bösen Brief an die Commerzbank, in dem sie zwei Sitze im Verwaltungsrat forderte und mit einer Aktionärsrevolte drohte.

Die Commerzbank lehnte das Ansinnen ab und spielte auf Zeit, während Zielke daran arbeitete, ein realistisches Gewinnziel zu präsentieren, das für die Top-Investoren akzeptabel ist. Ende Juni war er bereit, etwa die Hälfte der bestehenden Niederlassungen zu schliessen und ein Viertel der Belegschaft abzubauen. Das Okay dafür wurde auf einer Aufsichtsratssitzung am 1. Juli erwartet.

Zielkes ohnehin schon schwache Machtposition schwand rasch weiter. Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat waren verärgert, an den Gesprächen nicht beteiligt worden zu sein. Sie kündigten an, vehement gegen die Streichungen zu kämpfen, und forderten eine Verschiebung der Aufsichtsratsitzung, weil sie die Sitzungsunterlagen nicht rechtzeitig erhalten hätten.

Der Vorsitzende Schmittmann sagte, die Dokumente hätten sich verzögert, weil die Regierung die Strategie nicht abgesegnet habe. Das Treffen wurde schliesslich auf den 8. Juli verschoben, wobei Zielke immer noch verzweifelt daran arbeitete, Berlin von seinem Plan zu überzeugen.

Am Ende kam diese Unterstützung nie und sowohl Zielke als auch Schmittmann erkannten die Zeichen der Zeit und boten ihren Rücktritt an. Die Suche der Bank nach Nachfolgern hinterlässt erst einmal ein Machtvakuum.

(Bloomberg)