Justizministerin Barley wird SPD-Europaspitzenkandidatin

Katarina Barley. Foto: Martin J. Kraft. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Für den Fall, dass die Rheinländerin nach Brüssel gehen sollte, wird die Berlinerin Eva Högl als Nachfolgerin gehandelt

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Gestern nominierte das Präsidium der SPD einstimmig Bundesjustizministerin Katarina Barley als Spitzenkandidatin der Partei für die Europawahl im Mai 2019. Ihre Befürworter begründen ihre Eignung dafür unter anderem mit ihrem britischen Vater und ihrer daraus resultierenden doppelten Staatsangehörigkeit. Dass Großbritannien schon sehr bald nicht mehr zur EU gehören wird, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Da wird man das Gefühl nicht los, das viele Sozialdemokraten doch irgendwie in der Vergangenheit leben.

Dass Barley im Volk beliebt wäre, kann man nicht sagen: Als Direktkandidatin in ihrem Trierer Wahlkreis unterlag die damalige Familienministerin und ehemalige Generalsekretärin zuletzt sogar überraschend dem vorher als chancenlos angesehenen Neueinsteiger Andreas Steier. Als Justizministerin im neuen Kabinett folgte sie weitgehend den von ihrem Vorgänger Heiko Maas vorgegebenen Linien und tappte dabei in dieselben Fettnäpfchen.

In der Talkshow von Markus Lanz, in der sie ihren Kampf gegen "Fake News" rechtfertigen sollte, kritisierte sie beispielsweise das amerikanische Rechtssystem mit der Urbanen Legende des Falls von der Katze in der Mikrowelle - und verbreitete damit (anscheinend, ohne es zu wissen) selbst "Fake News". Streng genommen wäre Barleys SPD damit ein Fall für die Strafen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern gegen Parteien ankündigte, die "Desinformation" verbreiten.

Noch mindestens bis Mai im Amt

An einen großen Erfolg im Europawahlkampf scheint die Politikerin selbst nicht ganz zu glauben. Zumindest behält sie vorerst ihr Amt als Bundesjustizministerin, das sie nur dann abgeben will, wenn sie fest nach Brüssel geht. Für diesen Fall ist den Informationen der B.Z. nach die stellvertretende SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Eva Högl "als Nachfolgerin im Gespräch". Die Berlinerin gewann ihren Direktwahlkreis Mitte 2009 mit 26 Prozent Erststimmenanteil. Mit einem so geringen Anteil hatte damals seit 1953 kein Kandidat mehr ein Direktmandat gewonnen. 2017 überbot sie diesen Rekord mit einem Erststimmensieg mit 23,5 Prozent.

Högl machte rechtspolitisch in der Vergangenheit vor allem damit auf sich aufmerksam, dass sie die "Menschenhandelsparagrafen und den Vergewaltigungsparagrafen völlig überarbeiten" und Kunden von Prostituierten strafrechtlich belangen will. Als "Zwangsprostituierte" soll eine Frau ihrer Meinung nach bereits dann gelten, wenn "schlechte soziale Verhältnisse im Heimatland" vorliegen.

Kühnert soll abgelehnt haben

Den Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland nach hatte die SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles die Position des SPD-Spitzenkandidaten bei der Europawahl zuerst dem Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert angeboten, der ihn abgelehnt haben soll. Möglicherweise deshalb, weil er eine Falle roch und fürchtete, dass Nahles im Falle eines (nicht ganz unwahrscheinlichen) schlechten Wahlergebnisses ihren wichtigsten Rivalen ausgeschaltet hätte.

Neben einem SPD-Spitzenkandidaten gibt es bei der Europawahl 2019 auch einen transnationalen Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten: Den Niederländer Frans Timmermans. Der ist zwar noch nicht offiziell nominiert, kann aber Medienberichten nach mit der Unterstützung der deutschen SPD-Chefin rechnen, weshalb seinem slowakischen Mitbewerber Maroš Šefčovič beim Nominierungskongress im Dezember deutlich geringere Chancen eingeräumt werden (vgl. Niederländischer Juncker-Stellvertreter soll EU-Spitzenkandidat der Sozialdemokraten werden).

Timmermanns ist derzeit der Stellvertreter des christdemokratischen EU-Kommissionschefs Jean-Claude Juncker. Dass er dessen Nachfolger wird, ist insofern unwahrscheinlich, als die Sozialdemokraten kaum Chancen haben, aus der Wahl als stärkste Fraktion hervorzugehen. Außer in Deutschland drohen ihnen auch in Frankreich, Tschechien und anderen Ländern herbe Verluste. Und die britische Labour Party, die in diesem europäischen Trend eine Ausnahme bildet, wird wegen des Brexits gar nicht mehr im Europaparlament vertreten sein.

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