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SPIEGEL-Leitartikel Der Rassist, der Hetzer

Wie kein Präsident vor ihm hat sich Donald Trump schützend vor weiße Rassisten und Neonazis gestellt. Trotzdem wird er noch immer verharmlost.
Ku-Klux-Klan-Treffen um 1965

Ku-Klux-Klan-Treffen um 1965

Foto: Hulton-Deutsch Collection / Corbis

Im New Yorker Stadtteil Queens schlugen sich vor 90 Jahren rund tausend Anhänger des Ku-Klux-Klan mit der Polizei, Fred Trump zählte zu den Verhafteten. Zum Prozess kam es nicht, so waren die Zeiten noch nicht. Fred Trump erzog seinen Sohn Donald in dem Bewusstsein, zu einer weißen Elite zu gehören, und 2015 antwortete der Präsidentschaftsbewerber Donald Trump auf Fragen nach der hässlichen KKK-Episode: "Es ist nie passiert. Da es keine Anklage gab, sollte es niemals erwähnt werden." Ist also nur wahr, was vor Gericht endet?

Foto: DER SPIEGEL

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1973 wurde Donald Trump verklagt, weil er seine 14.000 Apartments in New York lieber an Weiße als an Schwarze vermietete. Es war dokumentiert und bewiesen: Bewerbungen wurden mit einem "C" für "colored" gekennzeichnet und aussortiert; Schwarze wurden abgewiesen, Minuten später bekamen Weiße die Wohnung. In den Achtzigerjahren hielt der Kasinobetreiber Donald Trump schwarze Angestellte für fauler als weiße; die Schwarzen würden ihn beklauen, fürchtete er. Im April 1989 wurde die weiße Investmentbankerin Trisha Meili im Central Park vergewaltigt und ins Koma geschlagen, vier Schwarze und ein Latino wurden verhaftet. Trump kaufte ganzseitige Anzeigen: "Bring back the death penalty!" Die unschuldig Verurteilten kamen ins Gefängnis und viele Jahre später frei.

Im November 2016 wählten die USA diesen Trump zu ihrem Präsidenten, jenen Mann, der Barack Obama als im Ausland geborenen Muslim denunziert hatte und dessen Slogan "Make America Great Again" lautet. Dieses "great again" bedeutet in den sozialdarwinistischen USA: Einheimische herrschen wieder über Migranten, Heterosexuelle über Homosexuelle; Weiß herrscht wieder über Schwarz, Mann über Frau. Man kann Trumps Slogan nicht anders deuten: Seine Reden, Dekrete und Personalentscheidungen zeigen, wer er ist.

Trump ist ein Rassist und ein Hetzer. Wer ihn nun als alten, etwas unsortierten, unpolierten Mann bezeichnet, der ja explizit kein glatter Politiker sein wolle, der verniedlicht ihn noch immer.

"Trump testet Ideen auf Twitter, dann wiederholt und wiederholt er sie so oft, bis sie gelernt sind", sagt die deutsche Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling, die Trump von Berkeley aus beobachtet. Viele Amerikaner verstünden die Welt aggressiv, so Wehling, als Dichotomie von Gut und Böse, Trump spreche punktgenau die Wahrheiten dieser Leute aus.

In einer unsicheren Zeit des Wandels benennt der Präsident die Sündenböcke: die Migranten, die Eliten; und wenn es künftig zu Terroranschlägen komme, trügen jene liberalen Richter die Schuld, welche heute die Flüchtlinge ins Land ließen, das sagt prophylaktisch der Mann im Weißen Haus. Ausgerechnet dort, wo die moralische Autorität der USA daheim sein müsste, sitzt der Brandstifter.

Rassismus, in seiner alltäglichen Version, funktioniert meist subtil. Normalerweise sind da erstens die Vorurteile und die Benachteiligungen: Jüdische Kinder werden mit Münzen beworfen, Schwarze öfter als Weiße von der Polizei kontrolliert. Zweitens gibt es Strippenzieher am dunklen Rand und drittens die Politiker im Licht, die mit Klischees spielen. All das kann unabhängig voneinander geschehen.

Dann aber, immer wieder, kommt es zu Phasen, in denen alle Akteure zur selben Zeit auf der Bühne stehen. Das war im Nationalsozialismus so, in der Apartheid, in Ungarn ist es seit einigen Jahren so und nun in Trumps Amerika. In diesen Phasen entfaltet der Rassismus seine Wucht, und die Grenzen fallen.

In der DDR galt die Verteidigung des Kapitalismus als überwundener Standpunkt. Zweifellos zu früh. In der westlichen Welt hatten wir gehofft, dass Misogynie, Homophobie, Antisemitismus und Rassismus weitgehend überwundene Standpunkte seien. Zu früh. Das Ziel rassistischer Rhetorik liegt darin, Tabus ins Spektrum der Debatte zurückzuholen, Rassismus also wieder zu einem Standpunkt zu machen, der als ebenso legitim gilt wie die Toleranz. These und Antithese. Weil man ja nur seine Meinung sage. Weil die USA ja ein freies Land seien.

David Duke, Führer der amerikanischen Rassisten, wusste, warum er sich bei Trump zu bedanken hatte. Wenn der Präsident der USA sagt, das Opfer sei genauso verantwortlich wie der Mörder, der Gegendemonstrant ebenso wie jener Nazi mit der Hakenkreuzflagge, der "Jews will not replace us" brüllt; und wenn seine Partei Trump selbst jetzt noch nicht fallen lässt: Dann haben Duke und Trump ein wesentliches Ziel erreicht. Toleranz, Empathie, Güte, Meinungsvielfalt sind als politisch korrekt verunglimpft, alles andere ist sagbar, und wenn es sagbar ist, ist auch Gewalt wieder begründbar.

Das Rad der Zivilisation ist rückwärtsgedreht worden.

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