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Alexander Zverev bei den Australian Open Wie gewinnt man ein Grand-Slam-Turnier?

Alexander Zverev hat sich unter den besten fünf Tennisspielern der Welt etabliert. Nur bei den Grand-Slam-Turnieren lief bislang wenig zusammen - das soll sich 2019 ändern.
Alexander Zverev

Alexander Zverev

Foto: Scott Barbour/ Getty Images

Als Rafael Nadal im letzten Jahr um eine Einschätzung zu Alexander Zverev gebeten wurde, setzte er seine gesamte Tennis-Expertise aufs Spiel. "Wenn Sascha in den nächsten zwei Jahren bei Grand Slams nicht gut spielt", sagte der Weltranglisten-Zweite, "dann könnt ihr zu mir kommen und sagen: 'Du hast keine Ahnung von Tennis.'"

In Sachen Fachkenntnis mag man mit Nadal nicht streiten, der Mann ist immerhin 17-facher Sieger bei den größten Turnieren der Welt. Er weiß, unter welchen Umständen man sie gewinnt. Und Grund zum Meckern sollte bei Alexander Zverev ohnehin keiner haben.

Der Hamburger gewann in den vergangenen zwei Jahren drei Masters-Events, die größten Turniere nach den Grand Slams. Er siegte gegen Roger Federer und Novak Djokovic. Er beendete zwei Mal in Folge die Saison unter den Top fünf, zwischenzeitlich stand er auf Rang drei. Bei den ATP Finals 2018, der inoffiziellen Weltmeisterschaft, triumphierte er. Und das mit nur 21 Jahren.

Boris Becker schiebt es auf die Konzentration

Einzig bei den Grand Slams hakt es bei Zverev. Ein Widerspruch? Boris Becker triumphierte bereits mit 17 Jahren in Wimbledon und Nadal mit 19 Jahren in Paris, aber die Zeit der Wunderkinder ist vorbei. Tennis ist zu athletisch geworden, zu entscheidend ist die körperliche Verfassung, die man im Teenager-Alter noch nicht haben kann.

Zudem ist bei den Grand-Slam-Turnieren einiges anders. 128 Spieler stehen im Feld. Man spielt bestenfalls sieben Matches auf drei Gewinnsätze innerhalb von 14 Tagen. Alles ist größer, gigantischer, wichtiger. Das Medieninteresse ist gewaltig, die vier Majors so unterschiedlich wie Tag und Nacht: Die Australian Open sind heiß, die French Open eng, Wimbledon ist leise, die US Open sind laut.

Ein Grand-Slam-Turnier löst man, vereinfacht formuliert, indem man mit möglichst wenig Aufwand durchs Turnier schreitet. Will man dann um den Titel mitspielen, darf man in der ersten Woche nicht zu viel Kraft verschwenden. Wenn ein reguläres ATP-Events ein Sprint ist, dann ist ein Grand-Slam-Turnier ein Marathon.

Roger Federer weiß Bescheid

Und Zverev ging auf der Distanz auch mental die Puste aus. Alles eine Frage der Konzentration, sagt Boris Becker . "Es ist für einen jüngeren Spieler schwieriger, die Konzentration über zwei Wochen zu halten. Das liegt in der Natur der Dinge. Jüngere Menschen können sich schwerer konzentrieren als ältere."

Zverev ist nicht der Erste mit dem "Grand-Slam-Problem": Auch Roger Federer, mit 20 Grand-Slam-Titeln mittlerweile Rekordsieger, brauchte Zeit, bis er ausbaldowert hatte, worauf es ankommt. Er stand mit 19 im Wimbledon-Viertelfinale, seinen Premierensieg holte er erst zwei Jahre später. In der Zwischenzeit erlitt er bittere Niederlagen.

Federer gibt seine Erfahrungen weiter. Als Zverev bei den vergangenen Australian Open in Runde drei gescheitert war, nahm ihn der Schweizer beiseite: "Ich habe ihm gesagt: Sei geduldig. Setz dich nicht unter unnötigen Druck." Er riet Zverev, zunächst in Richtung Viertel- und Halbfinale zu schauen, nicht gleich auf den Titel.

"Es waren ein paar unglückliche Momente"

Beim folgenden Major, den French Open, tat Zverev wie geheißen: Er drehte drei Mal einen 1:2-Satzrückstand und kam erstmals in ein Grand-Slam-Viertelfinale. Dort unterlag er dem Österreicher Dominic Thiem. In Wimbledon und bei den US Open war hingegen wieder früh Schluss.

Angesprochen auf seine Grand-Slam-Bilanz, verharmlost Zverev: "Es waren ein paar unglückliche Momente", sagte er. "Ich habe bei den French Open gut gespielt und mich dann verletzt. In Wimbledon war ich wegen der Verletzung nicht gut vorbereitet. Bei den US Open hatte ich ein schlechtes Match - das passiert."

Das Jahr 2018 beendete Zverev mit einem Knall: Er siegte bei den ATP Finals in London mit einem überragenden Finalmatch gegen Novak Djokovic. Ob der WM-Titel den notwendigen Schub auf Major-Ebene gibt? Möglich - aber keineswegs sicher. Der Bulgare Grigor Dimitrov, einst "Baby Fed" getauft, siegte 2017 in London; 2018 erwarteten Fachleute den ersten Grand-Slam-Titel. Dimitrov aber brach ein, er flog zum Ende des Jahres aus den Top 20.

Rafael Nadal sieht die Sache pragmatisch

Zverevs Saisonstart beim Hopman Cup verlief durchwachsen, beim Training für Melbourne verletzte er sich dann am Oberschenkel, zwei Tage später am Fuß. "Der Knöchel ist okay", beruhigte er jedoch am Samstag. "Es ist nichts, was sich verschlimmern kann."

Sein Auftaktmatch bestreitet Zverev in der Nacht zum Dienstag (ab 4 Uhr MEZ) gegen den Slowenen Aljaz Bedene, die Nummer 67 im Ranking. In Runde drei könnte der unangenehme Gilles Simon warten, in einem Halbfinale - mal sehr weit gedacht - Novak Djokovic. Zverev aber will sich, frei nach Federer, keinen Druck machen. "Ich bin hier noch nie weiter als in Runde drei gekommen, also schauen wir mal. Ich will Spaß haben, in den größten Stadien spielen, die großen Matches."

Und vielleicht ist die Sache ja auch ganz einfach. "Es ist doch egal, ob es über drei oder fünf Gewinnsätze geht. Tennis bleibt Tennis", findet Rafael Nadal. Warum Zverev auf lange Sicht bei den Majors zuschlagen wird? "Best-of-Five ist sogar ein Vorteil für die besten Spieler", so der Spanier. "Und Sascha ist einer davon."