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Trump und der Fall Khashoggi Schmutzige Allianz

US-Präsident Trump hält trotz der Khashoggi-Affäre weiter zum saudischen Kronprinzen Salman. In einem kuriosen Statement, mit dem er den Mord zu verschleiern versucht, offenbart er seine wahren Motive.

Die Begnadigung eines Truthahns gehört zu den ältesten Thanksgiving-Traditionen des Weißen Hauses. Wie in den vergangenen Jahren üblich hatten wieder gleich zwei Vögel Glück: Präsident Donald Trump gewährte Peas und Carrots am Dienstag, zwei Tage vor dem US-Erntedankfest, im Rosengarten feierlich die Absolution.

Eine Stunde zuvor hat Trump eine andere, brisantere Art von Gnadenakt verkündet: Er sprach den saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman, kurz MbS, von den politischen Konsequenzen für den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi frei - zumindest seitens der USA, wo Khashoggi zuletzt im Exil gelebt hatte.

In einem befremdlichen Statement, das er offensichtlich selbst diktiert hatte, bestärkt Trump seine Weigerung, MbS für den brutalen Tod des Regimekritikers haftbar zu machen - obwohl längst auch die CIA davon ausgeht, dass der Kronprinz persönlich den Befehl dazu gegeben habe. Egal, so Trump: "Die USA beabsichtigen, ein unverbrüchlicher Partner Saudi-Arabiens zu bleiben."

Trump bei der Begnadigung von Peas

Trump bei der Begnadigung von Peas

Foto: JONATHAN ERNST/ REUTERS

Trumps Treueschwur ist wenig überraschend - und trotzdem dreist: Der zusehends isolierte Präsident isoliert sich damit bewusst noch weiter - von seinen Kritikern, von Europa, selbst von den Republikanern, die ihn für seinen Kurs im Fall Khashoggi kritisieren.

Doch Trumps zynische Prioritäten sind klar: Deals und Dollars sind ihm wichtiger als Menschenrechte und Menschenleben. Damit gibt er allen Autokraten, Diktatoren und Despoten grünes Licht: Die wissen, dass er ihre mörderischen Machenschaften dulden wird, solange sie den USA im Gegenzug genug bieten.

"Lange, historische Verpflichtung"

Auch frühere US-Regierungen hielten es mit den Menschenrechten nicht immer so genau. Doch wenigstens wahrten sie nach außen hin den Anschein. Trump legt die brutalen Transaktionen offen, die sonst hinter den Kulissen stattfinden und unter ihm, so zeigt der Fall Khashoggi, eine neue Dimension gewinnen.

Trump gibt sich nicht mal ansatzweise Mühe, sein Kalkül zu kaschieren. Statt dessen wirkt seine Erklärung wie eine seiner durchschaubaren Twitter-Tiraden - samt acht Ausrufzeichen, ein Novum in der Geschichte der US-Präsidentenverlautbarungen.

"America First!", proklamiert Trump. "Die Welt ist ein sehr gefährlicher Ort!"

Der Mord an Khashoggi sei zwar "schrecklich", schreibt er. Doch das saudische Königshaus habe ja "jegliche Kenntnis" dementiert. Diesem Dementi misst er also mehr Gewicht bei als dem jüngsten CIA-Bericht, der wohl kaum noch Zweifel an der Befehlskette lässt. Es sei "klar, dass die Sache bis ganz nach oben reicht", sagte ein hoher Beamter des US-Außenministeriums jetzt zu ABC News. "Niemand in der Regierung bestreitet das." Niemand, außer Trump.

Warum? Ganz einfach: Macht, Geld und Öl.

Saudi-Arabien investierte in Trump-Konzern

Damit begründet er ganz offen, warum er den Saudis glaubt - und selbst dann weiter zu ihnen stünde, wenn er ihnen nicht glauben würde: Riad sei nun mal "ein großartiger Verbündeter in unserem sehr wichtigen Kampf gegen Iran" und gegen den "Terrorismus auf der Welt".

"Das ist eine lange, historische Verpflichtung", sagte auch US-Außenminister Mike Pompeo. Ausgerechnet dem früheren CIA-Chef fiel es am Dienstag zu, die verbalen Verrenkungen seines Chefs in diplomatischere Worte zu fassen.

Trump verweist außerdem gerne auf die von Riad kontrollierten Ölpreise und Investitionen und "Einkäufe" von 450 Milliarden Dollar, die Saudi-Arabien den USA zugesagt habe, davon 110 Milliarden Dollar für Waffen. Diese Zahlen sind freilich fiktiv. Was Trump in seiner Erklärung verschweigt, ist der persönliche Profit, um den er fürchtet. Saudi-Arabien hat über die Jahre viele Millionen Dollar in seinen Konzern gesteckt, auch seit seiner Wahl.

Mohammed bin Salman

Mohammed bin Salman

Foto: HANDOUT/ REUTERS

Wie weit Trump mit seiner Chuzpe diesmal damit kommt, muss sich allerdings noch zeigen. Sein fast flehentliches Buhlen um MbS stößt auf immer offeneren Widerstand, international wie in den USA, wo auch der Kongress sich zusehends wehrt - und zwar Demokraten wie Republikaner. Diese Sache ist noch längst nicht gegessen.

Das weiß auch Trump. Bevor er am Dienstag zum Thanksgiving-Urlaub nach Florida fliegt, rechtfertigt er sich lakonisch vor den Reportern: "Es ist, was es ist."