Iran: Der Effekt der US-Sanktionen?

Großer Basar in Teheran. Bild: Hansueli Krapf/CC BY-SA 2.5

Rohani bezeichnet sie als "Zeichen geistiger Behinderung"; es sieht nicht so aus, als ob die USA mit ihrer Strategie auf der Gewinnerbahn sind

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Auch in Teherans Führung versteht man etwas von Entertainment. Nun werden dem Weißen Haus "Zeichen geistiger Behinderung" vorgehalten. Der iranische Präsident Rohani äußerte dies in einer Fernsehansprache als Reaktion auf die neuen Sanktionen aus Washington, die er als "verzweifelte Maßnahmen" einstuft.

"Das Weiße Haus ist von mentaler Retardation befallen und weiß nicht, was es tun soll", wird Rohani etwa von Ha'aretz zitiert. Die Wiedergabe deutscher und internationaler Medien ist ganz ähnlich.

Möglich, dass Kenner der iranischen Landessprache Farsi dazu noch die ein oder andere Nuance beisteuern könnten, an der grundlegenden Aussage, die auf Trump zielt, wird dies nichts Entscheidendes ändern. Sie wird ihren Beifall in der Region, nicht nur in Iran, finden. Man kann davon ausgehen, dass es sich dabei nicht um einen kleinen Teil der Bevölkerung und der politischen Sphäre handelt.

(Nachtrag: Mittlerweile hat Trump auf das "ignorante und verletzende Statement aus Iran" reagiert. Seiner Meinung nach zeige dies, dass man dort, adressiert ist dies an die Führung, die Realität nicht verstehe. Zugleich drohte er mit einem überwältigenden Militärschlag, falls Iran einen Angriff gegen "anything American" unternehme. In manchen Zonen könnte dies einer Auslöschung gleichkommen, twitterte er ("in some areas, overwhelming will mean obliteration").

"Idiotisch"

Rohani bezichtigte die USA der Lüge, so der Spiegel, da sie, anders als behauptet, gar keinen Dialog wollen. Dies würden Sanktionen deutlich machen, die gegen den obersten Führer, Khamenei, verhängt wurden ("unverschämt", so Rohani). Wie soll man erklären, dass die USA ein Gespräch suchen und dann auch den iranischen Außenminister sanktionieren? Das sei doch "idiotisch", meint der iranische Präsident.

Der US-Sondergesandte für Iran, Brian Hook, hatte am Montag erklärt, dass Trump bereit sei, einen neuen Deal für Iran auf den Tisch zu legen. Der Nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, sprach davon, dass Iran nur durch eine "offene Tür" zu gehen brauche.

Allerdings äußerte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Abbas Mussawi, dass die Sanktionen gegen die beiden Spitzenvertreter des iranischen Staates die diplomatischen Türen dauerhaft verschließen würden.

Ist der Gegner eine Nummer zu groß?

Am gestrigen Montag wurden neue Sanktionen gegen den obersten Führer Irans sowie "einige andere Topvertreter Irans" verhängt, die verhindern sollen, dass sie "das internationale Banksystem oder finanzielle Transfermittel von europäischen Ländern oder anderen Ländern" (New York Times) nutzen können.

Die US-Zeitung wertet die Sanktionen als größtenteils symbolisch, da die iranischen Vertreter höchstwahrscheinlich keine substantiellen Vermögenswerte, wenn überhaupt, in internationalen Banken halten würden. Der Druck, der dadurch ausgeübt würde, sei minimal. Die New York Times sieht Anzeichen dafür, dass die US-Regierung ökonomisch nicht mehr viel im Repertoire hat.

Es sieht im Augenblick ganz danach aus, als ob der Gegner Iran für Trumps politische Methoden eine Nummer zu groß ist. Den komplizierten Machtverhältnissen in Iran steht eine Administration in Washington gegenüber, die sich als wenig gut unterrichtet zeigt - falls sie denn tatsächlich der Ansicht ist, dass Sanktionen die iranische Führung dazu bringen, dass sie aus einer Position der Schwäche heraus zu Verhandlungen bereit ist. Dagegen spricht sehr vieles.

Regime Change - Das Ziel der "härtesten Sanktionen der Welt"?

Unzweifelhaft spüren Iraner bittere Auswirkungen der Sanktionen. Aber Landeskenner machen auf eine Schwierigkeit aufmerksam, die in Berichten wenig zur Sprache kommt: nämlich die Unterscheidung zwischen Auswirkungen der Wirtschaftskrise, die schon einige Zeit andauert, und denen der Sanktionen. Erinnert sei an die Proteste Anfang 2018. Damals, also mehrere Monate vor Aufkündigung des JCPOA-Abkommens durch die USA und der Verhängung der "härtesten Sanktionen aller Zeiten" berichtete Gerrit Wustmann an dieser Stelle:

Im Land brodelt es gewaltig. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 12,4 Prozent, die Inflation verteuert die Lebenshaltungskosten massiv, Preise für Lebensmittel sind in den letzten Monaten um teils 50 Prozent gestiegen. Zugleich stagnieren die Löhne, die Ungleichheit nimmt zu und Sozialleistungen wurden gekürzt.

Fast die Hälfte der iranischen Bevölkerung lebt unter oder nur knapp über der Armutsgrenze. Die Menschenrechtslage ist katastrophal. Kaum ein Land verhängt so viele Todesurteile wie Iran. Regierungskritiker sind massiven Repressionen ausgesetzt. In den Gefängnissen wird systematisch gefoltert.

2015 war Präsident Rohani noch gefeiert worden für das Gelingen des Atomdeals, der die internationalen Wirtschaftssanktionen beenden und eine Öffnung des Landes befördern sollte. Dieser Erfolg war ein maßgeblicher Grund für Rohanis Sieg bei der Wahl im Jahr 2016. Er versprach damals, die Wirtschaft anzukurbeln und die repressiven Gesetze zu lockern. Beides ist bislang aber kaum geschehen.

Proteste in Iran: Gefahr für das Regime?

Auch wenn manche in den Protesten den Anfang vom Ende der Teheraner Führung vermuteten, so bewahrheitete sich das bislang nicht. Und man kann die These aufstellen, dass auch die weitere Verschlechterung durch die Effekte der Sanktionen keinen "Regime Change" zur Folge haben wird, auch wenn die Lage gegenwärtig als dramatisch schlecht geschildert wird.

Der Wert der iranischen Währung sei um über 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen, die Inflation liege bei 37 Prozent und die Kosten für Nahrungsmittel und Medizin seien deutlich angestiegen - zwischen 40 und 60 Prozent, berichtet die Deutsche Welle. Die Jugendarbeitslosigkeit liege bei annähernd 30 Prozent und dies in einem Land, wo 60 Prozent der 80 Millionen Bewohner unter 30 Jahre alt sind.

Die Preise für Milch, Käse und Eier seien um 37 Prozent gestiegen, der für Fleisch und Geflügel um 57 Prozent, bei Gemüse sollen es 47 Prozent sein, kann man auf der World Socialiste Web Site nachlesen und wer anschaulich vor Augen geführt bekommen will, wie sich der "verheerende Aufschlag" der Sanktionen konkret zeigt, der kann dies beim Schriftsteller Salar Abdoh, der in Teheran lebt, in der New York Times erfahren.

Keine Frage, da ist ein Wirtschaftskrieg im Gange, dessen Härten, anders als es die US-Regierung behauptet, eben nicht die Führung treffen, sondern die Bevölkerung; fraglich ist aber, ob der Druck sich, wie es sich die US-Regierung wohl erhofft, gegen die Führung in Teheran richten wird.

Mehrheit eher gegen die USA

Vieles spricht dafür, dass sich die Empörung der Mehrheit eher gegen die USA richtet, weil deren Führung erneut bestätigt, was den USA schon seit Jahrzehnten vorgeworfen wird: Arrogante und ignorante Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder, von deren Eigenheiten sie nichts verstehen wollen.

Dass sich die USA mit ihren Ausnahmeregelungen zu dem von ihnen verhängten Embargo des iranischen Öls zum Richter der Exportpolitik eines Landes machen, würde als besonders empörend empfunden, berichten Nahost-Beobachter, nicht nur in Iran, wie hinzugefügt wird.

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Auch das spricht nicht dafür, dass die iranische Bevölkerung nun versucht, das ganze System zu ändern, um Wünschen der US-Führung nachzukommen. Zumal es, wie hierzulande aber nur spärlich berichtet wird, innerhalb des iranischen politischen Systems nicht "monopolitisch" zugeht. Es gibt verschiedene Lager, auch in der Wirtschaftspolitik.

Sind die Sanktionen also "sinnlos"? Nein, meint der arabische Journalist Abdel Bari Atwan, auf den Moon of Alabama verlinkt. Sie seien darauf angelegt, die Spannungen so aufzuheizen, dass die USA Milliarden an Rüstungsgeschäfte mit den Golfstaaten verdient.