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Überwachungstechnik aus China Künstliche Intelligenz soll Menschen am Gang erkennen

Gesichtserkennung? Ein alter Hut! So sieht es ein Start-up aus China, das Personen an Körperform und Gang erkennen will. Von seiner Technik sollen auch ältere Menschen profitieren können.
Computerbild einer gehenden Person, wie sie die chinesische KI sieht

Computerbild einer gehenden Person, wie sie die chinesische KI sieht

Foto: Mark Schiefelbein/ AP

Geht es um Überwachung von Menschenmengen, steht derzeit Gesichtserkennung hoch im Kurs. Am Berliner Bahnhof Südkreuz etwa haben Bundespolizei und Innenministerium ein Jahr lang ein Pilotprojekt zur automatisierten Gesichtserkennung, durchgeführt - und waren mit den Ergebnissen sehr zufrieden. In gut 80 Prozent der Fälle hatte eine Software die Testpersonen korrekt identifiziert.

Doch damit das funktioniert, braucht man relativ hochauflösende Bilder. Zudem muss man die Personen frontal vor die Kamera bekommen und sollte die Kameras so installieren, dass sie nicht weit vom Geschehen entfernt sind. Das schränkt die Möglichkeiten ein.

Das chinesische Start-up Watrix glaubt jetzt, eine Lösung für diese Probleme gefunden zu haben. Mithilfe künstlicher Intelligenz will das Unternehmen Personen an ihrer Körperform und ihrem Gang erkennen. Und das aus jeder Richtung, nicht nur von vorne, und aus bis zu 50 Metern Entfernung. Die dafür nötigen Videobilder müssten auch nicht von einer hochauflösenden Kamera kommen, sagt Watrix-Chef Huang Yongzhen der Nachrichtenagentur Associated Press (AP).

Watrix-CEO Huang Yongzhen

Watrix-CEO Huang Yongzhen

Foto: Mark Schiefelbein/ AP

Neu ist diese Idee nicht. Seit mehr Jahrzehnten forschen überall auf der Welt Wissenschaftler an ähnlichen Ansätzen. Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) wurde das Thema schon Ende der Neunzigerjahre beleuchtet (PDF ). Und auch spanische und britische Forscher entwickeln ein System, bei dem die Personen über eine spezielle Sensormatte gehen müssen , damit eine Software sie am Gang erkennen kann. Sie stellen sich vor, so etwas beispielsweise zur Einlasskontrolle an Flughäfen einzusetzen.

Zehn Minuten für eine Stunde

Das System von Watrix braucht angeblich nur ein paar Kameras, es wertet die Bewegungen anhand von Videomaterial aus. Die dafür notwendige Software ist allerdings sehr komplex und benötigt viel Rechenleistung. Sie extrahiert aus dem Video die Silhouetten der darauf zu sehenden Personen und wertet deren Bewegungen aus. In Echtzeit funktioniert das noch nicht. Um eine Stunde Videomaterial zu analysieren, braucht das System zehn Minuten. Trotzdem sieht Watrix-Chef Huang gute Chancen für seine Software auf dem chinesischen Markt.

Die Polizei in China arbeitet bereits daran, die Datenbanken der überall im Land installierten Überwachungskameras miteinander zu vernetzen. Die Systeme werden schon genutzt, um einzelne Personen in Menschenmengen per Gesichtserkennung zu identifizieren. Zudem sollen Sicherheitsbeamte aus der muslimisch geprägten Provinz Xinjiang bereits Interesse an der Watrix-Software geäußert haben.

"Gute Geschäfte"

Der chinesische Kolumnist Shi Shusi erklärte AP, er würde sich nicht wundern, dass eine so kontroverse Technologie in China schneller adaptiert werde als im Rest der Welt. Schließlich wäre der Regierung in Peking soziale Kontrolle, also eine Maßregelung jeder Abweichung von der Norm, sehr wichtig. Deshalb könne man in China mit Überwachungstechnologien "gute Geschäfte" machen.

Huang Yongzhen wiederum hofft, dass sein System künftig parallel zur Gesichtserkennung eingesetzt wird. Überwachung sei aber bei weitem nicht die einzige Möglichkeit, die Gangerkennung von Watrix zu nutzen, legt er nahe. Man könne sie beispielsweise auch verwenden, um Menschen in Not zu erkennen - etwa, wenn eine ältere Person gestürzt sei.

Überwachungskritikern wird das als Argument für den Einsatz des Systems kaum reichen.

mak/AP