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Nick Clegg in Berlin Facebooks "Außenminister" verlangt neue Regeln für das Internet

Er zählte zu den bekanntesten Gesichtern der britischen Politik, jetzt ist Nick Clegg im Namen Facebooks unterwegs. An diesem Montag trat er in Berlin auf - und gab auch Fehler der mächtigen Netzplattform zu.
"Das Internet hat die Tür zu einer komplett neuen Art der Kommunikation geöffnet", sagt Nick Clegg

"Das Internet hat die Tür zu einer komplett neuen Art der Kommunikation geöffnet", sagt Nick Clegg

Foto: imago images/ ZUMA Press

Der ehemalige britische Vizepremier Nick Clegg ist seit acht Monaten Facebooks "Vice President of Global Affairs and Communications". Manche übersetzen das mit "Kommunikationschef", andere mit "Cheflobbyist". Auch "Außenminister von Facebook" wäre nicht ganz abwegig. Spätestens seit der Ankündigung, die eigene Währung "Libra" einzuführen, vergleichen manche das Unternehmen mit einem Staat - und zwar einem sehr mächtigen.

Clegg war Vorsitzender der britischen Liberaldemokraten, Europaabgeordneter und Parlamentarier im britischen Unterhaus. Jetzt redet der Ex-Politiker mit amtierenden Politikern über Facebook und dessen Zukunft.

Am Montag sprach er darüber in Berlin an der Hertie School of Governance. Neuigkeiten hatte er kaum zu verkünden, seine Rede bestand vor allem aus einer Verteidigung von Facebook und einer Forderung nach Regulierung durch die Politik, wie sie auch schon Facebook-Chef Mark Zuckerberg vorgebracht hatte.

"In etwas hineingetappt"

"Das Internet hat die Tür zu einer komplett neuen Art der Kommunikation geöffnet", sagte Clegg laut Redemanuskript, das dem SPIEGEL vorab vorlag. Facebook sei nach seiner Gründung "in etwas hineingetappt" und habe "eine Welle erwischt". Nach wenigen Jahren habe sich das Unternehmen "in einer neuen Welt wiedergefunden" - und die brauche neue Regeln. Die Passivkonstruktion dürfte Clegg absichtlich gewählt haben. Dadurch klingt es, als habe Facebook mit der Entstehung und dem Zustand des heutigen Internets nichts zu tun.

Er räumte danach durchaus einige Fehler ein, die Facebook gemacht habe. Beispielsweise "hat Facebook nicht immer genug darüber nachgedacht, wie seine Dienste von autoritären Regimen genutzt - oder besser: missbraucht - werden können". Eine Mitschuld am Ausgang des Brexit-Referendums wiederum könne Facebook mittlerweile ausschließen.

Der eigentliche Anlass für Cleggs Besuch in Berlin war der letzte in einer Reihe von Workshops  zu Facebooks Plan, ein unabhängiges Aufsichtsgremium aus rund 40 Experten verschiedener Bereiche zu gründen. An dieses Gremium sollen sich Nutzer direkt wenden können, wenn sie glauben, ihre Inhalte seien unrechtmäßig entfernt oder die Inhalte anderer seien zu Unrecht stehen gelassen worden. Aber auch Facebook soll ausgewählte Fälle vorlegen können. Wie das Gremium entscheiden wird, welche Fälle es sich näher ansieht, wenn es mit Anfragen überflutet wird, ist noch nicht ausgemacht.

Die Einzelfallentscheidungen der Experten sollen dann für das Unternehmen bindend sein. Außerdem sollen sie allgemeine Empfehlungen für Facebook daraus ableiten - die allerdings nicht zwingend umgesetzt werden müssten. Kurz: Facebook will sich eine Art Judikative einrichten, was wiederum an einen Staat erinnert.

Das Feedback aus den Workshops, sagte Clegg am Montag, "wird uns helfen, die finale Satzung (für das Aufsichtsgremium - Anm. d. Red.) auszugestalten, die wir später im Sommer veröffentlichen werden".

So soll das Gremium aussehen

Bisher sind folgende Eckpunkte zur Zusammensetzung angedacht: Facebook selbst wird die ersten 40 Mitglieder des Gremiums auswählen, was die Unabhängigkeit von vornherein infrage stellt. Ihre Nachfolger sollen die ersten 40 dann aber selbst bestimmen. Die Amtszeit beträgt drei Jahre, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Die Bezahlung wird vorher, einheitlich und unveränderlich festgelegt. Ehemalige Politiker sollen nicht aufgenommen werden. (In diesem PDF von Januar stehen weitere Details. )

Noch wichtiger als ein unabhängiges Aufsichtsgremium aber sind laut Clegg "Parameter" für Unternehmen wie Facebook, die von demokratisch kontrollierten Regierungen vorgegeben werden, statt von einem Privatunternehmen selbst. Und wenn das nicht bald geschehe, würden andere "die neuen Regeln des Internets schreiben", sagte Clegg, um dann kurz China und Russland zu erwähnen.