Zum Inhalt springen

Wahlprogramme im Vergleich Kita, Schule, Uni - das versprechen die Parteien

Marode Schulen, fehlende Lehrer: Um die Bildung in Deutschland steht es schlecht. Im Wahlkampf geloben die Parteien wahlweise Chancengleichheit, Elitenförderung oder Gratis-Kitas. Wer will was? Der Check.
Von Armin Himmelrath und Anna-Sophia Lang

Mehr als 14 Millionen Kinder unter drei Jahren, Schüler und Studenten wollen in deutschen Kitas, Schulen und Unis lernen, betreut werden, fürs Leben weiterkommen. Und die Zahlen steigen. Doch Schulgebäude rotten vor sich hin, Lehrer fehlen überall, Erzieher sowieso.

Wann ändert sich daran etwas? Und wer soll das bezahlen, der Bund oder die Länder?

Zwar sagten kürzlich 64 Prozent der Wähler vor dem Urnengang für den ARD-Deutschlandtrend, "Schul- und Bildungspolitik" sei das für sie wichtigste Thema vor der Bundestagswahl - noch vor "Terrorismus bekämpfen" und "Absicherung im Alter" - und dennoch: Kitas, Schulen und Unis spielen im Wahlkampf kaum eine Rolle.

Okay, Martin Schulz hat es versucht. Im Mai, kurz nach der heftigen rot-grünen Niederlage in NRW, hatte der SPD-Kanzlerkandidat auf die Bildungskarte gesetzt - allerdings vergeblich. Das Thema hat nicht richtig verfangen.

Angela Merkel hingegen hat das Thema von Anfang an ignoriert. Und auch ihre zuständige Ressortchefin, Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU), beschränkte sich in den vergangenen Wochen und Monaten auf Business as usual - mal abgesehen von der unglücklichen Figur, die sie bei der Debatte um den von ihr angekündigten, bisher aber nicht finanzierten Digitalpakt für die Schulen machte.

Wofür aber stehen die sechs Parteien, die Chancen auf den Einzug in den Bundestag haben, in der Bildungspolitik wirklich? Wir haben für Sie zusammengefasst, was in den Wahlprogrammen zur Zukunft der Schulen und Hochschulen, der Kitas und der dualen Ausbildung steht:


UNION


Foto: Arno Burgi/ picture alliance / dpa

Die Union plädiert für eine "digitale Bildungsoffensive" in den Schulen und will an den Plänen für den zuletzt heftig kritisierten Digitalpakt festhalten. Bildung soll nach dem Willen von CDU/CSU Ländersache bleiben - das Kooperationsverbot soll also im Kern bestehen bleiben - was neue bundeseinheitliche Vorschriften nicht ausschließt.

So will die Union bundesweit einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in den Grundschulen einführen - eine Position, die so vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Für die dringend notwendige Sanierung von Schulgebäuden verweist die Union auf einen sieben Milliarden Euro schweren Sonderfonds.

Wichtig ist der Union, dass die Gymnasien als eigenständige Schulform erhalten bleiben. Und sie verspricht, dass sie "die berufliche Bildung weiter stärken" werde, durch das Modell der "höheren Berufsbildung". Darunter verstehen CDU/CSU "mehr und neue Aufstiegschancen für dual Ausgebildete", etwa durch eine stärkere Durchlässigkeit zwischen Schultypen und Ausbildungswegen.

Foto: Markus Schreiber/ AP

Bildung dürfe nichts kosten außer Anstrengung, plakatiert die SPD bundesweit. Die Forderung nach Gebührenfreiheit soll dabei nicht nur für Kitas und Hochschulen gelten, sondern ausdrücklich auch für Berufstätige, die eine Meister- oder Technikerausbildung machen. Auch die Sozialdemokraten fordern einen Rechtsanspruch auf einen Platz in Kita und Ganztagsschule und wollen die Vermittlung digitaler Kompetenzen deutlich stärken.

"Schulen müssen strahlen", heißt es im Wahlprogramm, "die Gebäude, aber auch ihre Ausstattung". Mit einer "nationalen Bildungsallianz" soll das von Bund und Ländern gemeinsam gestemmt werden - dafür fordern die Sozialdemokraten die vollständige Aufhebung des Kooperationsverbots. Überall da, wo es sinnvoll sei, müsse der Bund helfen können, um Bildung besser zu machen.

Konkret versprechen die Sozialdemokraten die Einführung einer Mindestausbildungsvergütung, ein aufgestocktes Schulmodernisierungsprogramm und den Ausbau der Schulsozialarbeit. Den Fachhochschulen verspricht die SPD eine Verdoppelung der Forschungsförderung; außerdem soll der Meisterbrief den direkten Zugang zum Masterstudium ermöglichen. Und schließlich will die SPD eine Frauenquote von 40 Prozent in der Wissenschaft durchsetzen.

Foto: Lukas Schulze/ picture alliance / Lukas Schulze/dpa

Deutlich mehr Geld fürs Bildungssystem fordert die Linke. Das Kooperationsverbot soll komplett aufgehoben werden, und ein Bildungsrahmengesetz bundesweite Standards festlegen.

Benötigt würden laut der Linken rund 70 Milliarden Euro, um den Sanierungsstau an Schulen und Hochschulen zu beheben. Die Partei will den Bafög-Höchstsatz von jetzt 735 auf 1050 Euro anheben, für Auszubildende soll es einen Mindestlohn geben. Langfristig will die Partei das mehrgliedrige Schulsystem durch Gemeinschaftsschulen ersetzen. Mehr Personal soll die Betreuungsverhältnisse verbessern, alleine für die Hochschulen will die Partei fast 57.000 neue wissenschaftliche Stellen.

Auch die Linke will einen Rechtsanspruch auf einen kostenlosen Kita-Ganztagsplatz. Versprochen werden zudem gratis Lehr- und Lernmittelfreiheit in der Schule sowie eine kostenfreie Kita- und Schulverpflegung. Kommerzielle Werbung an Schulen soll verboten werden. Für Unis und FHs lehnt die Linke sämtliche Studiengebühren ab und fordert einen zulassungsfreien Zugang zum Masterstudium. Der Bologna-Prozess, also die arbeitsmarktorientierte Umstellung auf Bachelor und Master, sei "neoliberal" und müsse durch ein System ersetzt werden, in dem selbstbestimmtes Lernen im Vordergrund stehe. Zudem soll die Zivilklausel an allen Hochschulen eingeführt werden, wonach Forschung zu militärischen Zwecken verboten ist.

Foto: Stefan Sauer/ picture alliance / Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa

Die Grünen kritisieren, dass die Bildungschancen zu stark von der sozialen Herkunft abhängen: Es sei "ein Skandal, dass es für Kinder aus Arbeiterfamilien bei uns so schwierig ist aufzusteigen". Gemeinsames, längeres Lernen soll die sozialen Unterschiede in den Bildungswegen abfedern. Generell will die Partei mehr Geld für die Bildung ausgeben, unter anderem zehn Milliarden Euro für ein Sonderprogramm zur Sanierung maroder Schulen.

Ziel der Grünen ist es, "sieben Prozent (statt derzeit circa 4,2 Prozent) der Wirtschaftsleistung in die allgemeine Bildung und mindestens 3,5 Prozent (statt derzeit circa 2,9 Prozent) in Forschung und Entwicklung zu investieren". Die Haushaltsüberschüsse müssten dafür in Bildungsinvestitionen, nicht in Steuersenkungen fließen.

Konkret verspricht die Partei drei Milliarden pro Jahr, die vom Bund in den Kita-Bereich fließen werden, um so den Anspruch "Ganztagsplätze für alle" zu finanzieren. Der Bildungsförderalismus müsse "entkrustet" werden, 10.000 Schulen sollen mit Bundesgeldern "fit für die Zukunft" gemacht werden. Im Programm stehen außerdem bessere Studienbedingungen, ein "Bund-Länder-Aktionsplan 'Studentisches Wohnen'" für mehr preiswerten Wohnraum und eine jährliche automatische Bafög-Erhöhung.

(Hier finden Sie das Wahlprogramm der Grünen im PDF-Format .)


FDP


Foto: Markus Scholz/ picture alliance / Markus Scholz/dpa

Nicht weniger als die "weltbeste Bildung" verspricht die Partei in ihrem Programm und macht Schulen und Hochschulen zu einem Hauptthema ihres Wahlkampfs. Erreicht werden soll das durch weniger Zuständigkeiten der Länder und durch bundesweit einheitliche Standards, der Bildungsföderalismus müsse dafür "grundlegend reformiert" werden.

Auch die FDP plädiert für deutlich höhere Bildungsausgaben und will das mit einer Unterrichtsgarantie gegen Stundenausfälle koppeln. Bei den Ausgaben müsse Deutschland "auf Top-5-Niveau der OECD-Staaten" kommen. Ein wichtiger Aspekt im Wahlprogramm ist die Digitalisierung: Die Liberalen schwärmen, dass damit "individuelleres Lernen, innovative Lehrmethoden und aktuellere Lehrmittel" möglich werden. Die notwendigen Modernisierungen an den Hochschulen sollen über "nachgelagerte Studiengebühren" finanziert werden.

Generell will die FDP den "Wettbewerb um Studierende" der Hochschulen fördern. Dafür sollen Bildungsgutscheine sorgen: Hochschulen erhalten diesen Gutschein für staatliches Geld in Höhe der Studienkosten, wenn jemand sich bei ihnen einschreibt. Damit würden Unis und FHs sich um ein qualitativ gutes Studienangebot bemühen. Abgewickelt werden soll diese Art der Finanzierung über einen bundesweiten "Fonds für gute Studienbedingungen" der Bundesländer.

Foto: Oliver Killig/ dpa

Die AfD beklagt, dass durch das kompetenzorientierte Lernen der vergangenen Jahre ein "massiver Leistungsabbau bei den Schülern" zu beobachten sei. Deshalb fordern die Rechtspopulisten eine Rückkehr zur Vermittlung von Faktenwissen. Das bezieht sich aber nicht auf die Schulforschung: In der Folge der Pisa-Studien hätten sich in fast allen Bundesländern Schulaufsicht und Bildungspolitiker "zu Handlangern der Testindustrie machen lassen" und eine "kontinuierliche Absenkung des Niveaus" eingeleitet.

Gegensteuern will die AfD mit dem Erhalt des mehrgliedrigen Schulsystems sowie der Sonderschulen und einer Stärkung der Ausbildungsberufe. Der "Einfluss von internationalen Konzernen, Stiftungen und Lobbygruppierungen" auf die Schulen müsse gestoppt werden. Das Abitur soll nach dem Willen der Partei "wieder zum Ausweis der Studierfähigkeit werden". Islamischen Religionsunterricht lehnt die AfD ab. Der Schulunterricht für Asylbewerber solle nicht integrieren, sondern "diese auf das Leben nach der Rückkehr in ihr Herkunftsland" vorbereiten.

Für die Hochschulen setzt die Partei auf einen Sonderweg in Europa und will statt des Bachelor-Master-Systems eine Rückkehr zu Diplom und Magister. Die Modularisierung des Studiums soll ebenfalls rückgängig gemacht werden.

(Hier finden Sie das Wahlprogramm der AfD im PDF-Format .)