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Lohnungleichheit im Sport Wut zur Lücke

Frauen verdienen meist weniger als Männer - gerade auch im Sport. Weltweit gibt es Beispiele, wie das geändert werden kann. Doch der Deutsche Fußball-Bund sieht aktuell keinen Handlungsbedarf.
Manuela Giugliano (Italien) und Lina Magull (Deutschland) beim Länderspiel im November 2018

Manuela Giugliano (Italien) und Lina Magull (Deutschland) beim Länderspiel im November 2018

Foto: imago/ foto2press

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Fußballer in der australischen Profiliga A-League. Dann kommen Sie laut der Global-Sports-Salaries-Studie 2018   im Durchschnitt auf ein Jahresgehalt von umgerechnet 113.000 Euro. Sind Sie ein Topstar wie Keisuke Honda von Melbourne Victory, verdienen Sie geschätzte 1,8 Millionen Euro pro Saison.

Nun stellen Sie sich vor, Sie sind eine Fußballerin in der australischen Profiliga W-League. Dann verdienen Sie der Studie zufolge durchschnittlich 11.000 Euro im Jahr. Wenn Sie eine Topspielerin sind wie Rachel Hill von Perth Glory, dann etwa 82.000 Euro. 1,8 Millionen Euro gegenüber 82.000 bei den Stars, 113.000 Euro gegenüber 11.000 beim Durchschnitt. Das ist das geschlechterspezifische Lohngefälle im australischen Sport - und nicht nur da.

Die Zahlen gehen aus einem Report der Organisation Male Champions of Change (MCC)   hervor. Gegründet wurde MCC von der früheren australischen Geschlechter-Diskriminierungsbeauftragten Elizabeth Broderick. Darin setzen sich männliche Führungskräfte das Ziel, den sogenannten "Gender Pay Gap", die Geschlechter-Einkommenslücke, zu schließen. Der Report beschreibt einen "Pathway of Pay Equality", einen Weg zur Lohngleichheit in 15 Schritten.

Vorbereitung auf ein Spiel in der australischen Profiliga W-League zwischen Brisbane Roar und Canberra United

Vorbereitung auf ein Spiel in der australischen Profiliga W-League zwischen Brisbane Roar und Canberra United

Foto: Ian Hitchcock/ Getty Images

Diesen haben jetzt die Chefs der größten Sportfachverbände Australiens unterschrieben - darunter Cricket, Golf, Tennis, Rugby und Fußball. Es ist die weltweit wohl umfangreichste Zusammenarbeit für Lohngleichheit im Sport. "Gleiche Bezahlung, die sichtbarste Manifestation eines echten Engagements für Gleichstellung, ist für Elite-Sportlerinnen in vielen Sportarten heute immer noch unerreichbar", sagt Initiatorin Broderick.

"Gender Pay Gap" ist im deutschen Fußball extrem ausgeprägt

Nun ist Lohnungleichheit kein exklusives Problem des Sports. 2017 verdienten Frauen in Deutschland laut dem Statistischen Bundesamt   rund ein Fünftel (21 Prozent) weniger als ihre männlichen Kollegen. Doch im Sport ist das Gefälle besonders ausgeprägt.

Hätte die Männer-Fußballnationalelf 2016 den EM-Titel gewonnen, hätten die Spieler jeweils 300.000 Euro Prämie vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) kassiert. Die Frauen-Nationalmannschaft hingegen hätte für einen EM-Erfolg 2017 nur 37.500 Euro pro Spielerin vom DFB bekommen - ein Achtel der Männerprämie.

Der "Gender Pay Gap" bei den Prämien ist demnach viermal so hoch wie im Rest der deutschen Gesellschaft (87,5 zu 21 Prozent). Und das betrifft wohlgemerkt nicht Profiklubs, deren Ziel es sein muss, Profite zu generieren, sondern den DFB - einen gemeinnützigen Verband.

Eine SPIEGEL ONLINE-Anfrage an DFB-Präsident Reinhard Grindel, ob der Verband plane, für die anstehenden EM-Turniere (Männer 2020, Frauen 2021) die Ungleichheit bei den Prämien zu reduzieren, ließ der DFB unbeantwortet. Stattdessen übermittelte er ein Zitat der neuen Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg: "Man muss diesbezüglich ja auch den Marktwert betrachten. Wir generieren ganz einfach nicht die Gelder wie die Männer. Ich wehre mich auch dagegen, das alles nur negativ zu sehen. Wir machen Schritte, die sind realistisch und gut. Und als Frauen-Nationalmannschaft haben wir hervorragende Bedingungen beim DFB."

In Norwegen wird aktiv umverteilt

Dass man als gemeinnütziger Verband auch anders agieren kann, zeigt seit 2018 der norwegische Fußballverband (NFF) bei den Honoraren für Auftritte in seinen Nationalmannschaften: Frauen und Männer bekommen seither das gleiche Budget, sechs Millionen Kronen (615.000 Euro). Dafür treten die Männer 550.000 Kronen ihrer Werbeeinnahmen an die Frauen ab. Es wird also aktiv umverteilt.

Beim DFB weisen sie darauf hin, dass eine solche Quersubventionierung innerhalb eines Verbands steuerrechtlich schwierig sei. Andererseits ermöglicht der Grundlagenvertrag dem DFB auch, "weitreichende Unterstützungsleistungen an die Amateurverbände zu zahlen", wie es in einem FAQ des DFB zum Grundlagenvertrag  heißt. Sie wurden zuletzt von der DFB-Führung um Grindel sogar von fünf auf acht Millionen Euro angehoben.

Eine selbsterfüllende Prophezeiung

Eine besondere Lohndiskrepanz gibt es auch im deutschen Ligabetrieb: Während ein Durchschnittsgehalt in der Frauen-Bundesliga in der Saison 2017/2018 laut unterschiedlichen Quellen bei geschätzten 38.500 Euro gelegen haben soll, verdient ein Bundesligaprofi bei den Männern laut der Global-Sports-Salaries-Studie  aktuell im Schnitt 47.500 Euro - allerdings pro Spiel.

Ein Grund für diese Breite des "Gender Pay Gap" ist die geringere TV-Präsenz von Frauensport. Daraus resultieren geringere TV-Einnahmen und Sponsorengelder. Eine Studie des Tucker Center for Research on Girls and Women in Sport der Universität von Minnesota  zeigte 2014, dass nur vier Prozent der US-Berichterstattung Frauensport abdecken, obwohl 40 Prozent aller Athletinnen und Athleten weiblich sind (hier geht es zu einem Video über die Studienergebnisse ).

Kritiker der Lohngleichheitsbestrebungen behaupten, dass Frauen im Sport deswegen weniger verdienten, weil Frauensport weniger populär sei. Deshalb erhalte er weniger TV-Zeit und generiere weniger Einnahmen. Ähnlich argumentiert auch der DFB: Man müsse "den Kontext der Vermarktungssituation beachten. Marketing, Sponsoring und TV-Vermarktung funktionieren beim Männerfußball in anderen Sphären, nicht nur im Vergleich zum Frauenfußball, sondern insgesamt zu allen anderen Sportarten in Deutschland", heißt es vom Verband.

Die Gegenargumente lauten so: Es ist eine selbsterfüllende Prophezeiung. Zuschauer werden sich kaum für Frauensport begeistern, solange weniger über ihn berichtet wird. Und die TV-Anstalten rechtfertigen den geringen Anteil an Frauensport damit, dass dieser nun einmal nicht genug Zuschauer anspreche.

Die Basketballerin, die sich mit dem US-Sport anlegte

In den USA wird der "Gender Pay Gap" im Sport kontrovers diskutiert. Die Basketballerin A'ja Wilson löste im Sommer 2018 eine Debatte aus, als sie den Wechsel des männlichen Superstars LeBron James zu den Los Angeles Lakers und dessen Gehalt von 154 Millionen US-Dollar für vier Jahre ironisch kommentierte: "Muss nett sein", twitterte Wilson.

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Die 22-Jährige spielt bei den Las Vegas Aces in der Profliliga WNBA. Dort verdiente sie 2018 nur 52.000 Dollar - im Jahr, nicht im Monat. Für ihren Kommentar wurde Wilson angefeindet. Sie verstehe die Mechanismen des kommerziellen Sports nicht. Dabei ging es Wilson nie um gleiche Bezahlung, sondern um gleiche Behandlung.

Der Wirtschaftswissenschaftler und Sportstatistikexperte David Berri machte in der Zeitschrift "Forbes"  darauf aufmerksam, dass NBA-Spieler aufgrund der tarifvertraglichen Vereinbarungen mit der Spielergewerkschaft rund die Hälfte aller Einnahmen der Liga kassieren. Der Anteil, den die Basketballerinnen der WNBA aus dem von ihnen erwirtschafteten Topf bekommen, liege dagegen nur bei knapp mehr als 20 Prozent.

Hope Solo, 2016

Hope Solo, 2016

Foto: Daniel Oliveira/ dpa

US-Fußballerinnen weisen den Weg

Es gibt weitere Beispiele aus dem US-Sport: 2016 reichten fünf Spielerinnen der Fußballnationalmannschaft um Torhüterin Hope Solo eine Beschwerde bei der US-Gleichstellungsbehörde ein, weil sie vom US-Verband trotz größerer Erfolge als das Männerteam 45 Prozent weniger für einen Sieg  erhielten (insgesamt 5950 US-Dollar für die Frauen gegenüber 13.166 US-Dollar für die Männer).

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Unterstützung gab es auch vom Männerteam: "Sie haben einen Kampf zu kämpfen und sie sollten das tun" , sagte Nationaltorwart Tim Howard. 2017 handelten die US-Spielerinnen mit dem Fußballverband einen neuen Vertrag  aus, der sie mit den Männern gleichstellt.

Seither gelten die Fußballerinnen in den USA als Vorbild für andere Athletinnen . WNBA-Spielerinnen haben sie um Rat gebeten. 2017 ließ sich auch die Frauen-Eishockeynationalmannschaft von den Erfolgen der Fußballerinnen ermutigen und erstritt eine bessere Unterstützung von ihrem Verband.

Zwar erhielten sie wie die Männer bis dahin eine Aufwandsentschädigung von 6000 US-Dollar in einem Olympia-Jahr (dazwischen nichts), doch die Männer hatten auch noch Millionenverträge in der Eishockey-Profiliga NHL. Heute gibt es jährlich 70.000 US-Dollar  für die Nationalspielerinnen.

Das sind Beispiele, wie sich Athletinnen gegen den "Gender Pay Gap" im Sport auflehnen, und wie Verbände schließlich einlenken. Manche zahlen heute gleiche Prämien, andere sogar einen zusätzlichen Betrag, um auf die geringeren Einkünfte der Frauen zu reagieren. Der DFB tut beides nicht.