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Cambridge-Analytica-Whistleblower "Brexit wäre ohne Datenskandal nicht passiert"

Der Whistleblower Christopher Wylie ist sich sicher, dass über Facebook gezielte Wahlmanipulation betrieben wurde. Vor dem Europaparlament sagte er aus, wie der Konzern versucht haben soll, den Datenskandal zu vertuschen.
Christopher Wylie (Archiv)

Christopher Wylie (Archiv)

Foto: SHANNON STAPLETON/ REUTERS

Die Entscheidung der Briten für den Brexit 2016 kam nach Einschätzung des Whistleblowers Christopher Wylie durch gezielte Wählermanipulation über Facebook zustande: "Ich glaube nicht, dass der Brexit geschehen wäre, hätte es nicht die von Cambridge Analytica entwickelte Datentechnologie und das Netzwerk von Handelnden gegeben", sagte Wylie bei einer Anhörung im Europaparlament. "Facebooks System ließ das zu."

Wylie ist ein früherer Mitarbeiter der inzwischen aufgelösten Firma Cambridge Analytica, die im Zentrum des Facebook-Datenskandals steht. Sie soll systematisch Nutzerdaten abgegriffen und für gezielte Wahlwerbung genutzt haben - möglicherweise auch bei der US-Präsidentenwahl 2016. Wylie sagte, es sei "nahezu sicher, dass systematischer Betrug und Wählertäuschung geschah".

Nach Wylies Darstellung soll Facebook nicht bei der Aufklärung des Skandals geholfen haben, sondern versucht haben, die Veröffentlichung zu verhindern. Sein eigenes Facebook-Konto sei gesperrt worden, obwohl er dort Beweismaterial für die offiziellen Ermittlungen hätte sichern können, sagte er.

EU-Mitgliedsstaaten müssen Wahlmanipulation im Internet verhindern

Die EU-Kommission will die nationalen Regierungen in die Pflicht nehmen, illegale Wahlmanipulation im Internet zu verhindern: "Es liegt an den Mitgliedstaaten zu prüfen, ob ihre nationalen Gesetze auf diese Art von Missbrauch vorbereitet sind und ob ihre Wahlverfahren ausreichend geschützt sind", sagte EU-Justizkommissarin Vera Jourovà nach einem Treffen mit den Justizministern in Luxemburg.

"Wenn es in ein oder zwei Staaten nicht gelingt, demokratische Wahlen zu garantieren, hat ganz Europa ein Problem", sagte die Kommissarin. Im November wolle die EU-Kommission erneut mit Vertretern der EU-Staaten über Regeln für politische Kampagnen reden. In knapp einem Jahr wird ein neues Europaparlament gewählt.

Der Datenskandal mit bis zu 87 Millionen Betroffenen war auf Betreiben von Bundesjustizministerin Katarina Barley auf die Tagesordnung der Minister gekommen. Die SPD-Politikerin kritisierte Facebook scharf. "Dass jetzt zum Beispiel wieder Gesichtserkennung eingeführt wird, ist nicht gerade eine vertrauensbildende Maßnahme." Zudem sei noch immer unklar, inwieweit europäische und deutsche Nutzer von dem Datenleck betroffen seien.

"Bedeutsame strafrechtliche Ermittlung"

Die britische Datenschutzbeauftragte Elizabeth Denham verwies in der Anhörung auf ihr laufendes Ermittlungsverfahren zu dem Skandal. "Wir sind mitten in einer bedeutsamen strafrechtlichen Ermittlung, die weiter geht als Cambridge Analytica und Facebook." Ein Bericht dazu werde noch in diesem Monat veröffentlicht.

In einer überraschenden Kehrtwende hatte Facebook zuletzt erklärt, dass von dem Datenleck möglicherweise überhaupt keine Nutzer in Europa betroffen seien. Zuvor hatte das Online-Netzwerk noch selbst geschätzt, dass bis zu 310.000 Mitglieder in Deutschland und 2,7 Millionen in Europa insgesamt betroffen sein könnten.

Barley sprach sich am Montag für eine Kontrolle der Algorithmen des sozialen Netzwerks aus. "Algorithmen sind Rechenoperationen, mit denen Menschen in Schubladen gesteckt werden können. Und es ist wichtig, dass sowohl die Staaten als auch die Betroffenen selbst wissen, nach welchen Kriterien das erfolgt." Zudem müsse es - wie beim Telefonieren auch - möglich sein, über verschiedene Anbieter miteinander zu kommunizieren.

Im Mai hatte Facebook-Chef Mark Zuckerberg im Europaparlament Rede und Antwort gestanden. Die Anhörung wurde allerdings scharf kritisiert, weil Zuckerberg bei vielen Themen mit allgemeinen Einlassungen davonkam. In den kommenden Wochen soll es zwei weitere Anhörungen in Fachausschüssen des Parlaments unter anderem mit Vertretern von Facebook geben.

kry/dpa