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Trumps Russlandaffäre Was hinter dem Rosenstein-Drama steckt

US-Vizejustizminister Rod Rosenstein beaufsichtigt die Ermittlungen in der Russlandaffäre - nun droht ihm die Entlassung durch Donald Trump. Wird der Präsident wirklich so weit gehen?

Wer sich Donald Trump in den Weg stellt oder es wagt, ihm Widerworte zu geben, muss mit seiner Entlassung rechnen. Schon seit Monaten würde der US-Präsident wohl gerne im Justizministerium "aufräumen", es beaufsichtigt die Ermittlungen in der Russlandaffäre. Vor allem Vizejustizminister Rod Rosenstein ist aus Trumps Sicht ein Ärgernis, weil er es zulässt, dass Trump, seine Familie und seine Vertrauten ins Visier der Fahnder um Sonderermittler Robert Mueller geraten sind.

Am Donnerstag nun will Trump nach seiner Rückkehr von den Vereinten Nationen in New York mit Rosenstein sprechen. Das Schicksal des Topbeamten hängt in der Schwebe. In Washington sorgen Gerüchte über seinen Rücktritt oder seine Entlassung für Aufregung, denn dies könnte unmittelbare Auswirkungen auf den Fortgang der Russlandermittlungen haben. Doch noch ist die Entscheidung offenbar nicht gefallen.

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Rod Rosenstein: Geht er oder geht er nicht?

Foto: Kevin Lamarque/ REUTERS

Was veranlasste die jüngste Eskalation?

Auslöser des aktuellen Wirbels war eine gezielte Enthüllung, die seit Freitag durch die US-Medien kursiert. Die "New York Times" berichtete, Rosenstein habe im Frühjahr 2017 intern Trumps Geisteszustand kritisiert und vorgeschlagen, ihn heimlich aufzuzeichnen, um das Chaos im Weißen Haus zu offenbaren. Auch habe er angeregt, Trump mittels des 25. Verfassungszusatzes des Amts zu entheben - eine äußerst seltene Notmaßnahme. Keiner der Vorschläge wurde offenbar in die Tat umgesetzt.

Rosenstein dementiert die Berichte. Andere US-Medien meldeten, Rosenstein habe diese Äußerungen "sarkastisch" gemeint. Der verspätete Wirbel um die Episode, die eineinhalb Jahre zurückliegt, könnte Trump als Vorwand dienen, um Rosenstein loszuwerden. Deshalb besteht auch der Verdacht, das Trump-Lager könnte die Geschichte gegen Rosenstein selbst lanciert haben. Unmittelbar nach dem "NYT"-Bericht soll Trumps Kommunikationschef Bill Shine begonnen haben, eine "Medienstrategie" einzufädeln, um Rosensteins Abgang zu rechtfertigen.

Was wird Trump entscheiden?

Trump steckt in einem Dilemma: Eine Entlassung Rosensteins kann Vor- und Nachteile haben. Dass er sich damit Zeit lässt, kann deshalb als Versuch gewertet werden, die Stimmung zu testen. Sicherlich würde Trump Rosenstein gerne loswerden, um die Russlandermittlungen mehr unter seine Kontrolle zu bringen. Das fordern auch zahlreiche Republikaner im Kongress und Trumps Anhänger an der Basis, die wie der Präsident von Muellers "Hexenjagd" sprechen und Rosenstein einen "Verräter" nennen.

Andererseits sind die Folgen eines solchen Schritts für Trump schwer kalkulierbar. Er müsste damit rechnen, dass Rosensteins Abgang in den kritischeren Medien und in Teilen des Kongresses - auch bei einigen Republikanern - einen Aufschrei des Entsetzens auslösen würde. Führende Demokraten wie Senator Chuck Schumer warnen Trump bereits vor einer "Verfassungskrise", sollte Rosenstein gehen müssen. Fest steht: Die Demokraten hätten bei einer Entlassung Rosensteins für den Midterm-Wahlkampf ein weiteres Thema, mit dem sie ihre Basis mobilisieren könnten.

US-Präsident Donald Trump

US-Präsident Donald Trump

Foto: MIKE SEGAR/ REUTERS

Warum ist Rosenstein überhaupt wichtig?

Um die Bedeutung Rosensteins für die Russlandermittlungen von Robert Mueller zu verstehen, lohnt sich ein Blick in deren Geschichte: Der eigentliche Justizminister, Jeff Sessions, hatte sich wegen seiner eigenen Verwicklung in den Fall schon vergangenes Jahr in der Sache für befangen erklärt und aus dem Verfahren zurückgezogen. Seitdem ist Rosenstein als Vizejustizminister dafür zuständig. Er war es, der Mueller als Sonderermittler einsetzte, nachdem Trump FBI-Chef James Comey entlassen hatte.

Rosenstein hat die Mueller-Ermittlungen immer wieder gegen Trumps "Hexenjagd"-Attacken verteidigt und sie vor Interventionen aus dem Weißen Haus geschützt. Wichtig auch: Rosenstein entscheidet darüber, welche Ressourcen Mueller und sein Team erhalten, ob zum Beispiel zusätzliche Fahnder für die Ermittlungen abgestellt werden. Rosenstein wäre auch derjenige, der am Ende festlegt, was mit Muellers Abschlussbericht passiert. Er kann dafür sorgen, dass er an den Kongress weitergeleitet wird, er entscheidet über die Art der Veröffentlichung mit, und er könnte - im Extremfall - sogar eine direkte Anklage des Präsidenten zulassen.

Ex-FBI-Chef James Comey

Ex-FBI-Chef James Comey

Foto: Ralph Alswang/ dpa

Wie ginge es mit den Mueller-Ermittlungen weiter?

Falls sich Trump nicht über die gängigen Regeln hinwegsetzt, würde bei Rosensteins Abgang üblicherweise die Nummer drei im Justizministerium die Oberaufsicht über die Mueller-Ermittlungen übernehmen: der politische Beamte Noel Francisco. Er wird dem konservativen Flügel der Republikaner zugerechnet und wurde von Trump ernannt. Das muss allerdings nicht automatisch bedeuten, dass er nun bedingungslos dessen Willen ausführen würde und die Mueller-Ermittlungen torpediert oder gar beendet.

Aber natürlich gäbe es ein Risiko: Francisco könnte Muellers Arbeit stoppen oder massiv einschränken, indem er etwa Mittel kürzt. Ob dies die Ermittlungen zum Erliegen bringen würde, ist indes eine ganz andere Frage: Mueller könnte längst so weit fortgeschritten sein, dass etwaige strafrechtliche Verfehlungen des Präsidenten so oder so an die Öffentlichkeit kommen würden und vom Kongress oder sogar vor Gericht verhandelt werden müssten. Zudem sind auch Staatsanwälte in New York und mindestens zwei Gerichte mit der Affäre und ihren Auswirkungen befasst; sie könnten Muellers Arbeit zumindest in Teilen fortsetzen und bereits vorhandene Dokumente und Zeugenaussagen, in denen möglicherweise Trump belastet wird, öffentlich machen.

Russland-Sonderermittler Robert Mueller

Russland-Sonderermittler Robert Mueller

Foto: SAUL LOEB/ AFP

Wie ist der Stand der Mueller-Ermittlungen?

Muellers Ermittlungen begannen im Mai 2017. Das Mandat: Russlands Einmischung in die US-Präsidentschaftswahlen und mögliche Absprachen aus Trumps Wahlkampfteam mit Moskau zu untersuchen - sowie außerdem alle weiteren, potenziellen Straftaten, auf die er bei seinen Recherchen stößt. Seither hat Mueller bereits mehrere Ex-Berater Trumps angeklagt. Einige kooperieren mit den Ermittlern. Mueller klagte außerdem zwölf russische Geheimdienstler an.

Offen ist, ob Mueller auf diese Weise auch belastende Informationen über Trump selbst erhalten hat. Offiziell ist der Präsident bisher nicht betroffen, doch Mueller untersucht offenbar sowohl den Vorwurf der Komplizenschaft mit Russland als auch die Frage, ob Trump versucht hat, die Justiz zu behindern - etwa durch die Entlassung Comeys. Es ist ein Verdacht, den Trump mit jedem neuen Tweet zu den Ermittlungen nur weiter anheizt. Unklar bleibt auch noch, ob Mueller Trump persönlich vernehmen oder notfalls unter Strafandrohung vorladen könnte. Das Weiße Haus fürchtet, dass Trump sich bei einer solchen Aussage verplappert oder lügt, und verhandelt seit Januar mit Mueller über ein Prozedere. Letzter Stand: Trump liefert schriftliche Antworten.