Der frühere SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen CDU-Vorsitzenden bedauert. "Die CDU hat einen Fehler gemacht", sagte Schröder dem Handelsblatt. Er hätte von dem im zweiten Wahlgang unterlegenen Friedrich Merz mehr gehalten. "Merz war eine Chance zu mehr Mut und Herausforderung. Und vor allem wäre Merz die Chance gewesen, dass sich die beiden Volksparteien wieder stärker voneinander abheben und so die Ränder links und rechts wieder schwächer werden." Das sei nicht nur für CDU und SPD wichtig, sondern für ganz Deutschland.

Justizministerin Barley setzt auf das Miteinander

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) äußerte sich differenzierter. "Klar hätten wir uns an Friedrich Merz stärker reiben können und hätten mehr Konfliktpunkte aufgemacht", sagte sie im Bericht aus Berlin der ARD. Für die Arbeit in der Bundesregierung wäre das aber vielleicht nicht vorteilhaft gewesen. Es komme jetzt darauf an, in der Koalition gut miteinander klarzukommen: "Erst mal ist ja nicht von Wahlkampf die Rede."

Eine stärkere Profilbildung der CDU nach der Wahl erhofft sich auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). "Es muss hier eine klare Handschrift deutlich werden", sagte er in der ARD-Sendung Berlin direkt. Es müsse klar werden: "Was ist wirklich reine CDU-Politik? Was sind die Kompromisse, die wir machen müssen, weil wir eine Bundesregierung brauchten und dafür einen Koalitionsvertrag unterschreiben mussten?" Er habe mit Kramp-Karrenbauer kritisch über notwendige Veränderungen in der CDU diskutiert und eine große Offenheit und Sensibilität gespürt.

Kretschmer sagte auch, dass sich mit einem Wechsel an der Parteispitze nicht die gesamte Regierungspolitik ändern könne. Er verwies darauf, dass in neun der 16 Bundesländer die Grünen an der Regierung beteiligt sind, was einen maßgeblichen Einfluss auch auf die Bundespolitik habe. "Und deswegen ist es auch falsch, zu glauben, es ist eine Personalie, die man dann ändert – und dann wird die gesamte Bundespolitik eine andere."

Schäuble: "Wer jetzt auf Rückspiel oder gar Rache sinnt, setzt sich ins Unrecht"

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble rief indes die verschiedenen Lager seiner Partei dazu dazu auf, die demokratischen Spielregeln zu akzeptieren. "Wer jetzt auf Rückspiel oder gar Rache sinnt, setzt sich ins Unrecht. So geht Demokratie nicht", sagte der CDU-Politiker der Bild-Zeitung.

Schäuble hatte vergangene Woche kurz vor der Wahl der neuen Parteispitze mit seiner Wahlempfehlung für Friedrich Merz für Aufregung gesorgt. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte das als Dammbruch kritisiert und sich daraufhin seinerseits für Kramp-Karrenbauer ausgesprochen. Viele andere führende CDU-Politiker hatten sich dagegen öffentliche Zurückhaltung auferlegt und darauf verwiesen, dass die Entscheidung allein bei den Delegierten des Hamburger Parteitages liege.

Nach dem knappen Sieg von Kramp-Karrenbauer wächst in der CDU die Sorge, dass sich die Gräben zwischen den Parteiflügeln vertiefen könnten. Vor allem in konservativen Lager herrscht großer Unmut über die Niederlage von Merz. FDP-Chef Christian Lindner rief die Enttäuschten in der CDU auf, in seine Partei zu wechseln: "Wer sich als Merz-Unterstützer bei der CDU nicht mehr zu Hause fühlt, hat in der FDP eine Alternative", sagte er der Bild.

Kramp-Karrenbauer hatte angekündigt, dass sie sich als CDU-Vorsitzende als Erstes auch um Migrations- und Sicherheitspolitik kümmern werde. Sie wolle ein "Werkstattgespräch" mit Experten und auch Kritikern der Migrations- und Flüchtlingspolitik einberufen, "um konkrete nächste Verbesserungen zu erarbeiten", sagte sie der Bild am Sonntag.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann begrüßte diesen Schritt. Er sei "ein wichtiges Signal", sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Politik müsse den Bürgern "das Vertrauen in einen starken Rechtsstaat wiedergeben, der für geordnete und sichere Verhältnisse sorgt".