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Aufschwung in den USA Trumps trügerisches Wirtschaftswunder

Donald Trump rühmt sich für die "beste US-Wirtschaft aller Zeiten". Doch die positiven Zahlen sind nicht ungetrübt: Amerikas Aufschwung ist auf Pump gebaut - und zudem sehr ungleich verteilt.
Donald Trump

Donald Trump

Foto: Evan Vucci/ AP

Donald Trump lebt im Superlativ. Vor allem bei der Wirtschaftslage steigert sich der US-Präsident gern in schwindelerregende Höhen. Erst twitterte er: "Unsere Wirtschaft ist besser als seit vielen Jahrzehnten." Dann: "Großartigste Wirtschaft in der GESCHICHTE Amerikas." Inzwischen: "Beste Wirtschaft & Stellen ALLER ZEITEN."

Solche Tweets münden oft, in typischer Trump-Manier, in Selbstlob. Was auch erklärt, warum sie so anders klingen als vor zwei Jahren. "Die Wirtschaft ist schlecht und wird schlechter", schrieb Trump 2016. Denn da war er ja noch nicht Präsident.

Doch ist die US-Wirtschaft unter Trump wirklich so viel besser als unter seinem Vorgänger Barack Obama? Mitnichten: Obwohl Trumps wirtschaftspolitische Erzählungen vom Weißen Haus, den US-Republikanern und Fox News artig weiterverbreitet werden, haben sie - wie das meiste, was er von sich gibt - mit der Realität nur wenig zu tun.

Oberflächlich betrachtet boomt die US-Konjunktur tatsächlich. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigt, die Arbeitslosigkeit sinkt, Konzerne machen Gewinne, Amerikaner zahlen weniger Steuern. "Die Wirtschaft läuft auf Hochtouren", schreibt der Ökonom Bricklin Dwyer von der Bank BNP Paribas.

Doch Dwyer, ein Datenspezialist, fügt eine Warnung hinzu: "Das Wachstum hat wahrscheinlich seinen Höhepunkt erreicht."

Er ist nicht der Einzige, der dem schrillen Jubel misstraut. Nicht nur, weil Trump und seine Leute täglich unter Beweis stellen, dass sie es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Sondern auch, weil selbst die positiven Zahlen keineswegs eindeutig sind.

Im Gegenteil. Wer hinter die Fassaden schaut, merkt: Trumps Wirtschaftswunder ist ein wackliges House of Cards - ein "potemkinsches Dorf", wie Nobelpreisträger Paul Krugman kürzlich in seiner Kolumne für die "New York Times" schrieb.

Wachstum: Künstlich aufgepumpt

Im zweiten Quartal stieg Amerikas BIP um eine aufs Jahr hochgerechnete Rate von 4,1 Prozent - das stärkste Wachstum in fast vier Jahren. Doch das überparteiliche Congressional Budget Office (CBO) hält das für eine Anomalität, einen Zuckerrausch, verursacht von temporären Faktoren (Staatsausgaben, Steuerreform, vorgezogene Exporte). Fürs Gesamtjahr 2018 prognostiziert das CBO eine "moderatere" Rate von 3,1 Prozent, immerhin noch 0,6 Prozentpunkte höher als 2017. Aber die werde 2019 auf durchschnittlich 2,4 Prozent und im Wahljahr 2020 dann auf im Schnitt 1,6 Prozent schrumpfen.

Allein die unter Trump und dem Republikaner-Kongress explodierten Staatsausgaben, gekoppelt mit den jüngsten Steuergeschenken für Reiche und Unternehmen, verfälschten das BIP im ersten Halbjahr um fast einen Prozentpunkt. Hinzu kommt zum Beispiel, dass die US-Sojabohnenfarmer aus Angst vor Trumps Handelskrieg schnell noch so viel wie möglich nach China exportierten, bevor die Strafzölle in Kraft traten. Das sorgte für ein weiteres Plus von 0,6 Prozent. Die wahre Wachstumsrate im zweiten Quartal hätte deshalb ohne diese einmaligen Effekte 2,7 Prozent betragen.

Haushaltsdefizit: Auf dem Weg zur Rekordlücke

"Das Defizit sinkt - und es sinkt rapide", behauptete Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow im Juni. Statistiken zufolge ist das Nonsens, doch Kudlow - vormals Finanzanalyst und TV-Kommentator - lehnt die Prognosen der Regierungsexperten als "falsch" ab. Diese besagen, dass das US-Haushaltsdefizit im ersten Halbjahr 2018 den höchsten Stand seit 2012 erreichte und dass es bis 2020 erstmals auf die historische Summe von einer Billion Dollar anwachsen wird.

Schuld daran sind die erhöhten Staatsausgaben und die Steuerreform, die die Staatskasse über elf Jahre gestaffelt um fast zwei Billionen Dollar belasten werden. Diese Zahlen stammen übrigens vom Office of Management and Budget (OMB) - einer Behörde des Weißen Hauses.

Steuern: Vor allem die Reichen profitieren

Immer wieder lobt Trump die Steuerreform des vergangenen Jahres als Geldgeschenk an alle Amerikaner. US-Finanzminister Steven Mnuchin behauptet zudem, dass der Steuerplan "sich selbst trägt". Beide Aussagen sind suspekt. Nach Angaben des Tax Policy Centers sparen Amerikaner mit einem Durchschnittseinkommen von 50.000 bis 75.000 Dollar im Jahr 670 Dollar. Ärmere kommen aber viel schlechter weg, für manche springen sogar nur 10 Dollar raus. Am meisten profitieren dagegen die, die schon genug haben: Millionäre dürfen mit Mehreinnahmen von mindestens 60.000 Dollar im Jahr rechnen. Die neue Unternehmensteuer von 21 statt 35 Prozent sorgt außerdem dafür, dass weit weniger Geld in die Staatskasse fließt als bisher.

Handel: Die Wirtschaft murrt

Der größte Unsicherheitsfaktor sind die Handelskriege, die Trump angezettelt hat, weil sie seiner Meinung nach "leicht zu gewinnen" seien. Von wegen. Zwar wird es womöglich nicht ganz so dramatisch werden, wie das Magazin "Atlantic" fürchtet, das die Zollstreitigkeiten bereits für die nächste Rezession verantwortlich sieht. Doch viele Sparten - gerade die, die von Stahl und Aluminium abhängig sind - klagen über die Kosten, die Trumps Poker ihnen aufbürdet. Der Autoriese General Motors   spricht von einer Milliarde Dollar Mehrkosten, der größte US-Aluminiumkonzern Alcoa befürchtet Einbußen von 100 Millionen Dollar.

Cola, Staubsauger und Billigprodukte aus China werden teurer, was vor allem ärmere Amerikaner trifft. Der größte US-Nagelhersteller Mid-Continent Nail entließ jetzt 60 seiner 500 Angestellten und fürchtet, im September ganz dichtmachen zu müssen. "Habt Geduld", twitterte Trump, doch schon wenden sich die ersten Getreuen an der Basis von ihm ab. Mehr dürften folgen, wenn das andauert.

Ob Trump mit den Handelskriegen sein Ziel erreicht, das gewaltige Handelsbilanzdefizit der USA von zuletzt 800 Milliarden Dollar pro Jahr deutlich zu verringern, ist offen. Aber alles sieht danach aus, als würde er dafür zumindest einen hohen Preis bezahlen.

Löhne: Die Arbeiter profitieren nicht

Die US-Löhne stiegen in den vergangenen zwölf Monaten um 2,7 Prozent. Zugleich erhöhte sich aber die Inflationsrate um 2,9 Prozent - der Lohnanstieg wurde also von den höheren Preisen aufgefressen. Der reale Durchschnittsstundenlohn sank um zwei Cent auf 10,76 Dollar. Schuld sind vor allem die Ölpreise, so verteuerte sich Sprit um 50 Cents pro Gallone.

Arbeiter profitieren zudem weniger von den hohen Unternehmensgewinnen als Manager und leitende Angestellte. Konzerne nutzen ihr Plus lieber für eigennützige Maßnahmen, vor allem Aktienrückkäufe, die den Anteilseignern zugutekommen statt der Belegschaft.

Arbeitslosigkeit: So niedrig wie selten zuvor

Einer der wenigen Lichtblicke ist die Arbeitslosenquote. Im Mai fiel sie auf 3,8 Prozent - der tiefste Stand seit 18 Jahren, Volkswirte sprechen bei solchen Zahlen von Vollbeschäftigung. Das ist zwar nicht der beste Arbeitsmarkt aller Zeiten, wie Trump gern behauptet, aber natürlich ein guter Wert.

Doch auch hier geht ein langer Trend eher dem Ende zu. Das Stellenwachstum unter Trump verläuft langsamer als in Obamas letzten Jahren und konzentriert sich auf urbane Bezirke (in denen mehr Demokraten leben) statt auf ländliche Regionen (in denen mehr Republikaner leben).

Was Ökonomen darüber hinaus besorgt: Bis 2026 werden nach Ermittlungen des Weltwirtschaftsforums rund 1,4 Millionen Amerikaner wegen des technologischen Wandels ihre Jobs (wieder) verlieren - 70 Prozent davon in Berufen, die völlig verschwinden werden.