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Schweiz
FDP-Präsidentin Petra Gössi kritisiert Doris Leuthards geheimes Vortreffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker deutlich. Im Interview spricht sie zudem über das AHV-Problem, den Wirtschaftskrieg und über Bundesrats-Ambitionen
Petra Gössi: Das ist motivierend für alle, die sich für liberale Lösungen einsetzen. Für die Lösungsfindung ist es gut, dass wir die linke Siegesserie durchbrechen konnten. Sonst wären nur noch linke Lösungen durchgeboxt worden. Die Linke marschierte sehr selbstbewusst vorwärts. Doch bei der Altersvorsorge überspannte sie den Bogen. Jetzt darf aber die bürgerliche Seite nicht übermütig werden. Es geht mir nicht einfach darum, eine Abstimmung zu gewinnen, sondern wir setzen uns für unsere Werte ein.
Alle Parteien stehen in der Verantwortung. Den Plan B zur Altersvorsorge kommunizierten wir aber schon während des Abstimmungskampfes. Wir brachten ihn – bürgerlich zusammengefasst – an den runden Tisch. Bundesrat Berset liess dann in einer Medienmitteilung verlauten, man sei sich nirgends einig. Da muss ich aber sagen: Mit einer solchen Aussage zeigt der Bundesrat kaum Offenheit für eine Lösung, die den Abstimmungsgewinnern entgegenkommt. Er hätte herausstreichen können, dass die Bürgerlichen eine gemeinsame Stossrichtung haben.
Erste und zweite Säule sollen in unterschiedlichen Reformen behandelt werden. Unser Plan ist, dass zuerst die erste Säule mehr Mittel über die Mehrwertsteuer und über die Rentenangleichung auf 65/65 erhält. Für Letztere gibt es eine soziale Abfederung. Und wir möchten eine AHV-Abstimmung wenn möglich noch in dieser Legislatur. In der zweiten Säule braucht es eine Senkung des Umwandlungssatzes und eine Kompensation innerhalb der zweiten Säule.
Die Vorlage war zu komplex, wie bei der AHV-Reform. Zudem war nicht klar, wie sich die Reform in den Kantonen auswirken würde. Wir sind nun alle gefordert, echte Kompromisse zu finden, welche die Schweiz vorwärtsbringen.
Dass die Steuersätze in den USA gesenkt werden, lässt das Verständnis wohl wachsen, dass eine rauere Zeit auf uns zukommt. Deshalb müssen wir den Kantonen die nötigen Werkzeuge zur Verfügung stellen. Klar ist aber eines: Wir dürfen die Linke nicht wieder ins Referendum treiben.
Persönlich finde ich, dass die Kinderzulage sachfremd ist in dieser Vorlage. Zudem greifen wir damit in die Kompetenz der Kantone. Ich bin aber persönlich bereit, zu einem Kompromiss Hand zu bieten.
Im Steuerstreit mit den USA wurden zwei Schweizer Bankiers freigesprochen. Da stellt sich die Frage, ob die Interessen der Schweiz im Steuerstreit richtig vertreten wurden. Es
ist ein Wirtschaftskrieg. Verschiedene Länder suchen in wohlhabenden Ländern wie der Schweiz Geld, das ihnen in der eigenen Kasse fehlt. Es geht nicht mehr um Rechtsstaatlichkeit und um Gegenrecht.
Mit der Senkung der Steuersätze betreiben die USA reine Interessenpolitik. Es geht darum, dass die Gewinne in den USA versteuert werden. Dieses «America First» wird man auch in anderen Staaten immer stärker spüren. Die Schweiz muss deshalb international attraktiv bleiben.
Hier gibt es eine Verschiebung. In der ersten Hälfte der Legislatur drehten sich die Diskussionen darum, dass Didier Burkhalter nicht bürgerlich gestimmt habe. Dieser Druck verschiebt sich auf die CVP-Vertreterin.
Es gab wirklich unsaubere Aktionen. Es geht nicht an, dass vor dem offiziellen Treffen ein geheimes Parteitreffen stattfindet. So etwas macht man nicht.
Die FDP hat ihr Profil nicht verschoben, aber wir haben es geschärft. Bevor Müller Präsident wurde, war er etwa gleich eingestuft wie ich vor dem Präsidium.
Ich halte nichts davon, Medien auf eine schwarze Liste zu setzen. Es ist Aufgabe der Politik, mit allen zu reden. Erhalte ich dort eine Plattform, heisst das noch nicht, dass ich mich anbiedere. Seit Herr Köppel im Nationalrat sitzt, ist die «Weltwoche» für mich aber mehr und mehr zu einem SVP-Organ geworden.
Wir entwickeln eigene Positionen und suchen Mehrheiten dafür. Mit der SVP finden wir sie weder bei der Zuwanderung noch bei Asylfragen und auch bei Wirtschaftsfragen immer weniger. Wir sehen die Zukunft als Chance und nicht als Gefahr.
Uns ist es wichtig, in Klima- und Energiefragen eine eigenständige Politik zu entwickeln. Wir haben mehrheitlich die Energiestrategie 2050 unterstützt, weil wir mehr Markt auch bei erneuerbaren Energien wollen. Wir müssen wettbewerbsfähig sein, ohne Swiss-Finish. Die Schweiz soll keine Insel sein. Ganz wesentlich wird die Frage sein, wie wir mittel- bis langfristig eine hohe Versorgungssicherheit gewährleisten können.
Wir machen am 13. Januar eine Delegiertenversammlung auch zu diesen Fragen. Wir verabschieden eine Resolution zu Klima- und Energiepolitik und ein Positionspapier zur Medienpolitik. Themen des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Wir wollen eine eigenständige, marktnahe Energie- und Klimapolitik vorantreiben. Die CO2-Gesetzgebung soll international und flexibel ausgerichtet sein. Finden Schweizer Unternehmen Lösungen, die auch im Ausland die Energieeffizienz erhöhen und den CO2-Ausstoss massiv reduzieren, sollen sie in der Schweiz angerechnet werden. Das fördert Innovation.
Wir wollen von starren Quoten wegkommen. Selbstverständlich muss die Schweiz weiterhin im Inland Massnahmen zur Reduktion der Treibhausgase umsetzen. Aber staatlich fixe Quoten zu definieren, entspricht keiner wirksamen und wirtschaftsfreundlichen Politik.
Die FDP fordert schon lange die vollständige Liberalisierung des Strommarktes. Darum haben wir auch einen entsprechenden Kommissionsvorstoss lanciert. Die Frage der flankierenden Massnahmen stellt sich heute noch nicht. Zuerst braucht es mal einen Grundsatzentscheid.
Die FDP will weder die Abschaffung der direkten Medienförderung, noch will sie finanziell komplett vom Staat abhängige Medien. Es braucht zielgerichtete Reformen für mehr Markt in der Medienlandschaft. Mit Verbesserungen des Konzessionierungsverfahrens, weniger Regulierung für private Anbieter sowie einer effizienteren Nutzung der Gebühreneinnahmen erhalten Private mehr Spielraum.
Nein. Aber wir wollen sofort mit Forderungen auftreten, sobald im Uvek eine neue Bundesrätin oder ein neuer Bundesrat am Drücker ist. Frau Leuthard wird ja, wie sie selber ankündigte, eher früher als später zurücktreten.
Im Verlaufe des nächsten Jahres. CVP-Bundesräte traten bisher meistens gegen Ende des Vor-Wahljahres zurück. Doris Leuthard ist strategisch geschickt. Wenn sie ihren Rücktritt platziert, wartet sie nicht anderthalb Jahre. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass der Rücktritt bis spätestens im Herbst 2018 erfolgt.
Das verstand ich nicht als konkreten Hinweis, dass sein Rücktritt unmittelbar bevorsteht. Johann Schneider-Ammann thematisierte, dass er und Karin Keller-Sutter 2010 bei seiner Wahl Konkurrenten waren – und seither einen gemeinsamen Weg gehen.
Das ist eine Frage, die sich mir im Moment nicht stellt.
Sie stellt sich nicht.
Ich habe Ja gesagt zum Parteipräsidium und will es weiterführen. Mir sind die nächsten Wahlen wichtig. Ich will sie gewinnen. Das ist bis zu den Wahlen meine Aufgabe.