Zum Inhalt springen

Gesetzesentwurf zu Strafrecht und Darknet "Paragraf würde Bürgerrechte sehr stark einschränken"

Das Darknet schützt wichtige Informanten, zieht aber auch Kriminelle an. Der Bundesrat hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der härtere Strafen für manche Plattform-Betreiber vorsieht. Kritiker sehen das freie Internet in Gefahr.

Update, 15.30 Uhr: Der Bundesrat hat am Freitag einen Gesetzesentwurf beschlossen, der es Ermittlern erleichtern soll, gegen Anbieter von Darknet-Diensten vorzugehen. Bayern hatte Verschärfungen gefordert, die allerdings nur zum Teil aufgenommen wurden.

Die von Nordrhein-Westfalen und Hessen vorangetriebene Gesetzesinitiative  sieht vor, dass Betreiber auch bestraft werden, wenn sie ihre Leistungen im Ausland anbieten, jedoch im Inland rechtswidrige Straftaten ermöglichen. Zudem sollen Strafverfolgungsbehörden von Postdienstleistern Auskünfte über noch nicht zugestellte sowie bereits ausgelieferte Sendungen einholen dürfen.

Es folgt der ursprüngliche Text vom Freitagvormittag in unveränderter Form.


Wer sich im Darknet bewegt, surft unter dem Radar. Mit dem sogenannten Tor-Browser lassen sich Onlinedienste ansteuern, die sonst nicht erreichbar sind. Außerdem fällt es Behörden und Strafverfolgern schwerer als im World Wide Web (WWW), einem auf die Spur zu kommen. Für Whistleblower und Systemkritiker in autoritären Staaten ist das Darknet oft die einzige Chance, sich anonym zu äußern und zu informieren - seinen schlechten Ruf hat es daher nicht unbedingt verdient.

Doch die Aussicht auf Anonymität lockt auch Kriminelle an. Auf Portalen im Darknet wird mit Waffen, Drogen und Arzneimitteln gehandelt. Obwohl immer wieder Täter geschnappt werden, genügt das geltende Recht einzelnen Bundesländern nicht mehr.

Am Freitag stimmt der Bundesrat daher darüber ab, ob das Strafrecht im Hinblick auf Betreiber von Internetplattformen im Darknet verschärft werden soll. Das sind die fünf wichtigsten Fragen und Antworten zur Abstimmung:

Worüber wird abgestimmt?

Nordrhein-Westfalen und Hessen haben im Januar einen Gesetzesantrag im Bundesrat eingereicht, weil sie härter gegen Betreiber von Darknet-Angeboten durchgreifen können wollen. Dafür soll das Strafgesetzbuch um einen neuen Tatbestand ergänzt werden, den Paragrafen 126a (PDF ).

In dem Entwurf heißt es, dass künftig Nutzer bestraft werden können, die internetbasierte Leistungen anbieten, um Straftaten zu ermöglichen und deren "Zugang und Erreichbarkeit durch besondere technische Vorkehrungen beschränkt" ist. Den Plattform-Betreibern droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, wenn auf ihrer Seite etwa illegal mit Waffen oder Drogen gehandelt wird.

Warum fordern einige Länder härtere Strafen?

Die Länder begründen ihren Vorstoß damit, dass die Betreiber von Darknet-Portalen mit illegalen Produkten im Angebot einen "niedrigschwelligen Zugriff auf logistische Infrastrukturen für die Begehung von Straftaten" anbieten. Das stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, argumentieren sie, und das geltende Recht biete keine ausreichenden Möglichkeiten für eine angemessene Strafverfolgung.

Wenn es nach dem Rechtsausschuss im Bundesrat geht, soll das Gesetz sogar noch weiter verschärft werden. Die Mitglieder des Gremiums fordern, dass Paragraf 126a auf alle Seiten im Internet ausgeweitet werden soll. Außerdem sollen nicht nur Betreiber der Seiten bestraft werden, sondern auch Provider, die beispielsweise Server zur Verfügung stellen - ansonsten aber nichts mit dem Inhalt der Seiten zu tun haben. Zudem soll Strafverfolgern die Möglichkeit eingeräumt werden, Onlinedurchsuchungen durchzuführen.

Reichen aktuelle Gesetze nicht aus?

Wer ein Portal betreibt, auf dem illegale Waffen, Drogen, Arzneimittel oder Kinderpornografie angeboten werden, der muss auch schon nach heutigem Strafrecht mit Konsequenzen rechnen. Im "Elysium"-Fall etwa hat das Gericht vier Angeklagte zu langen Freiheitsstrafen verurteilt, weil sie Kinderpornografie zugänglich gemacht hatten. Der "Elysium"-Server wurde über den Tor-Browser angesteuert.

Auch nach dem Amoklauf in München im Jahr 2016 war ein Plattform-Betreiber angeklagt worden: Wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung hat das Landgericht Karlsruhe im Dezember einen Mann zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, auf dessen Darknet-Plattform der Amokläufer seine Waffe gekauft hatte.

Was stört Kritiker an dem Paragrafen?

Kritiker halten den Paragrafen für zu weit gefasst. Strafrechtsanwalt David Schietinger sagt im Gespräch mit dem SPIEGEL: "Der Paragraf würde die Bürgerrechte sehr stark einschränken." Seiner Meinung nach fielen zu viele Fälle darunter, da selbst Betreiber belangt werden könnten, die lediglich Speicherplatz zur Verfügung stellen. Kaum jemand würde sich so mehr trauen, eine Plattform im Darknet anzubieten. "Indirekt könnte mit dem neuen Paragrafen versucht werden, das Darknet sehr stark einzuschränken oder zu verbieten", sagt Schietinger. "Das ist nicht Sinn der Sache."

Für Bürgerrechtler, Journalisten und Whistleblower sei das Darknet eine durchaus sinnvolle Einrichtung, meint der Anwalt. Er findet, der Paragraf müsse viel genauer formuliert werden, da das Gesetz ansonsten "nicht verhältnismäßig" sei. Der Entwurf gefährde neben dem Darknet auch klassische Websites. Mit der Formulierung im Paragrafen 126a "könnte auch ein E-Mail-Anbieter oder der Betreiber einer klassischen Onlineplattform mit Passwortschutz gemeint sein", erklärt Schietinger.

Auch der Chaos Computer Club (CCC) kritisiert den Entwurf. Der Seite Netzpolitik.org sagte ein Sprecher , dass der Entwurf vorwiegend "Gummiparagrafen" enthalte. Das klare Ziel sei, Betreiber und Nutzer von Anonymisierungsdiensten zu kriminalisieren.

Betroffen könnten dann auch Websites sein, die ihr Angebot parallel im Darknet anbieten. Die "New York Times" etwa stellt ihre Artikel über einen Tor-Zugang bereit . Leser sollen damit auch in Ländern auf die Seite zugreifen können, in denen die Website blockiert wird und Standortdaten aufgezeichnet werden. Auch das soziale Netzwerk Facebook bietet einen Zugang über den Tor-Browser  an.

Was passiert, wenn der Bundesrat dafür stimmt?

Sollte eine Mehrheit im Bundesrat für eine Änderung des Gesetzes stimmen, wird der Antrag zunächst an die Bundesregierung weitergeleitet, die dazu Stellung nehmen kann. Innerhalb von sechs Wochen wird die Initiative dann an den Bundestag weitergeleitet, wo erneut darüber abgestimmt wird. Erst dann besteht die Möglichkeit, dass der Paragraf im Strafgesetz verankert wird.