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Erdogans langer Arm Deutscher Schriftsteller in Spanien festgenommen

Die spanische Polizei hat am Samstag den deutschen Schriftsteller Dogan Akhanli festgenommen - auf Veranlassung der türkischen Regierung. Die Bundesregierung wertet das als neuerliche gezielte Provokation.
Schriftsteller Dogan Akhanli

Schriftsteller Dogan Akhanli

Foto: imago/ Horst Galuschka

Als es am Morgen gegen 8.30 Uhr an seiner Hoteltür klopfte, ahnte Dogan Akhanli nicht, was ihm blüht. Der Schriftsteller, der aus der Türkei stammt und ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft hat, wollte ein paar Urlaubstage mit seiner Lebensgefährtin in der spanischen Stadt Granada verbringen.

Vor der Tür standen spanische Polizisten. Sie verlangten seinen Ausweis, stellten fest, dass es sich tatsächlich um Akhanli handelt - und nahmen ihn fest. Gegen den 60-Jährigen lag ein Haftbefehl aus der Türkei vor. Weil die ihn per Interpol suchen ließ und ein entsprechender Dringlichkeitsvermerk, eine "red notice", vorlag, war die spanische Polizei aktiv geworden. Seither ist Akhanli in Granada in Polizeigewahrsam und soll nach Madrid überstellt werden.

Was genau ihm vorgeworfen wird, weiß selbst Akhanlis Anwalt Ilias Uyar nicht. "Es ist unglaublich, dass die Türkei kritische Köpfe nun einfach im Ausland jagen lässt", sagt er dem SPIEGEL. Jemand müsse die spanischen Behörden über den Aufenthaltsort von Akhanli informiert haben. "Warum sonst kommt die Polizei ins Hotel, macht gezielt eine Ausweiskontrolle und nimmt meinen Mandanten fest?" Er habe die deutsche Botschaft in Madrid informiert und hoffe nun, dass Akhanli bald freikomme.

Zwei Jahre politischer Häftling

Akhanli wurde im äußersten Nordosten der Türkei geboren, wo er seine Kindheit in einem Dorf verbrachte. Mit zwölf Jahren zog er nach Istanbul zu einem Bruder, um dort die Schule besuchen zu können. Dort begann er, sich gegen die Militärherrschaft in der Türkei politisch zu engagieren und verbrachte zwei Jahre als politischer Häftling im Gefängnis. Anfang der Neunzigerjahre flüchtete er nach Deutschland, wo er seither in Köln und Berlin lebt.

Weil er über Menschenrechte schreibt und über das Gedenken an den Völkermord an den Armeniern vor einem Jahrhundert, den die Türkei aber nicht als solchen bezeichnen will, gilt Akhanli der Regierung in Ankara immer noch als Gegner. Als Akhanli 2010 wieder in die Türkei reiste, um seinen sterbenskranken Vater zu besuchen, wurde er bei seiner Einreise festgenommen. Ihm wurde wegen einer angeblichen Teilnahme an einem Raubüberfall im Jahr 1989 der Prozess gemacht, er verbrachte mehrere Monate in Untersuchungshaft. Schließlich wurde er aus Mangel an Beweisen wieder freigesprochen, dieses Urteil aber in Abwesenheit Akhanlis 2013 wieder aufgehoben.

Er selbst bezeichnete das Verfahren gegen ihn als "politisch motiviert". Aus Angst vor neuerlicher Verfolgung reiste Akhanli deshalb nur noch ins europäische Ausland - so wie jetzt nach Spanien. Das Auswärtige Amt bestätigte die dortige Festnahme. Man bemühe sich um einen konsularischen Kontakt zu dem Deutschen, heißt es in Berlin. Derzeit habe man keine Information darüber, was die Türkei dem Schriftsteller vorwerfe. Auch Anwalt Uyar sagt, er habe bislang noch nicht mit Akhanli sprechen können, stehe aber in Kontakt mit dessen Lebensgefährtin.

Grundsätzlich kann jedes Land über Interpol Festnahmeersuchen an die Mitgliedstaaten des Bündnisses versenden. Interpol prüft dabei nicht, ob die Vorwürfe begründet sind oder nicht. Über eine Auslieferung entscheidet am Ende die Justiz des betroffenen Landes, danach muss die Regierung aber noch zustimmen.

In der Vergangenheit haben besonders autokratische Regime wie Russland, Ägypten oder eben auch die Türkei immer wieder versucht, Oppositionelle und kritische Stimmen über Festnahmeersuchen per Interpol festsetzen zu lassen. Meistens scheiterten sie an den Ländern, in denen die Personen festgenommen wurden, da diese die vorgelegten Beweise für nicht stichhaltig hielten - wie zum Beispiel vor zwei Jahren, als die Regierung in Kairo versuchte, den in Deutschland lebenden Journalisten Ahmed Mansour festsetzen zu lassen.

"Ich gehe davon aus, dass auch mein Mandant nirgendwohin ausgeliefert wird, schon gar nicht in die Türkei", sagt Anwalt Uyar. Schließlich sei Akhanli deutscher Staatsbürger, kein Türke. In der Bundesregierung wertet man den Vorfall als weitere Provokation der Türkei und ihres Präsidenten Erdogan. In Sicherheitskreisen ist von einem "diplomatischen Affront" die Rede, da Ankara mit dem Interpol-Gesuch offensichtlich versuche, einen Deutschen im Ausland festsetzen zu lassen.