Coronavirus
Kanzler Kurz kann sich freuen: Österreich steht besser da als die Schweiz

In Österreich sinkt die Arbeitslosenquote stärker als in der Schweiz, sagen die Experten des Ländervereins OECD.

Niklaus Vontobel
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Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat das mit dem Coronavirus gut gemacht, wie es scheint.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat das mit dem Coronavirus gut gemacht, wie es scheint.

Hans Punz / APA/APA

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hat sich für sein Krisenmanagement oft gleich selbst gelobt. Doch auch die Experten des Ländervereins OECD erkennen hinter dem Marketingschein einen Erfolg. Sie erwarten für Österreich einen der geringsten Anstiege der Arbeitslosenquote aller Industriestaaten. Damit lässt Österreich die Schweiz deutlich hinter sich.

Die Schweiz macht es gut, Österreich noch besser. Dieses Fazit lässt sich den Prognosen entnehmen, die der Länderverein OECD diese Woche veröffentlicht hat. Österreich gelingt im Herbst eine Wende. Die Arbeitslosenquote nimmt nicht mehr zu, Ende 2021 liegt sie knapp unter 5 Prozent. Die Schweiz wartet länger auf die Wende und erholt sich langsamer. Ende 2021 ist die Arbeitslosenquote bei 6 Prozent.

Rückstand auf Deutschland galt lange als unmöglich

Damit hat die Schweiz zum ersten Male eine deutlich höhere Arbeitslosenquote als Österreich. Jahre mit einem Rückstand gab es zwar schon zuvor, etwa in den 90er-Jahren als die Schweiz eine lange Immobilienkrise durchlitt. Eine Differenz von über einem Prozentpunkt findet sich in den Zeitreihen zuvor nicht. Es wäre ein Rekord.

Österreich wäre schon das zweite Nachbarland mit der niedrigeren Arbeitslosenquote. Deutschland liess die Schweiz schon 2015 hinter sich. Das sei so «zum ersten Mal seit Menschengedenken», sagte damals der Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds. «Noch vor kurzem hätte dies als völlig unmöglich gegolten.» Seither ist der Rückstand nur gewachsen. Ende 2021 ist Arbeitslosenquote laut OECD-Prognose in der Schweiz um 2 Prozentpunkte höher als in Deutschland. Auch das ist ein Rekord.

«In Deutschland und in Österreich hat sich die Krise weniger stark ausgewirkt auf die wirtschaftliche Aktivität als in der Schweiz», sagt die zuständige OECD-Ökonomin auf Anfrage. In Österreich sei der Lockdown kürzer gewesen als in Deutschland und in der Schweiz. Darum gehe dort die Wirtschaftsleistung weniger stark zurück.

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Damit bestätigt die OECD, wofür sich Kanzler Kurz selber lobt. Schnell und entschlossen habe man reagiert, vermeldete er auf dem Nachrichtendienst Twitter. «Wir können nun früher als andere wieder hochfahren und rascher aus der Krise kommen.» Deutschland wiederum hat die Wirtschaft im Lockdown weniger eingedämmt als andere europäische Länder. Ein leistungsfähiger Gesundheitssektor habe dies ermöglicht und umfangreiches Testen. Darum waren etwa die Konsumenten oder die Bauwirtschaft weniger stark eingeschränkt. Und Deutschland lanciert zwei riesige Konjunkturprogramme, im Wert von 8,3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung.

Krise verharmlost: USA mit schlechtesten Aussichten

Sonst erhält die Schweiz oft Lob. Ein Personalvermittler bescheinigt ihr, sie sei absolut top in der Krisenbewältigung. Eine Privatbank attestiert ihr die schnellste Erholung von allen Industriestaaten. Gemessen an den OECD-Prognosen kommt sie mittelmässig davon. In der Hälfte der Länder steigt die Arbeitslosenquote weniger stark an. Die schlechteste Entwicklung nehmen die USA, wo Präsident Donald Trump im Gegensatz zu Österreich-Kanzler Kurz die Krise bis heute verharmlost.

Ob die OECD richtig liegt – das wird man sehen. Die für die Schweiz zuständige Ökonomin sagt selber, die Unterschiede zu Österreich und Deutschland seien nicht riesig gemessen an der grossen Unsicherheit. Doch auch die KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich rechnet für 2021 noch mit einer Arbeitslosenquote von um die 6 Prozent. Für Österreich erwartet das Institut für Wirtschaftsforschung Wifo dagegen nur um die 5 Prozent.

Ein Zehntel der Betriebe sieht Existenz gefährdet

Auch sonst ist nicht klar, wie gut die Schweiz die Krise meistert. Die Löhne sind schon von 2016 bis 2019 kaum gestiegen, in einigen Branchen gefallen (Siehe Tabelle). Aus dieser Lohnstagnation bricht die Schweiz nun aus, aber nur kurz. 2020 steigen die Löhne um 0,3 Prozent und die Preise fallen. So kann man für den Lohn durchschnittlich 0,9 Prozent mehr kaufen. Schon 2021 droht der Rückfall in die Lohntristesse. Nach Abzug der Teuerung bleibt laut Prognosen kaum mehr etwas übrig.

Viele Betriebe haben zu kämpfen. In einer Umfrage der KOF Konjunkturforschungsstelle geben im Juni schweizweit knapp 9 Prozent an, ihre Existenz sei gefährdet. In den Kantonen Genf und Neuenburg sind es um die 19 Prozent. Im Detailhandel sind es 18 Prozent unter jenen Betrieben, die keine Nahrungsmittel anbieten. Also etwa im Verkauf von Kleidern.

Und die Unternehmen sparen. Die Reserven werden fürs Überleben gebraucht. Laut Umfragen investieren die Betriebe weniger in Ausrüstungen, noch weniger in Forschung und Entwicklung. Der Direktor der KOF, Jan-Egbert Sturm, sagt: «Wie anderen Ländern auch droht der Schweiz eine Investitionsschwäche, die auch dem Aufbau von Arbeitsplätzen hemmt.»