Schlaganfall, Diabetes, Amputation: Olympiasieger Lothar Thoms tot

Von: SEBASTIAN KAYSER

„Er hat sich immer wieder aufgerappelt, nur diesmal leider nicht mehr.“

Das sagt Bernd Drogan (62), Straßeneinzel-Weltmeister von 1982, über seinen Kumpel Lothar Thoms. Der Olympiasieger von Moskau 1980 im 1000-Meter-Zeitfahren starb am Sonntag im Alter von 61 Jahren in Cottbus. Vor 15 Jahren erlitt Thoms einen Schlaganfall, bekam Diabetes. Infolge der Erkrankung starben Gewebezellen im Bein ab, eine sogenannte Nekrose. Anfang September folgte die Amputation. „Es war eine Entscheidung auf Leben und Tod“, sagte er damals der „Lausitzer Rundschau“. Doch seine Hoffnung war vergebens.

Der zweifache Radsprint-Olympiasieger Lutz Heßlich (58) erfuhr von BILD von Thoms' Tod. Sein langjähriger Weggefährte: „Er war ein so toller Sportler! Er hatte riesiges Talent, das er auch auf die Bahn brachte. Er konnte sich quälen bis zum Umfallen.“ Bestes Beispiel: „Wir waren beide die einzigen, die bei minus zehn Grad auf dem Rad unterwegs waren“, so Heßlich.

Auch Drogan war geschockt, als er die Nachricht erhielt. „Ich habe im Auto gleich den Lenker verrissen. Wir wussten, dass es nicht gut um ihn steht, aber dass es so schnell geht, das ist unfassbar. Er hat nichts ausgelassen, was Krankheiten angeht.“ Als Folge des Schlaganfalls von 2002 konnte Thoms nur ganz schlecht laufen und hatte große Probleme zu sprechen. „Von dem Schlaganfall hat er sich nie erholt. Eigentlich durfte er nicht mehr Rad fahren, aber er fuhr trotzdem und stürzte aufgrund der Gleichgewichtsstörungen und brach sich wieder was. Es ist einfach nur traurig“, so Drogan.

Beim SC Cottbus wurde Thoms groß, dominierte Mitte der 70-er bis Anfang der 80-er Jahre das Zeitfahren auf der Bahn wie kein anderer. In Moskau-Krylatskoje raste er in Weltrekord-Zeit von 1:02,995 Minuten zum Olympia-Gold. Vier Jahre später nahm ihm der DDR-Boykott für Los Angeles die nächste Olympia-Chance. Ein Jahr später beendete er seine Karriere.

Heßlich: „Der Ehrgeiz, den er im Sport hatte, ist nach der Karriere ein wenig verloren gegangen. Er hat viel Pech gehabt.“ Sein Dauer-Rivale, der Berliner Emanuel Raasch (61): „Wir sind zusammen groß geworden, von der Jugend bis zu den Männern den Weg gemeinsam gegangen. Wir hatten Spaß, erlebten Höhen und Tiefen. Mit Lotte konntest du Pferde stehlen. Sein Tod berührt mich tief. Der geht nicht spurlos an einem vorbei.“

So erfolgreich die DDR-Radsportler auch waren, so viel Spaß hatten sie auch. Raasch erinnert sich an eine Episode aus einem Trainingslager in Algerien: „Ich habe eine Tube mit normaler Salbe mit Wärmecreme präpariert. Die hat er sich dann in die Rennhose geschmiert. Die brennt an gewissen Körperstellen wie sau. Er hatte eine 150-Kilometer-Trainingsrunde vor sich. Als wir vom Sprint-Training kamen, lag Lotte schon, vollgepackt mit Eisbeuten in den unteren Körperregionen, im Zimmer und fluchte, dass die Salbe irgendwie schlecht war. Wir haben Tränen gelacht.“

Aber auf der Bahn war Thoms es, der zuletzt lachte. „Ein richtig Guter ist da von uns gegangen. Er war der bessere 1000-Meter-Mann gegenüber mir, hatte mehr Talent und die entsprechenden Erfolge“, so Raasch.

Wolfgang Schoppe (76), Ehren-Mitglied des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) und zu Thoms' Zeiten Präsidiumsmitglied des DDR-Radsportverbandes: „Lotte war ein feiner Kerl. Der bestritt nur wenige Wettkämpfe, trainierte meist nur. Aber zu den Höhepunkten war er topfit. Das wäre für mich als Rennfahrer undenkbar gewesen.“

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