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Harvard-Studie Wie ExxonMobil Zweifel an Klima-Forschung streute

Die Manager von ExxonMobil wussten genau Bescheid - doch in der Öffentlichkeit spielte der Konzern die Risiken des Klimawandels herunter. Das werfen die Autoren einer neuen Studie dem Unternehmen vor.

Im Jahr 1997 erschien in der "New York Times" ein Text über die Erderwärmung. "Wissenschaftler können nicht mit Sicherheit vorhersagen, ob Temperaturen steigen, wie stark und wo Veränderungen stattfinden", hieß es darin. Man wisse immer noch nicht, welche Rolle vom Menschen verursachte Treibhausgase bei der Erwärmung des Planeten spielen könnten.

Hinter dem Artikel steckte der heutige Konzern ExxonMobil - es handelte sich um eine bezahlte Anzeige. In der Öffentlichkeit habe das Unternehmen die Risiken des Klimawandels immer wieder angezweifelt, heißt es in einer jetzt veröffentlichten Studie. Dabei hätten der Konzernleitung umfangreiche interne Erkenntnisse vorgelegen, die belegten, dass die globale Erwärmung eine reale und ernste Bedrohung darstellt.

In der Studie haben Wissenschaftler untersucht, wie ExxonMobil das Thema Klimawandel in Zeitungsanzeigen kommuniziert hat und welche Erkenntnisse darüber im Konzern vorlagen. Dafür analysierten die Forscher der Harvard University 72 wissenschaftliche Fachartikel, die bei ExxonMobil angestellte Forscher verfasst hatten. Außerdem wurden weitere wissenschaftliche Beiträge und interne Berichte ausgewertet. Diese verglichen sie mit den Aussagen aus 36 bezahlten Anzeigen aus den Jahren 1977 bis 2014. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in den "Environmental Research Letters". 

Das Urteil fällt hart aus: "Exxon Mobil führte die Öffentlichkeit über den Zustand der Klimaforschung und ihre Auswirkungen in die Irre", schreiben die Studienleiter Geoffrey Supran und Naomi Oreskes in einem Beitrag für die "New York Times". 

Diskrepanz zwischen öffentlichen Aussagen und internen Diskussionen

Öffentlich zugängliche Dokumente zeigten demnach eine systematische, messbare Diskrepanz zwischen dem, was bei ExxonMobil beschäftigte Wissenschaftler und Führungskräfte in privaten und akademischen Zirkeln über den Klimawandel diskutierten und dem, was sie der Öffentlichkeit präsentierten.

ExxonMobil ist 1999 aus der Fusion zwischen Exxon und Mobil Oil entstanden. Der amtierende US-Außenminister Rex Tillerson arbeitete von 1975 bis 2016 bei Exxon in diversen Führungspositionen. 2006 wurde er zum CEO ernannt. Tillerson selbst wird in der Studie nicht erwähnt. Die Autoren haben geschaltete Anzeigen und wissenschaftliche Dokumente aus der Zeit vor und nach der Fusion zu ExxonMobil analysiert.

In den internen Berichten und wissenschaftlichen Beiträgen wäre in mehr als 80 Prozent der Fälle anerkannt worden, dass die globale Erwärmung real und menschengemacht sei. Nur zwei Prozent hätten Zweifel geäußert. In diesen Fällen entsprächen die Zweifel wissenschaftlich üblicher Vorsicht gegenüber kategorischen Befunden. Die Forscher hätten bei ihrer Untersuchung den jeweiligen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung berücksichtigt.

"Wissenschaftliche Berichte und Artikel, die ExxonMobil-Angestellte geschrieben oder an denen sie mitgewirkt haben, bestätigten, dass die globale Erwärmung eine reale und ernste Bedrohung darstellt", schreiben die Autoren der Studie. In den Berichten habe auch gestanden, dass die Erderwärmung kleiner ausfalle, wenn weniger fossile Brennstoffe verbrannt würden.

Advertorials sollten die Öffentlichkeit beeinflussen

Dem stellten die Wissenschaftshistoriker bezahlte Anzeigen von ExxonMobil in der "New York Times" zwischen 1989 und 2004 gegenüber. Dabei ging es um sogenannte Advertorials, Anzeigen, die wie normale Artikel aussehen. Darin seien meist wissenschaftliche Unsicherheiten über den Klimawandel hervorgehoben worden.

So habe der Konzern beispielsweise in einer Anzeige von 1997 argumentiert: "Das Wissen über den Klimawandel ist zu unzuverlässig, um einen Aktionsplan anzuordnen, der Volkswirtschaften in Aufruhr versetzen würde." Man wisse immer noch nicht, welche Rolle vom Menschen verursachte Treibhausgase für die Erwärmung der Erde spielen könnten.

In 81 Prozent der Fälle seien Zweifel an der Erderwärmung geäußert worden, schreiben die Forscher. Die PR-Texte hätten eine Sichtweise befördert, die größtenteils unvereinbar mit den Ansichten der meisten Klimawissenschaftler gewesen sei, inklusive der bei ExxonMobil Beschäftigten.

Während die wissenschaftlichen Beiträge meist sehr technisch und nur Konzernmitarbeitern zugänglich oder in akademischen Publikationen durch Paywalls geschützt gewesen seien, seien die Advertorials in der "New York Times" darauf ausgerichtet gewesen, die Öffentlichkeit zu erreichen und zu beeinflussen. Jede Anzeige habe rund 31.000 Dollar gekostet, schreiben die Forscher weiter.

ExxonMobil weist Vorwürfe zurück

Die Autoren erwarten, dass ExxonMobil die nun publizierte Studie in Frage stellen wird. Der Konzern hat bislang stets bestritten, Erkenntnisse über die Erderwärmung versteckt oder verschwiegen zu haben. In einer Erklärung, die das Unternehmen nach der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens 2016 abgab, wies ExxonMobil Vorwürfe zurück , nach denen der Konzern die Erforschung des Klimawandels unterdrückt habe. Die Klimagefahr sei real.

Die Frage sei allerdings nicht, ob ExxonMobil Forschung zum Klimawandel behindert habe, schreiben die Autoren der Studie. Es gehe vielmehr darum, wie sie darüber kommuniziert hätten.

Die neue Studie konkretisiert frühere Berichte über die Diskrepanz dessen, was ExxonMobil über den Klimawandel wusste, und dem Bild, das der Konzern der Öffentlichkeit präsentierte. Die "Los Angeles Times" berichtete 2015 , dass der Konzern mit viel Geld erforscht habe, wie der Klimawandel die eigenen Geschäfte in der Arktis beeinflussen könnte. Dabei hätten wissenschaftliche Mitarbeiter anerkannte Klimamodelle genutzt, welche die Führungskräfte allerdings öffentlich als unzuverlässig bezeichneten.

Gegen ExxonMobil ermittelt seit 2015 auch die New Yorker Staatsanwaltschaft. Sie geht dem Vorwurf nach, der Konzern habe falsche Angaben zum Klimawandel gemacht und Anleger nicht ausreichend über mögliche Risiken aufgeklärt.

brt