Zum Inhalt springen

Trump unter Druck Kann ein amtierender US-Präsident angeklagt werden?

Donald Trump könnte sich strafbar gemacht haben - das legen die Ergebnisse von Sonderermittler Robert Mueller nahe. Doch reichen die Beweise für eine Anklage? Und wäre das überhaupt möglich? Der Überblick.
US-Kapitol, Washington

US-Kapitol, Washington

Foto: Joshua Roberts/ REUTERS

In New York ist Donald Trumps früherer Anwalt Michael Cohen zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Das Verfahren war ursprünglich von Sonderermittler Robert Mueller, der mögliche Verbindungen von Trumps Wahlkampfteam mit Russlanduntersucht, an die New York US-Staatsanwaltschaft abgetreten worden, die ihre eigenen Ermittlungen anstellten und Cohen dabei anderer Straftaten überführten - darunter Steuerhinterziehung, Bankbetrug und Verstoß gegen die Wahlspendengesetze.

Cohen hatte sich in mehreren Punkten schuldig bekannt. Unterlagen des Justizministeriums, die im Zuge des Prozesses publik wurden, legen nahe, dass sich auch Trump strafbar gemacht haben könnte.

Eine zentrale Frage ist nun: Kann ein amtierender Präsident in einem Strafverfahren vor Gericht gestellt werden? Geht es nach Trumps Anwalt Rudolph Giuliani ist die Antwort darauf eindeutig: nein. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Um welche Vorwürfe geht es?

Im Laufe des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 veranlasste Cohen die Zahlung von Schweigegeld an zwei Frauen, die behaupteten mit Trump eine Affäre bzw. Sex gehabt zu haben. Die eine, Pornodarstellerin Stormy Daniels, erhielt direkt von Trumps Anwalt Cohen 130.000 Dollar. Bei der anderen, Ex-Playmate Karen McDougal, kümmerte sich Cohen darum, dass die Rechte an ihrer Geschichte von einem vertrauten Verleger für 150.000 Dollar gekauft wurden. Diese, so der Plan, sollte dann nie veröffentlicht werden.

Donald Trump

Donald Trump

Foto: JIM WATSON/ AFP

Vor der Wahl sollten keine pikanten Details über Trump bekannt werden, die seine Erfolgsaussichten hätten schmälern können. Damit könnten die Zahlungen als Wahlkampfspende gewertet werden, die aber von Trumps Team nicht als solche angegeben wurde.

In diesem Punkt hat sich Cohen schuldig bekannt. In den Unterlagen des Justizministeriums heißt es nun, Cohen habe dabei "in Abstimmung mit und auf Weisung von" einer 'Individual-1' genannten Einzelperson gehandelt. Damit gemeint: Trump. Das legt nahe, dass auch Trump selbst für einen Verstoß gegen Gesetze zur Finanzierung des Wahlkampfs verantwortlich gemacht werden könnte.

Kann ein amtierender Präsident in einem Strafprozess angeklagt werden?

Am liebsten berufen sich US-Juristen bei ihren Argumentationen auf die US-Verfassung aus dem Jahr 1787. Die gibt jedoch keine Antwort auf die Frage, ob ein amtierender Präsident angeklagt werden kann. Sie legt für Kongressmitglieder eine, wenn auch sehr eingeschränkte, Immunität fest. Der Präsident wird jedoch nicht explizit erwähnt. Somit gibt es keine verfassungsmäßige Hürde für eine strafrechtliche Anklage des Präsidenten.

Auch der Supreme Court, der Oberste Gerichtshof, scheint die Immunität von Präsidenten als eingeschränkt zu bewerten. Er entschied sowohl im Fall von Richard Nixon im Zuge der Watergate-Affäre 1974 als auch bei Bill Clinton im Fall der Klage von Paula Jones 1997, dass sich die Präsidenten nicht auf ihre Immunität beziehen konnten. Nixon wurde so von einem Gericht dazu gebracht, belastende Tonbänder freizugeben. Clinton konnte ein zivilrechtliches Verfahren um sexuelle Belästigung nicht unterbinden. Der Supreme Court hat jedoch noch nie allgemein darüber entschieden, ob ein amtierender Präsident in einem Strafprozess angeklagt werden kann.

Allerdings hat das sogenannte Office of Legal Counsel (OFC), das im Justizministerium angesiedelt ist und neben dem Justizminister auch den Präsidenten in Rechtsfragen berät, in zwei Berichten festgestellt, dass ein amtierender Präsident nicht angeklagt werden kann. Im September 1973 erschien ein Bericht, laut dem es für die Nation "politisch und verfassungsmäßig traumatisch" sei, einen amtierenden Präsidenten anzuklagen. Außerdem könne eine Anklage quasi ein verkürztes Amtsenthebungsverfahren darstellen. Auch ein zweiter OFC-Bericht aus dem Jahr 2000 kam zu dem Schluss, dass eine Anklage den Präsidenten darin einschränken könnte, seinen beruflichen Pflichten nachzukommen. Auf diese Sicht beruft sich das Justizministerium noch heute.

Doch es gibt unter Juristen auch eine andere Perspektive. Der Juraprofessor Ronald Rotunda erarbeitete 1998 einen Bericht für den damaligen Sonderermittler Kenneth Starr. Rotunda argumentiert darin, dass ein amtierender Präsident sehr wohl angeklagt werden kann. Niemand, auch nicht der Präsident, stehe über dem Gesetz, heißt es in dem erst 2017 öffentlich gewordenen Text. Dem Argument, dass der Präsident in seinen Aufgaben eingeschränkt wird, hält Rotunda den 25. Zusatzartikel zur Verfassung entgegen. Dieser definiere bereits einen Mechanismus, den Präsidenten zu ersetzen, wenn er seinem Amt nicht mehr nachkommen kann. Außerdem bestehe die Gefahr, dass bestimmte Vergehen nicht mehr geahndet werden könnten, weil sie beispielsweise im Laufe der Amtszeit eines Präsidenten verjähren. Starr verzichtete trotzdem darauf, in der Whitewater-Affäre Anklage gegen Präsident Clinton zu erheben.

Kann der Präsident angeklagt werden, sobald er nicht mehr im Amt ist?

Einmal aus dem Amt geschieden, ob regulär oder durch ein Amtsenthebungsverfahren, steht theoretisch einer Anklage nichts mehr im Weg. Problematisch könnte es aber dennoch werden: Viele sogenannte Federal Crimes, also Vergehen, die auf US-Bundesebene verhandelt werden, verjähren nach fünf Jahren. Darunter auch Verstöße gegen die Gesetze zur Wahlkampffinanzierung. Sollte Trump 2020 wiedergewählt werden, könnte er erst Anfang 2025 aus dem Amt scheiden. Zumindest die Vorwürfe zur illegalen Wahlkampffinanzierung könnten dann nicht mehr geahndet werden. Der Demokrat Jerry Nadler, der wohl Vorsitzender des Justizausschusses im Repräsentantenhaus werden wird, plant deshalb, die Verjährung bei Vergehen des Präsidenten für dessen Amtszeit auszusetzen zu lassen.

Ehemalige Präsidenten genießen also in der Regel keinen Sonderstatus vor Gericht. Jedoch: Im Zuge der Watergate-Affäre in den Siebzigern mussten eigentlich alle Angeklagten ins Gefängnis - mit einer Ausnahme: Richard Nixon. Nixon war, um einem Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen, als Präsident zurückgetreten. Sein Nachfolger Gerald Ford begnadigte Nixon, nur einen Monat nach dem Amtswechsel im September 1974.

Werden die Ermittler Präsident Trump jetzt anklagen?

Es liegt im Ermessen des Anklägers abzuwägen, ob er den Fall weiter verfolgt oder die Sache auf sich beruhen lässt - etwa, um eine schwere Regierungskrise abzuwenden. Als erste der US-Geschichte könnten Sonderermittler Mueller oder die parallel ermittelnde Staatsanwaltschaft diesen Schritt wagen. Dann würde am Ende wohl der Supreme Court klären müssen, ob ein amtierender Präsident tatsächlich vor ein Strafgericht gestellt werden kann. Allerdings gilt das höchste Gericht des Landes - spätestens nach der Bestätigung von Richter Brett Kavanaugh - als eher konservativ geprägt.

Robert Mueller

Robert Mueller

Foto: Aaron Bernstein/ REUTERS

Erschwerend kommt hinzu, dass der Sonderermittler zwar große Freiheiten genießt, aber immer noch dem Justizministerium untersteht. Das Ministerium hat sich aber, wie oben erwähnt, in seinen Berichten festgelegt: Ein amtierender Präsident darf nicht angeklagt werden. Mueller muss sich wahrscheinlich daran halten und könnte im Zweifel von demjenigen gestoppt werden, der seine Ermittlungen beaufsichtigt. Zurzeit wäre das der Übergangsjustizminister Matthew Whitaker, ein Trump-Sympathisant.