Strafprozess am Landgericht Tödliche Messerstiche in Saarbrücken: Motiv der Bluttat bleibt weiter im Dunkeln

Saarbrücken · Es war eine Orgie der Gewalt. Mit 32 Stichen und Schnitten eines Messers hat ein junger Afghane einen Landsmann umgebracht. Warum er das getan hat, das will der Mann vor Gericht nicht sagen.

 Eine Büste der Justitia an der Fassade des Landgerichts Krefeld. Symbolfoto.

Eine Büste der Justitia an der Fassade des Landgerichts Krefeld. Symbolfoto.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Wegen Totschlags und versuchter gefährlicher Körperverletzung muss sich ein 23 Jahre alter Afghane vor dem Landgericht verantworten. Er soll am Abend des 14. April 2019 in Saarbrücken einen befreundeten Nachbarn besucht und dann auf den Mann mit einem Einhandmesser eingestochen haben. Das Opfer starb im Flur vor seiner Wohnung an den massiven Folgen von 32 Stichen und Schnitten in den Oberkörper. Im Anschluss an diese Tat soll der mit Blut beschmierte Angeklagte zu einem anderen Bekannten in der Landeshauptstadt gegangen sein und geklingelt haben. Als der 24-Jährige öffnete, habe der Angeklagte mit dem Messer in seine Richtung gestochen - ohne zu treffen. Der Mann rief die Polizei. Die Beamten konnten den Angeklagten festnehmen. Er hatte das blutige Messer noch dabei.

Die Freunde und Bekannten des 23-Jährigen reagierten fassungslos auf die Bluttat. Sie beschrieben den Angeklagten vor Gericht als einen offenen, freundlichen Menschen mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. Er sei nie aggressiv oder gewalttätig gewesen. Im Gegenteil. Beim Fußballspielen sei er nach einem Foul einfach gegangen - weil es so nicht spielen wollte. Auch auf der Arbeit und in der Berufsschule gab es lange keine Probleme. Aber etwa ein/zwei Monate vor der Tat habe sich der junge Mann verändert. Er habe sich zurückgezogen, körperlich vernachlässigt, sei nicht mehr zur Arbeit oder zur Schule. Eine Erklärung dafür hatten die meisten Zeugen nicht. Andere sprachen von möglichem Mobbing in sozialen Netzwerken.

Davon berichtete auch der Angeklagte vor Gericht. Er schilderte, dass sich seine bisherigen Freunde über ihn lustig gemacht hätten. Sie hätten ihn als einen Homosexuellen dargestellt, der mit Frauen nicht klar komme. Sie hätten sogar ein Video geteilt mit schlimmen Aufnahmen von ihm. Deshalb habe er sich überall geschämt. Deshalb habe er sich zurückgezogen und niemanden mehr angesehen. Um welche Vorwürfe es genau ging? Und was es mit dem Video auf sich hatte? Immer wieder fragten die Richter nach. Und immer wieder sagte der Angeklagte: „Ich will das nicht sagen.“ Es sei zu schlimm. Es sei unfassbar, was die Menschen, seine Freunde, ihm angetan hätten. Darunter habe er lange Zeit gelitten und mit keinem mehr geredet.

Kurz vor der Tat schien der Angeklagte wieder Tritt zu fassen. Er hatte vor, am Montag zur Arbeit zu gehen. Und er folgte am Sonntagabend einer Einladung seines Nachbarn und Freundes zum Abendessen. Der Freund habe gekocht, man habe geredet. Das Messer habe auf dem Tisch gelegen. Dann sei es passiert, so der Angeklagte: Der Freund habe so viele Dinge gesagt. So schlimme Dinge, dass er ausgerastet sei. Es habe nur eine Minute gedauert. Es könne so viel in einer Minute passieren. Dann sei der Freund weggelaufen und im Flur hingefallen.

So weit die Erzählung des Angeklagten. Er beschrieb dabei die Ereignisse so, wie er sie aus subjektiver Sicht erlebt hatte. Ob dies alles objektiv richtig ist, bleibt zweifelhaft. Unter Umständen könnte es die „schlimmen Dinge“, die zu der brutalen Bluttat führten, ganz oder teilweise nur in der Vorstellungswelt des Angeklagten gegeben haben. Die Richter des Landgerichts werden an den nächsten Prozesstagen versuchen, diese und andere Fragen zu der Tat und deren Hintergründen zu klären. Dabei wird ihnen auch ein psychiatrischer Gutachter helfen. Ein Urteil wird frühestens Ende des Monats erwartet.

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