Zum Inhalt springen

Rechtswidrige Inhalte Viel weniger NetzDG-Beschwerden als erwartet

Mit 25.000 Nutzerbeschwerden über ausbleibende Löschungen von Facebook, YouTube und Twitter hatte die Regierung gerechnet. Bisher sind es viel weniger. Strittig ist, was das über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz aussagt.
Icons der Apps von Facebook, Twitter und YouTube

Icons der Apps von Facebook, Twitter und YouTube

Foto: Franz-Peter Tschauner/ dpa

Ein knappes Jahr nach Inkrafttreten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) haben sich viel weniger Internetnutzer wegen ausbleibender Löschungen beschwert als erwartet. Bis Ende November seien beim Bundesamt für Justiz (BfJ) über das Onlineformular erst 704 Meldungen eingegangen, teilte die Behörde dem "Handelsblatt" mit. Der Gesetzgeber war nach Angaben eines Sprechers des Bundesamtes von rund 25.000 Meldungen und 500 Bußgeldverfahren im Jahr ausgegangen.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gilt vollumfänglich seit dem 1. Januar. Es setzt den Betreibern großer sozialer Netzwerke wie Facebook, YouTube und Twitter bestimmte Löschfristen bei offensichtlich strafbaren Inhalten wie Volksverhetzung. Sie sollen innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden, bei schwieriger zu entscheidenden Fällen soll das innerhalb von sieben Tagen passieren.

Wer dieser Forderung wiederholt und systematisch nicht nachkommt, dem drohen Bußgelder in Millionenhöhe. Der Druck auf die Internetunternehmen sollte dazu führen, dass Nutzer, die sich bedroht oder beleidigt fühlen, schneller Hilfe bekommen.

"Overblocking in den Köpfen"?

FDP und Grüne halten die Zahlen des Bundesamts für wenig aussagekräftig. Der FDP-Digitalpolitiker Manuel Höferlin sagte der Zeitung: "Die geringe Anzahl an Beschwerden könnte auch darauf hindeuten, dass sich die Nutzer selbst zensieren. Das Gesetz würde damit sozusagen zu einem Overblocking in den Köpfen führen."

Auch für den Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz taugt der Befund des Bundesamts nicht als Indikator für das Funktionieren des Gesetzes. "Vielmehr zeigen die Zahlen, dass auch die Implementierung der Meldewege bis heute stark verbesserungsfähig ist, auch hier müsste man dringend nachjustieren und klarere Vorgaben machen." Er kritisierte zudem, dass es nach wie vor keine Schlichtungsstelle für Fälle gebe, in denen Nutzer glauben, dass ihr eigener Inhalt zu Unrecht auf Basis des NetzDG gesperrt wurde.

SPD-Netzpolitikerin Saskia Esken (SPD) wertete die geringe Anzahl an Beschwerden dagegen als Beleg für die Wirksamkeit des Gesetzes, denn "die Unternehmen haben Strukturen aufgebaut, um mit Hinweisen auf potenziell strafbare Inhalte regelmäßig und verantwortungsvoll umzugehen".

Justizminister wollen NetzDG verschärfen

Ende Juli hatten die Netzwerkbetreiber erste Zahlen zum NetzDG vorgelegt. Sie müssen das alle sechs Monate tun. Demnach werden viele Nutzerbeschwerden über Inhalte, die angeblich rechtswidrig sind, abgelehnt. Facebook hatte zudem überraschend wenige Beschwerden erhalten.

Auch damals war unklar, inwieweit die Zahlen auf mangelndes juristisches Wissen der Nutzer, schlecht auffindbare Beschwerdeformulare oder einen Rückgang rechtswidriger Inhalte zurückzuführen sind.

Zuletzt hatten die Justizminister der Länder gefordert, das NetzDG zu verschärfen und den Netzwerkbetreibern noch schärfere Auflagen zu machen. Eine Evaluierung des Gesetzes hat die Bundesregierung allerdings erst für 2020 vorgesehen.

pbe/dpa