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Demos in deutschen Städten "Lasst euch das Internet kurz erklären, bevor ihr es kaputt macht"

München, Berlin, Hamburg und Co.: Der Widerstand gegen die umstrittene EU-Urheberrechtsreform hat seinen Höhepunkt erreicht. In vielen deutschen Städten trugen Zehntausende den Protest vom Netz auf die Straße.
Demonstrationszug in Berlin

Demonstrationszug in Berlin

Foto: Paul Zinken/ DPA

Der Menschenstrom in Berlin will gar nicht enden. "Sehen so Bots aus?", steht auf den Schildern. Immer wieder prangt auf T-Shirts und Transparenten: "Wir sind keine Bots". Es ist der Slogan der Protestbewegung geworden, die Demonstranten spielen so darauf an, dass manche Politiker die vorhergegangene Flut an Protestmails gegen die umstrittene EU-Urheberrechtsreform als automatisiert und fingiert abgetan hatten. Spätestens dieser Samstag soll zeigen: Dieser Protest ist echt. Die Menschen dahinter sind echt.

In München demonstrierten nach Polizeiangaben etwa 40.000 Menschen, in Berlin beteiligten sich der Initiative "Save the Internet" zufolge schon früh rund 15.000 Menschen. Weil der Andrang größer war als erwartet, musste einer Polizeisprecherin zufolge die Demoroute geändert werden. In Hamburg gingen 6000 auf die Straße, auch in Hannover oder Düsseldorf waren es mehrere Tausend.

"Lasst euch das Internet doch wenigstens kurz erklären"

Am Potsdamer Platz waren es überwiegend junge Menschen, die sich sammelten und dann loszogen in einem immer größer werdenden Strom. Für manche war es die erste Demo - wie für die 17-jährige Schülerin Sophie. "Lasst euch das Internet doch wenigstens kurz erklären, bevor ihr es kaputt macht", stand auf dem Schild, das sie hochhielt. Sie traf damit den Ton, der auf der Demo herrschte: Die Politiker, die diese Urheberrechtsrichtlinie entworfen haben, kennen sich nach Meinung der Kritiker mit dem Internet nicht aus.

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Artikel 13 und Uploadfilter: So wurde in deutschen Städten protestiert

Foto: DPA / Sebastian Gollnow

Zu diesem Bild beigetragen hatten in den vergangenen Tagen und Wochen diverse Äußerungen des CDU-Politikers Axel Voss, der als Berichterstatter die Reform vorangetrieben hat - aber auch die Behauptung, die Protestierenden seien entweder gar nicht echt oder von YouTube beziehungsweise Google instrumentalisiert und hätten von der Materie keine Ahnung. "Es liefen sehr viele Videos zu dem Thema auf YouTube", sagt Sophie, "und ich hatte da schon das Gefühl, dass sich viele der YouTuber da schon sehr genau drüber informiert haben."

Mit der Reform, über die das Europaparlament am kommenden Dienstag abstimmt, will die EU das Urheberrecht an die heutige Zeit anpassen. Im Kern sollen Internetplattformen dazu gebracht werden, dass keine Inhalte bei ihnen auf den Seiten landen, für die die Urheber keine Lizenz erteilt haben. Besonders umstritten ist Artikel 13 der neuen Richtlinie. Demnach müssen die Plattformbetreiber verhindern, dass urheberrechtlich geschützte Werke auf ihren Seiten zugänglich sind. Kritiker fürchten, dass Kontrollen dann nur über Software möglich sind, sogenannte Uploadfilter, und warnen vor Zensur.

Viele misstrauen den Fähigkeiten solcher Software

So auch die 53-jährige Physikerin Heidi, die mit ihrer Familie im Berliner Demozug mitlief: "Im Moment geht es zwar um wirtschaftliche Interessen, aber mit so einer Infrastruktur ist natürlich auch politische Zensur machbar", sagt sie. "Ich bin der Meinung: Wenn so eine technische Möglichkeit erst einmal geschaffen ist, dann geht sie nicht mehr weg." So oder so sei davon auszugehen, dass die Plattformen eher zu viel blockten, wenn die haftbar gemacht würden.

Viele misstrauen auch den Fähigkeiten solcher Filtersoftware, da auch die bisher schon eingesetzten Systeme nicht zuverlässig funktionieren. Ein Zwillingspaar trug bei der Demo ein Schild: "Wenn Menschen uns schon nicht auseinanderhalten können, wie soll das dann ein Uploadfilter?"

Proteste waren am Samstag in etwa 40 deutschen Städten geplant. Auch in Frankreich, Österreich, vielen osteuropäischen und skandinavischen Ländern hatte die Initiative "Save the Internet" zu Kundgebungen aufgerufen.

SPD beschließt Papier gegen Updloadfilter

Der CDU-Europapolitiker Voss verteidigte die Reformpläne. "Wir wollen mit der EU-Urheberrechtsnovelle nichts anderes erreichen, als die Urheberrechte auch auf Internetplattformen besser zu schützen und durchzusetzen", sagte der Düsseldorfer der "Rheinischen Post" am Samstag. Es werde am kommenden Dienstag im EU-Parlament Änderungsanträge geben, beispielsweise den umstrittenen Artikel 13 herauszunehmen.

Die SPD beschloss auf ihrem Parteikonvent in Berlin am Samstag bei nur einer Gegenstimme ein Papier mit dem Titel "Ja zu einem starken Urheberrecht, Nein zu Uploadfiltern". Darin erklären die Sozialdemokraten, sie wollten ein Scheitern der Urheberrechtsreform verhindern. "Die Verwertung und Vergütung kreativer Inhalte darf jedoch nicht auf Kosten von Freiheitsrechten erfolgen." Daher müssten Uploadfilter verhindert werden.

Mit Material von dpa und AFP