Portugiesische Sozialisten wollen ohne Linksradikale weiter regieren

Bild: Psmafamudevng/CC BY-SA-3.0

Obwohl der Wahlsieger Costa weit hinter einer absoluten Mehrheit blieb, will er gestärkt ohne Absprachen mit linksradikalen Partnern regieren

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"Die Portugiesen mögen die Geringonça", hatte der Wahlsieger António Costa noch in der Wahlnacht seinen jubelnden Anhängern in Lissabon erklärt. Doch nun will er das bisherige Regierungsmodell begraben, gab seine Partei nach Gesprächen mit dem marxistischen Linksblock (BE), der grün-kommunistischen Koalition CDU und "Livre" (Frei) bekannt, die erstmals ins Parlament eingezogen ist. Statt sich weiter auf linksradikale Partner zu stützen, mit denen er trotz erheblichen Widersprüchen Portugal vier Jahre stabil regiert hat , wollen Costas gestärkten Sozialisten (PS) als Minderheitsregierung ohne feste Absprachen mit den Linksradikalen anführen.

Dabei schielt Costa auf den Nachbar Spanien, wo Pedro Sánchez aber mit diesem Vorhaben gescheitert ist, im November zum zweiten Mal in diesem Jahr, und wo zum vierten Mal in nur vier Jahren gewählt werden muss. Auch der schielt ständig nach rechts, wo der Wunschpartner Ciudadanos (Bürger) sitzt und genau das hat auch Costa im Sinn, der lieber auf Stimmen der geschwächten Rechten setzt, als auf stabile Unterstützer links von der PS.

Dabei war bei den Wahlen am 6. Oktober das Modell gestärkt worden, was geringschätzig als "Geringonça", also "schräges Konstrukt" oder "unbegreiflich" genannt wird. So wurde Costas Versuch nach den Wahlen 2015 bezeichnet, als Wahlverlierer mit Hilfe linksradikaler Parteien an die Macht zu gelangen. Denn mit gut 32% war seine PS nur zweitstärkste Kraft hinter den beiden Rechtsparteien PSD und CDS geworden, die 2015 in einer Koalition antraten. Sie wollten darüber ihre Aussichten, erneut zu regieren, steigern und kamen auf gut 37%.

Fast alle hatten angesichts einer bis dato zerstrittenen Linken erneut eine rechte Minderheitsregierung erwartet. Kaum jemand hätte einen Pfifferling darauf verwettet, dass eine Unterstützung durch zwei zerstrittene linksradikale Parteien, zudem für einen Sozialisten, möglich werden könnte. Als dieses "unbegreifliche" Konstrukt stand, gaben ihm viele Beobachter als Verfallsdatum die ersten Verhandlungen über den Haushalt.

Doch diese Hürde nahm der tolerierte Costa leicht. Er regierte - trotz der Widersprüche zu seinen Partnern - das Land stabil. Die Linke konnte es gemeinsam aus dem Schlamassel ziehen, in dem die konservativen Vorgänger es in den "Rettungsjahren" versenkt hatten. Das haben die Portugiesen bei diesen Wahlen belohnt. Vor allem Costas PS konnte die Ernte dafür einfahren, dass die Arbeitslosigkeit von 14% auf gut 6% gesenkt wurde, das Land kein Haushaltsdefizit mehr sondern im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr einen Überschuss von fast 2% hatte.

Das wurde durch ein nachhaltiges Wachstum möglich, das auch auf der stabilen Binnennachfrage basiert. Es wurde durch Steigerungen von Löhnen und Renten und durch Senkung von Steuern sowie der Abschaffung von Sondersteuern gestärkt, die während der Krisenjahre erhöht oder neu geschaffen worden waren. So gewann Costas PS mit 37% klar, während die Rechte abstürzte, die nun wieder getrennt ins Rennen ging. Lag die CDS 2009 und 2011 bei 10 bis 11% brach sie auf gut 4% ein und verlor 14 der 19 Sitze. Etwas besser sah es für die PSD aus, die sich auf früheren 28% behaupten konnte. Insofern ist es falsch, wenn Costa von deren "historischen Niederlage" spricht. Trotz allem ist der PSD-Chef Rui Rio angezählt. Sein möglicher Rücktritt steht im Raum und in der Partei hat der Machtkampf begonnen, es wird in der Partei schon von einer "Rettung" gesprochen, die andere anführen müssten

Wirklich zufrieden mit dem Ausgang der Wahlen war nur die linke Tierrechtspartei PAN, die mit 3,3% gestärkt wurde. Sie hatte ebenfalls bisher Costa gestützt und hat nun vier Sitze. Die PS ist etwas enttäuscht, denn sie hatte auf eine absolute Mehrheit gehofft oder erwartet hatten, wenigstens mit den PAN-Stimmen eine zu erhalten. Auf linksradikale Stimmen angewiesen zu sein, gefällt vielen nicht. Man wollte die Hände frei haben, da man viele Zugeständnisse machen musste. Das führte letztlich zum "portugiesischen Wunder", wie das einige Beobachter fälschlicherweise nennen. Denn es wurde nur eine Politik des gesunden Menschenverstands umgesetzt und der verrückte Austeritätskurs abgebrochen.

PS will weitere Zugeständnisse an die Linken gering halten und nimmt dafür Instabilität in Kauf

Eigentlich würde Costa nur noch einen linksradikalen Unterstützer für eine stabile Regierung benötigen. Doch seine PS will das nicht mehr, hat sie nach den Konsultationen deutlich gemacht hat. Aus der Bereitschaft der linksradikalen Parteien, für Stabilität einzutreten, leitet sie ab, dass sie allein regieren kann und weitere "vier Jahre politische Stabilität" für die "Entwicklung des Landes, für Vertrauen und Wachstum" sorgen kann. Die PS meint, so die "Glaubwürdigkeit nach außen" steigern zu können, der sie eine "besondere Bedeutung" zuschreibt. Costa will weitere soziale Zugeständnisse ganz offensichtlich so gering wie möglich halten.

Der Linksblock, der seine Ergebnisse mit knapp 10% verteidigen konnte, womit sich der BE als drittstärkste Kraft konsolidieren konnte, hatte ihm schnell eine erneut Zusammenarbeit angeboten, um für Stabilität zu sorgen. Die Chefin des "Bloco" Catarina Martins ist erstaunt über die PS, da man in vier Jahren gezeigt habe, dass man "politische Turbulenzen" aushalten könne. "Die PS setzt den Endpunkt für die Geringonça", erklärt Martins im Interview mit dem Parteiorgan "Esquerda". Für sie hat das bisherige Modell allerdings "Rückschritte verhindert und einen stabilen Weg unter Respekt von sozialen Rechten" garantiert.

BE und die Kommunistische Partei Portugals (PCP) hatten für eine neue Übereinkunft aber klare Bedingungen gestellt, die der PS nicht passen. Reste der Verschlechterungen sollten fallen, die von der Troika über die Konservativen durchgesetzt wurden, wie unbezahlte Überstunden und Urlaubskürzungen. Die BE forderte einen Fahrplan, um den Mindestlohn deutlich zu erhöhen, den die PCP auf 850 Euro angeben will. Gefordert wurde auch die Rücknahme der Arbeitsmarktreform, die die PS schon in der vergangenen Legislaturperiode mit rechten Stimmen durchgedrückt hatte.

Aber Costa schielt nach rechts, wie es die PCP befürchtet hatte, die federführend hinter der CDU steht. Im Telepolis-Gespräch hatte das Mitglied des Zentralkomitees Pedro Guerreiro einen Rechtsschwenk erwartet, wenn es die Wahlergebnisse ermöglichen. Die PS habe nicht mit der Troika-Politik gebrochen und einst das Memorandum mit der EU-Kommission, der Europäische Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) gestützt, merkte er an. Sie sei bisher nur bereit gewesen, "sich ein Stück von ihrer Politik aus der Vergangenheit zu verabschieden". In ihrer Essenz habe sie sich nicht verändert. "Sie war gezwungen."

Das Problem der CDU ist, dass sie sich eine Stärkung erhofft hatte, um Costa zu mehr zu zwingen. Aber die grün-kommunistische Koalition hat erneut Stimmen verloren. Für Guerreiro waren die Kommunisten Opfer einer Diffamierungskampagne, die sich vor den Wahlen verschärft habe. "Es ist klar, dass die Erfolge den reaktionären Kräften im Land und Interessen des Kapitals ein Dorn im Auge sind." Die Koalition kam statt auf 8,3% nun nur noch auf 6,5% und büßte fünf 17 Sitze ein. Offensichtlich konnte sie den Wählern nicht klar machen, welche bedeutsame Rolle sie gespielt hat.

Einige ihrer Wähler sind offenbar nicht wählen gegangen, denen die Unterstützung der PS ein Dorn im Auge war oder die Erfolge zu bescheiden ausfielen, und es fällt der Partei offensichtlich schwer, an junge Leute anzudocken, was dem Linksblock gelingt. Auch hier stellt sich die Frage nach einer Erneuerung und einem Führungswechsel, schließlich ist der Generalsekretär Jerónimo de Sousa schon deutlich über 70 Jahre alt. Klar ist nun, dass auch Portugal deutlich instabilere Zeiten bevorstehen, da sich die linksradikalen Kräfte nun gegenüber der PS profilieren müssen. Genau das provoziert Costa mit seiner spanischen Linie nun. So ist die Frage, ob nun real ein "schräges Konstrukt" ansteht, das den Wählerwillen nicht abbildet und nur schwer überlebensfähig ist.