Der Schriftsteller Herbert Meier ist neunzigjährig in Zürich gestorben

Herbert Meier zählte zu den vielseitigsten Schriftstellern der Schweiz. Er hat ein gewichtiges dramatisches Werk hinterlassen und veröffentlichte neben Romanen auch Gedichte von grosser Ausdruckskraft. Am vergangenen Freitag ist er kurz nach dem neunzigsten Geburtstag gestorben.

Roman Bucheli
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Der Schriftsteller Herbert Meier, 1928–2018. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

Der Schriftsteller Herbert Meier, 1928–2018. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

Er gehörte zu den vielen Schriftstellern, die weggingen, bevor sie ankommen konnten. Es war Walter Muschg, Herbert Meiers Lehrer an der Universität Basel, der Anfang der fünfziger Jahre das literarische Talent des Studenten erkannt und auch die Dringlichkeit herausgespürt hatte, mit der dieser junge Mann schrieb. Er riet ihm, das Studium ruhen zu lassen oder gleich ganz aufzugeben, wenn das Schreiben tatsächlich ein Lebensinhalt werden sollte.

Zwei Geschenke erhielt Herbert Meier von seinem Lehrer, die ihm den Sprung in ein anderes Leben erleichtern sollten. Beide verfehlten ihre Wirkung nicht: Walter Muschg verhalf ihm zu einer Lektorenstelle an der Universität Poitiers und gab ihm ausserdem Kafkas «Hungerkünstler» als gleichsam paradoxen literarischen Notvorrat in die Hand.

Erfolgreiches Bühnendebüt

Über Paris kehrte Herbert Meier zurück, vollends angesteckt von dem literarischen Virus, vertraut inzwischen aber auch mit dem französischen Theater und der französischen Literatur, für die sein Herz schon früh geschlagen hatte: Beides sollte er bis an sein Lebensende nicht mehr loslassen. Molière und Racine, aber auch Paul Claudel hatten ihn in ihren Bann gezogen. In der Tasche aber hatte er auf seinem Rückweg von Paris auch sein erstes ernstzunehmendes Theaterstück, «Die Barke von Gawdos», das 1954 von Oskar Wälterlin am Zürcher Schauspielhaus uraufgeführt wurde.

Ein Hungerkünstler wollte Herbert Meier trotzdem nicht werden. Er schloss darum sein Studium ab und verliess die Universität mit einem Doktorat, um sich danach aber sogleich und nun ohne Einschränkung der Dichtung zuzuwenden. So ging Walter Muschgs sorgsam ausgebrachte Saat im besten Sinne auf: Das Studium gab dem jungen Schriftsteller den soliden Hintergrund, es erdete ihn in der literarischen Tradition und stärkte ihn für den unsicheren Weg, der ihm nun bevorstand.

Kraftvoll und sprachmächtig stürzte er sich in dieses Abenteuer. Er schrieb Prosa und weiterhin fürs Theater, er übersetzte und veröffentlichte erste Gedichte. Im Blick hatte er, wie er es von den französischen Moralisten gelernt hatte, stets die Sache des Menschen, der als Sinn- und Gottessucher halb blind, halb ahnungsvoll durchs Leben taumelt. Wenn er den Maler Stauffer-Bern oder den Dichter Ulrich Bräker auf die Bühne brachte, dann zeigte er sie als vom Leben gebeutelte Menschen, in ihrem Glück und Elend, im Schaffensrausch und in der Bodenlosigkeit ihrer Verzweiflung. Sie standen auf der Bühne als historische wie zugleich exemplarische Figuren: Was sie bewegte, war niemandem fremd.

Der Glaube an das Wort

Von einem doppelten unerschütterlichen Glauben war Herbert Meier im existenziellen wie auch im ästhetischen Sinne beseelt. Der Mensch mochte auch in die Irre gehen, so ruhte er doch in einer Schöpfung, an deren Sinnhaftigkeit Herbert Meier nicht zweifelte. Und ebenso wenig konnten damals modisch gewordene Zweifel an der Sprache den Schriftsteller anfechten: Er glaubte an die Ausdruckskraft des Wortes, und er vertraute darauf, dass nichts der Sprache verschlossen bleiben musste. Sie war das unveräusserliche Instrument, mit der allein die Schöpfung gedeutet und verstanden werden konnte.

«In der Sprache ist alles, was den Menschen betrifft.» Von dieser Überzeugung hat Herbert Meier nie abgelassen, darauf hat er sein gesamtes literarisches Schaffen gegründet: von den frühen Versuchen zu den historischen Dramen über das «Mythenspiel», mit dem er sich 1991 nicht nur Freunde geschaffen hatte, bis hin zu den späten Dichtungen: Immer steht hier der Mensch in seiner Lebensnot und seinem Lebensglück im Zentrum der Gedankenwelt. Am vergangenen Freitag ist Herbert Meier kurz nach seinem neunzigsten Geburtstag in Zollikon gestorben.