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Taxifahrer teilt gegen Scheuer aus "Schöne neue Welt der Mobilität - da muss ich lachen"

Von Christian Lüdemann
Die Regierung will Regeln für Uber und Co. lockern. Dagegen demonstrieren Taxifahrer wie unser Autor. Der Kleinunternehmer warnt vor Geschenken für Großkonzerne, die für die Gesellschaft teuer werden.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei einer Kundgebung von Taxifahrern

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei einer Kundgebung von Taxifahrern

Foto: Christoph Soeder/ dpa

Heute sind wir Taxifahrer wieder auf die Straße gegangen. Wir haben damit unseren Unmut über die Pläne von Verkehrsminister Andreas Scheuer kundgetan, der das Personenbeförderungsgesetz liberalisieren will. Dass wir für unsere Belange kämpfen können, haben wir schon vor einem Jahr bewiesen, als 350 Taxifahrer mit ihren Fahrzeugen in Hamburg gegen die geplante Einführung des Sammeltaxis Moia demonstrierten.

Nun sollen Shuttledienste wie Uber nach einer Fahrt nicht mehr zum Betriebshof zurück müssen - sie könnten Fahrgäste überall einsammeln und würden Taxis in diesem Punkt gleichgestellt. Doch das Taxi ist seit Jahrzehnten Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Es hat als Verkehrsmittel viele Pflichten und kaum Rechte. So gibt es eine Tarifpflicht und eine Personenbeförderungspflicht, die vor allem als Verbraucherschutzgesetze angesehen werden können. Fahrpreise sind verbindlich, egal ob zu Silvester oder bei Wetterkapriolen. Obwohl Kurzstrecken nicht sehr lukrativ sind, müssen auch sie gefahren werden.

Der selbstfahrende Unternehmer hat nach Abzug aller Kosten bestenfalls 25 bis 30 Prozent netto vom Fahrpreis als Ertrag. Angestellte Taxifahrer erwirtschaften selten mehr als fünf Prozent Marge. Trotzdem denke ich, dass 99 Prozent aller Taxifahrten für den Kunden zufriedenstellend ablaufen.

Dass für uns Taxifahrer von den Einnahmen so wenig übrig bleibt, hat mit den strengen Regeln zu tun, die für uns gelten. Wir zahlen ständig, zum Beispiel

  • für den Personenbeförderungsschein und die Verlängerung alle fünf Jahre,
  • die Taxikonzession und die Verlängerung alle fünf Jahre,
  • Kfz-Steuer und sündhaft teure Kfz-Versicherung,
  • jährliche TÜV-Untersuchung,
  • jährliche Eichung,
  • Beiträge für die Berufsgenossenschaft und Handelskammer,
  • Rundfunkbeitrag für gewerblich genutzte Fahrzeuge.

Dazu kommen Krankenkassenbeiträge, Beiträge für eine hoffentlich vorhandene Rentenversicherung und zuletzt Umsatzsteuer, Einkommensteuer und gegebenenfalls Gewerbesteuer.

All diese Kosten schmälern die Marge für Kleingewerbetreibende enorm, wir bekommen keinen Cent Subvention. Großkonzerne können mit ihren Milliardengewinnen problemlos neue Geschäftsfelder quersubventionieren.

Über den Autor
Foto: Christian Lüdemann

Christian Lüdemann (Jahrgang 1971) fährt seit 1993 Taxi und ist seit 2005 selbstfahrender Einzelunternehmer. Derzeit ist er mit einer Mercedes E-Klasse (Modell 2008) unterwegs. Der Vater zweier Kinder möchte auch zukünftig vom Taxifahren in seiner Heimatstadt Hamburg leben können.

Obwohl das Taxigewerbe mehrheitlich von der Hand in den Mund lebt, drängen ständig neue Mobilitätsanbieter und Mobilitätskonzepte auf den Markt. Sie wollen den Verkehr angeblich entlasten und Stau reduzieren und bieten ihre Dienstleistung unter dem Selbstkostenpreis an, was existenzbedrohend für das Taxigewerbe ist.

Mytaxi hat seit 2009 Verluste in Höhe von zig Millionen Euro eingefahren. Moia, das jetzt in Hamburg startet, will in den nächsten Jahren mehrere Hundert Millionen Euro in seinen Shuttledienst investieren. Uber hat das Geschäftsjahr 2018 mit 1,8 Milliarden Dollar Verlust beendet. Gleichzeitig plant das Unternehmen einen Börsengang und wird vorab mit rund 100 Milliarden Dollar bewertet. Zahlen, die der Durchschnittsbürger schlicht nicht mehr nachvollziehen kann. Selbstverständlich haben aber auch Unternehmen wie Clevershuttle, Car2Go und DriveNow bis dato noch keinen einzigen Cent verdient.


Wider besseres Wissen macht sich Verkehrsminister Scheuer aktuell zum Steigbügelhalter des US-Konzerns Uber. Einem Konzern, der für Hunderttausende Arbeitsverhältnisse im Prekariat überall auf der Welt steht und den ÖPNV in New York und San Francisco kannibalisiert hat. Die Uber-Präsenz hat in diesen Städten nicht zu weniger Staus geführt, sondern aufgrund attraktiver Fahrpreise die Kunden zu Tausenden aus Bussen und Bahnen abgezogen.

Lebenswerte Großstädte? Schöne neue Welt der Mobilität? Da muss ich lachen. In der Praxis ist genau das Gegenteil von dem eingetreten, was propagiert wird: Neue Mobilitätsanbieter, besonders wenn sie in Massen auftreten (Moia will in Hamburg bis Jahresende mit 500 Bussen fahren), sorgen für mehr Verkehr, für mehr Stau und reduzieren keinen einzigen Privatwagen.

Letztlich nutzt die Deregulierung, Liberalisierung und Kannibalisierung des bestehenden ÖPNV einschließlich Taxen nur wenigen Großkonzernen, die als künftige Monopolisten Preise diktieren werden, und sich vor allem die Rosinen aus dem Mobilitätskuchen picken. In der schönen neuen Welt holt bestimmt keiner mehr Lieschen Müller aus der Arztpraxis und fährt sie samt Gehwagen für 7,10 Euro nach Hause.

Abschließend mal Hand aufs Herz: Etliche Innovationen gibt es schon seit Jahren im Taxi. Kartenzahlung ist kein Problem mehr, mit Toyotas Modellen Prius, Prius + und Rav4 gibt es erste brauchbare Alternativen zum Diesel. Mit der Mytaxi-App bekommt so gut wie jeder Kunde innerhalb weniger Minuten ein Taxi und mit Mytaxi Match kann man sich sogar den Fahrpreis teilen.

Alles in allem fährt ein Taxi den Kunden aus dessen Sicht schon seit Jahrzehnten autonom zum Fahrziel, ganz oldschool mit einem Chauffeur. Und das nur nebenbei: Der Fahrer schlägt als Profi im Straßenverkehr die armselige Routenführung von Google Maps immer und überall.